Jahr: 2004

Sodawassa

In der U6. Zwei ca. zwölfjährige Mädchen streiten recht laut übers Trinken. Die eine wiederholt in unterschiedlichen Gereiztheitsstufen immerzu Ich trink aber kein Cola, während die andere ununterbrochen und immer lauter werdend die alleinseligmachenden Vorzüge von Coca Cola anpreist. Die Colaabstinenzlerin verläßt mit mir in der Nussdorferstraße den Wagen. Ihr Streitgegenüber schreit noch ein mich ratlos zurücklassendes Sodawassertrinker hinterher, dabei streckt sie ihre Zunge in der Art eines garstigen Kleinkinds heraus, so, wie wir das auch von Dickie Hoppenstedt (zickezacke Hühnerkacke) kennen.

Uns hat man ja damals den Genuss von Coca Cola mit der Leberprobe austreiben wollen. Wenn man eine Leber über Nacht in einen Suppenteller Cola legt, ist am Morgen von der Leber nichts mehr da. Und seht ihr, genau so geht es dann mit eurer Leber. – Es war der gleiche Biologielehrer, der uns in der Vierten vor Irish Coffee warnte: Kaffee! Zucker! Schlagobers! und!!! hochprozentiger! – Alkohol! – ein Satansgebräu! Der kleine Professor Hinterhölzl geriet richtig ins Schäumen, wenn er uns ausmalte, was für Schrecken wir unseren jungen Leibern antun würden.
In der Fünften dann hat uns Professor Steglich vieles relativiert; besonders aufgemerkt habe ich, als er erklärte, dass es zwei Organe gibt, die primär schmerzfrei bleiben: Das Hirn und die Leber.

Damit war meine spätere Pubertät gerettet.

In diesem Sinn: Guten Rutsch und hauen Sie sich nicht den Kopf an. Der tut nämlich dann schon weh.

Sporthilfe

Die Sporthilfe hilft unseren Sportlern, und sie posieren in den verschiedensten Glück bringen sollenden Haltungen: Ein Ruderer schmeißt eine Münze ins Wasser und wünscht sich einen Knoten, unser Schwimmstar bläst die Samen von einem Löwenzahn und erhofft sich dadurch eine Zehntelsekunde (wahrscheinlich weniger) und eine Turmspringerin kniet in der Kirchenbank und betet für eine Drehung.
Natürlich haben alle ihre mit Sponsorenlogos vollgenähten Dressen an. Bei der hübschen Wassersportlerin fällt mir auf, dass sie auch von einer Firma gesponsert wird, deren (das Firmenzeichen ist aufgrund einer anatomisch bedingten Wölbung nicht ganz zu lesen) Namen mit Superfu beginnt (und recht viel mehr wird da auch nicht stehen). Wenn ich die Tatsache, dass sie sich um eine (weitere) Drehung bewirbt mit dem wenigen Platz auf dem weggewölbten Leiberlteil kombiniere, so fallen mir beträchtliche kunstvolle Verrenkungen ein, setzt doch der (ganz sicher selbstlose) Unterstützer auf die Identifizierung der attraktiven Olympionikin mit und als Superfu. Umso mehr, als sie als Synchronspringerin bereits zweimal olympisches Blech gewonnen hat.
Schöne Synchrondrehungen werden das sein, stelle ich mir vor. Weltklasse.

(Wie es mit unseren bulimischen Adlern geht, werden wir ab heute auf der Vierschanzentournee miterleben. Oberstorf ist aber leider kein traditionell guter Boden bzw. Luft für uns.)

Wellen

Nach der Flutwelle ruft die UNO zum größten Hilfseinsatz in ihrer Geschichte und also in der Geschichte der Menschheit, und das Erdbeben am Meeresgrund war das stärkste seit Menschengedenken, eine Million Hiroshimabomben, allerhand. Wenn diese Superlative den Opfern nicht ein stolzer Trost sind?
Eine Frage noch: Wie lange ist dauert ein Menschengedenken? In Europa, Amerika, Asien, Afrika? Und bei den Wilden?

Die letzten Weihnachtskatastrophen (2003 Bam, 2004 der Rand des Indischen Ozeans) beweisen, dass sich die Natur auch gegen Österreich verschworen haben muss: Da zeigen wir es Jahr für Jahr der ganzen Welt, dass wir als Wohltätigkeitsweltrekordler überallhin, vor allem aber ins Dunkel unser Licht bringen (eigentlich eine Ungeheuerlichkeit, dass die Sendung nicht, wie das Neujahrskonzert, in alle Welt übertragen wird), und schon sollen wir wieder unser Geld hergeben.
Immerhin, unser fescher Herr Finanzminister ist wohlauf.

Wissen kann so nutzlos, vor allem aber hilflos sein.

Unschuldige Kinder

Da haben in Münichholz immer die Sternsingerproben begonnen.

In der Kronenzeitung habe ich am 23. Dezember gelesen, dass sich der Herr Kardinal Kinder wünscht. Das fällt ihm gerade zu Weihnachten ein, sagt der im Zölibat lebende Kirchenfürst, habe doch die Kirche Kinder immer als Geschenk betrachtet.
Eine nicht unproblematische Formulierung, denke ich mir; durch viele Jahrhunderte (und in St. Pölten und anderswo leben Traditionen bis heute fort, werden sogar auf den technisch letzten Stand gebracht, wie wir dieses Jahr erfahren haben müssen) hat man, gerade was dieses Thema betrifft, einen sehr eigentümlichen Geschenksbegriff praktiziert und kultiviert.

Ich bin gespannt, was ihnen heuer zu den unschuldigen Kindern einfällt.

(Als Kind habe ich das mit der Unschuld nie ganz verstanden. Wenn ich ehrlich bin, bis heute nicht.)

Umtauschmontag

Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester bzw. Neujahr und Heiligedreikönig sind zwei seltsam gespiegelte, leere Wochen. Die erste dient dem schnellstmöglichen Umtausch der unnützen, unpassenden und mehrfach erhaltenen Weihnachtsware. Nach Neujahr aber ist überall, wo man hinkommt, Inventur und leider gerade heute geschlossen. Alles in allem tritt eine sanfte Beruhigung ein, und es ist eine trügerische: In den Startlöchern lauert man nämlich auf den Ausverkauf, und wer sich zu früh rührt, hat schon verloren.
Vorerst gilt es, die befüchteten und eingetroffenen Geschenkskatastrophen schnellstmöglich ungeschehen zu machen und im Idealfall durch Gutscheine aufzuwerten, die gleich nach Eröffnung des Winterschlussverkaufs in Wunschware verwandelt werden und so allen aber wirklich eine rechte Freude machen.
Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass keine Wäsche auf dem Boden hängen bleibt. Dort geht es nämlich rau her bei der Nacht.

Filetministranten

Obwohl ich der eifrigste, beflissenste, versierteste, beliebteste, kurz: professionellste Ministrant war und mich von der Erstkommunion weg vom Seitenministranten zum Frontalministranten, Läutministranten und schließlich Hauptministranten hochgekniet hatte, bei den Saisonhöhepunkten (Christmette / Weihnachtshochamt bzw. Osternacht / Osterhochamt) kamen die �lteren, die das ganze Jahr nicht oder zumindest nicht regelmäßig ministrierten und schnappten sich die ministrantischen Filetstücke, vor allem den Kirchenjahrsjoker Weihrauchministrant; paarweise (einer mit dem Weihrauchschifferl, einer mit dem Weihrauchfass) mussten sie nur zweimal heraus aus der Sakristei und saßen sonst beim Mesnerschurl seinem Most oder aber auf sehr distinguierten Extraplätzen in der Nähe des Taufbeckens.
So konnte man schon damals ahnen, dass aus ihnen einmal Männer mit verantwortungsvollen Aufgaben werden würden. Und wirklich, ist aus allen vieren auch wirklich was geworden: Helm Peter war Minigolfjunioreneuropameister (er trainierte beim PSV, dem Polizeisportverein) und ist schließlich, wer hätte das für möglich gehalten, Polizist in Steyr geworden; Lachner Günter (mit ihm und seinem strenggrünen 128er coupà© konnte ich in meinen ersten Studiensemestern oft nach bzw. von Graz mitfahren) ist im mittleren Management eines internationalen Großkonzerns, hat Französisch nachgelernt und lebt jetzt mit Familie in Toulouse; der Ungerrudi (er ist sehr lang und sehr schlank, darum ist der Name auch zusammen zu schreiben) hat eine von den Pfaffenbichler-Töchtern geheiratet und hat noch einmal vier Töchter; und Barth Robert ist seit ein paar Jahren Intendant vom ORF Tirol.
Keiner der vier Filetministranten ist also Pfarrer geworden, und mit mir hat das ja auch, nach vielversprechendem Start zwar, doch nicht recht klappen wollen. Das wurmstichige Harmonium vom Pfarrhof steht aber heute bei mir, Apfelthalerkurt hat es mir für das Projekt Passagiere im September 2001 renoviert, der Pfarrerbert hat eh nichts damit anfangen können und so hat er es mir offiziell geschenkt. Das beste Mittel gegen den Holzwurm ist regelmäßiges Musizieren am Halleluja-Traktor, hat mir Kurt geraten.
So schwinge ich mich nun aufs Choralmobed und wünsche noch einen schönen Feiertag!

Geburtstagskinder

Heute feiert auch Richard Pils Geburtstag. Dieses Jahr durfte ich ein paarmal mit ihm und seinen Autorinnen und Autoren Geburtstag feiern, seine Bibliothek der Provinz ist nämlich 2004 fünfzehn Jahre alt geworden. Ein Grund nach dem anderen also, herzlich zu gratulieren.
Aus diesem Anlass leihe ich mir heute einen Text aus, den Richard ganz am Anfang seinen als publication PN°1 erscheinenden Büchern und Katalogen beigegeben hat:

Und Provinz ist das Verhinderte, Gleißende, Unpädagogische, Wurzelige, das Neugierige, das Erfundene, Kranke, Geniale, Hungrige, Lebendige, Zornige, Glückliche, Rostige, Stumpfe, Kleine, Frierende, Freilassende, Mühsame, Nächtliche, die Moosbeere, die Kruste auf dem ausgezogenen Apfelstrudel, das Muttermal auf deinem rechten Schulterblatt, das Schweigenmüssen und Nichtverraten und natürlich die Lorenzibirne, der Marschanzkerapfel, der Brätling, der blauviolett schillernde Mistkäfer, der Raunersalat . . .

Es gibt Genauigkeit durch Unschärfe, und sie ist präziser als es alle Wissenschaft je zusammenbringen kann, wie sehr sie sich auch bemühen mag. Deshalb habe ich immer noch so eine Freude an dieser uneitlen Selbstdefinition seiner Bibliotheksidee und letztlich seiner sympathischen Person.

Ganztagsabend

Das Sprichwort Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben habe ich zuallererst auf den 24. Dezember bezogen, das ist doch plausibel, wenn Bescherung erst um fünf am Nachmittag ist.
Sicher war jedenfalls, dass es das jahresbeste Abendessen geben würde: Kalte Platte mit vielen lustigen Wurstsorten, Perlzwieberln und Russen (die hat es wirklich nur zu Weihnachten und beim zweitbesten Abendessen zu Silvester gegeben; da haben wir es allerdings eiliger gehabt wegen dem Fernsehen). Statt bzw. zusätzlich zum gesünderen Schwarzbrot durften wir Weißbrot vom Sandwichwecken essen, einmal im Jahr kann man schon sündigen. Papa durfte beidemale mehr als ein Bier trinken, und für uns Buben gab es Keli oder Zitronenlift, nicht den öden selbstgemachten Ribislsaft.
Schon sonderbar, dass ein ganzer Tag nur Abend heißt. Obwohl, im Kalender ist immer Adam & Eva gestanden, die waren aber als Jesus auf die Welt gekommen ist schon lange aus dem Paradies vertrieben (ihre Spuren haben sich hernach verloren, wahrscheinlich waren sie da schon tot).
In die Mette, wo ich erfahren hätte, was es mit Adam und Eva so auf sich hatte, bin ich erst gegangen, als ich etwas älter und sehr stolz darauf war. Bis etwa zehn waren die neuen Legooptionen und das Aufbauen der Kleinbahn mit ihren Erweiterungen weitaus spannender. Mit der Eisenbahn gespielt hat aber die ersten Jahre nur Papa, zögerlich ließ er auch Gerhard zu; ich durfte zuschauen, und das tut man mit den Augen.

So verabschiede ich mich vom Advent, Advent-Kalender, der ja auch mit den Augen zu studieren ist, wenngleich Eingriffe in Kommentarform, wie das manche herausgefunden haben, hier schon zulässig (und erwünscht!) sind.

Danke fürs bis hierher Lesen. Und fürs Weiterlesen. Ermutigt durch freundlichen (und in einem Fall sogar kulinarischen!) LeserInnenzuspruch (ansich mag ich ja das Binneni nicht, aber was willst du machen, auch blöde Schreibgewohnheiten kanonisieren sich) habe ich mir nämlich auferlegt, meine kurzliterarischen Fingerübungen weiterhin täglich zu veröffentlichen, vorerst unter dem Label Advent bis Lichtmeß.

Jetzt aber einen schönen Ganztagesabend!

Herzlich,

Bertl Mütter

Weingartner

Eine mögliche Art Heimat ist mir, auch wenn das für einen in Wien lebenden Menschen klischeehaft klingt, mein Kaffeehaus. An sich schreibe ich ungern davon, will ich doch nicht, dass es entdeckt wird und es mit der Ruh dort ein End hat.
Entdeckt habe ich es zufällig, vor gut fünf Jahren (eigentlich hat es ja mich zu sich gerufen). Wie es sich gehört, wurde ich erst nach etwa einem dreiviertel Jahr für mich merkbar als immer wieder Kommender wahrgenommen, und langsam ergaben sich kurze Gespräche über das übliche A Melange, bitte – – – Ihr‘ Melange, bitte hinaus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits das Publikum zu unterscheiden begonnen, das dieses Familienunternehmen bevölkert.
Das Weingartner ist ein reichlich patiniertes klassisches Wiener Eckcafà©, mit einem großen Spiegel im kürzeren rechten Flügel, wo sich auch die wenigen, naturgemäß grünen Logen befinden; im schlauchartigen länglichen Teil (die Budl steht zu beiden Trakten in einem Winkel von 45°) stehen die Herzobjekte, jene drei bestens gepflegten Turniertische. Man spielt vorwiegend Dreiband-Carambol, wenige nur spielen nach den Regeln der offenen Partie. (Wer einen zeitgeistigen Snooker oder herkömmliche Wirtshaus-Pool-Tische sucht, ist hier am falschen Ort.) Billiard inszeniert sich hier als klassenübergreifendes Philosophieren, und oft, wenn ich vom Häusl komme, bleibe ich beimÖlofen stehen und goutiere fingerschnippend, wie es sich gehört, die oft recht eleganten Spielzüge. Zusätzlich zum Dreiband wird freitags an zwei Tischen tarockiert.
Das Publikum ist nicht nur sehr heterogen, die verschiedenen Typen haben auch erworbene Namen: Der Herr Präsident etwa (ein Rom oder Sinti mit dem Schnauzbart eines Walrosses und von stattlichem Umfang) trägt immer weißes Hemd mit Krawatte und ist unerreicht in seiner Grandezza, bei kniffligen Bällen seine ganze Gestalt mitsamt der Krawatte über den Billiardtisch zu lehnen. Gulli ist der Taxler, der nicht alle Wuchteln sofort versteht und deshalb durchaus liebevoll gehänselt wird; aber Jessy, das ältliche Spanielweiberl von Herrn Peter geht mit ihm am liebsten Gassi. Herr Kurt ist Frühpensionist, oft im Trainingsanzug und der mit Abstand dickste Mensch auf dieser Bühne, ein klassischer Nebochant, dem nie nichts passt; ich stelle mir vor, dass es seinen phlegmatischen Boxer deshalb nicht mehr gibt, weil Herr K. auf ihn draufgefallen ist. Die Damen und Herren der oberen Dienstklassen des benachbarten Etablissements versammeln sich auch jeden Abend vor ihrem Klassedienst im Eingangsbereich, da kann es manchmal recht hoch her gehen. Hoch her geht es auch, wenn Herr Strauß, ein weißhaariger Clanchef wie es heißt, sehr Geschäftsmann, deutscher Akzent, sehr freundlich und beliebt, seinen Hof hält. Seine Zechen sind immer die höchsten, und mit dem Schmattes erweist er sich auch als recht generös, wird berichtet.
Stillere Besucher haben zum Teil keine eigenen Namen, Sonntag nachmittags gibt es etwa einen Zigarrenraucher und einen Pfeifenraucher, beide etwa mein Alter und wirklich sehr gepflegte Personen. Sie lesen Zeitung, haben manchmal auch Gäste, mit denen sie leise Gespräche führen. Ein schweigsamer täglicher Besucher bis zuletzt war auch Opa, so hat man ihn genannt, und erst als sein Partezettel am grünen Filz angeschlagen war, hat man erfahren, dass er ein Professor oder so was war und fast 95 Jahre alt wurde. Zum Kaffee hat er immer eine halbe Buttersemmel bekommen.
Meistens, wenn ich vom Tod einer der Kaffeehausgemeinschaft nahe stehenden Persönlichkeiten erfahre, erkundige ich mich bei Rudi Trallala, der kennt sie alle. Rudi ist einer meiner Liebsten. Er ist schon über 75, lange Witwer, stolz auf seine Cello spielende Enkelin, und er hat sich entschieden, immer fröhlich zu sein, eben Trallala. Sein effetvoller Stoß (vor allem der spezielle Schwung) ist unvergleichlich.
Rudi Trallala
Rudi Trallala

Und so ist auch diese Woche ein Partezettel im Cafà© ausgehängt: Herr Herbert ist im Alter von 74 Jahren verstorben. Diesmal bedarf es keiner näheren Erklärung. Obwohl ich der Meinung war, ihn gestern noch gesehen zu haben, ist es wirklich Herr Herbert, die Komplikationen nach einer Herzoperation. Erst seit etwa einem halben Jahr haben wir uns geduzt (hier ist man per Sie; trotzdem ist es eines Tages so weit, dass man sich plötzlich und ohne nähere Erklärung duzt, was nichts an der generellen Distanz ändert, und das Herr in der Anrede bleibt natürlich unangetastet.)
Herr Herbert war jener untergroße Mann, dem ich die 74 nicht angesehen habe. Etwas dicke Brille, im Sommer die extrakurze, zerfranste Jeans-Short, darüber ein quergestreiftes Leiberl, beachtlicher Bauchumfang und abenteuerlich onduliertes, möglicherweise gemeschtes Haar. Dazu eine Herrenhandtasche, Modell Mallorca 1978, Goldketterl und mindestens zwei schwere Ringe an den recht feisten Fingern. Wir haben uns immer kurz (und zunehmend freundlich) zugenickt, dabei halblaut Hallo oder Seawas gesagt. Unser innigst geliebter Opa hat seinen Körper der Anatomie gestiftet.

Was meine Position im Weingartner betrifft, so kann ich berichten, dass aus mir nach etwa einem Jahr, als mich Herr Stefan einmal beim Notenschreiben betreute, plötzlich der Herr Compositeur, kurz: Komposi wurde. Seither weiß ich mich endgültig angenommen, und heuer habe ich bereits zum vierten Mal eine Flasche Wein (Grüner Veltliner, Poysdorf, Weinviertel, Qualitätswein DAC) als Jahresgabe erhalten. Überreicht Mit den besten Grüßen von der Frau Chefin, natürlich von Herrn Peter.

PS: Der immer nervöse Schnölli mit seiner Tenorpolypenstimme, der Dichtersänger Holzi, der Manfred Mann’s Earth Band- und Sugababes-Fan Herr Stefan, der Exjugendfußballtrainer (somit Sozialarbeiter) und jetzige Oberkellner Herr Peter und andere Persönlichkeiten und Vorkommnisse werden nach Weihnachten vorgestellt.

Vorstellungen

Halb vier, im Westen entlang des Wienerwaldes die zarte Kontur der Abendröte. Saatkrähen fliegen hoch über mich hinweg, endlos.
Ich stelle mir vor, dass sie von der Arbeit heimkehren (und in gewisser Weise stimmt das ja auch).

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Der elektrische Seestern auf der anderen Straßenseite hat es nicht ganz bis Weihnachten geschafft und ist verglüht. Damit ist das laute Blinken wieder dem vertrauten blauen Schattenspiel der haushaltlichen Fernsehgeräte (das früher synchroner ablief) gewichen.

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Zum Zahnarzt nach Purkersdorf. Umsteigen in Hütteldorf. Auf einem Zettel lese ich, dass man am Hl. Abend das Friedenslicht aus Bethlehem auch an diesem Bahnhof abholen kann, gratis natürlich (der Frieden kostet nicht so viel wie der Krieg). Noch zehn Minuten. Im Warteraum ist es nicht ganz so kalt. Beim Eintreten stelle ich mir vor, dass ich halblaut frage Wer ist bitte der Letzte? Aber ich traue mich dann doch nicht. Nach ein paar Minuten bleibe ich allein übrig, obwohl in der Zwischenzeit kein Zug angekündigt worden ist. Ich stelle mir vor, dass ich erst hinaus darf, wenn wieder jemand eintritt. Gottlob kommt noch ein junge Frau herein und löst mich aus, knapp, doch rechtzeitig vor der Einfahrt meines Zuges.
Beim Schreiben dieser Zeilen habe ich bereits links unten Keramik; in der Nacht habe ich geträumt, dass mir bei einem Zahn das Gold herausgebröselt ist, wie eine Sternschnuppe.

Lichtspiele

(Nachtrag und Erweiterung zum 19./20.12.)

Trotzdem habe ich das Stadttheater (wie gesagt, ein Name, der mir aus den dargelegten Gründen nur schwer über die Lippen kommt) dann intensiv von Innen zu erleben bekommen, wie ich überhaupt immer, wenn mich was fasziniert hat, versucht habe, das jeweilige System backstage zu erkunden: Als Pfarrhofgeist, Blasmusiker und – Filmvorführersohn.
Papa hatte in den späten Fünfzigerjahren schon Filme vorgeführt, erfuhr ich damals (es muss etwa 1980 gewesen sein). Und jetzt hatte er gehört, dass sie im Volkskino jemanden suchen. Er musste nur wieder neu angelernt werden, die Nachschulung für seinen neuen Nebenjob konnte er problemlos im Biograph absolvieren. Weil er ein Familienmensch war, nahm er in kauf, samstags nach dem Hauptabendfernsehprogramm noch außer Haus zu gehen, um dort bei der geheimnisvollen Nachtvorstellung (NV) ab 22.30 das fachmännische Hantieren mit dem Filmmaterial eingehend zu studieren. Die NV wurde im Schaukasten bei der Autobushaltestelle ohne die anregenden Bilder beworben, wie es sie sonst bei Filmen wie Herbie – ein Käfer auf Extratour und sogar Bilitis gab; ja, selbst bei Schulmädchenreport 1 (1970) bis 13 (1980) wurde der interessierte Cineast mit aufschlussreichem Vorinformationsmaterial versorgt, mit kunstvoll überklebten Nippeln und Schamhaardreiecksbuschen, recht phantasieanregend auf jeden Fall. Für die NV musste man sich mit dem adjektivisch ausgeschmückten Titel (blutjung, feucht, heiß,…) begnügen, darunter stand nur noch der Text Jugendverbot. Mit Rücksicht auf den freizügig gestalteten Inhalt können keine Bilder gezeigt werden.
Natürlich interessierte sich Papa nur für die Kinovorführtechnik, und von den Filmen, selbst wenn man sie anschauen hätte wollen, konnte man pro Akt (20 Minuten) nur etwa die Hälfte sehen, in der Zwischenzeit musste der nächste Akt vorbereitet und der abgespielte zurückgespult und in der Schachtel versorgt werden, viel Arbeit auf jeden Fall. Und hören konnte man bei dem Lärmpegel im Vorführerkammerl nicht wirklich viel.
Selbst später, als Papa dann im renovierten Stadttheater spielte, konnte er mir von vielen Filmen nicht sagen, wie sie ausgegangen sind. Aber ich durfte alle sehen, es gab dort nämlich keine NV, es ist ein seriöses und familienfreundliches Kino, bis heute.
Das Biograph gibt es schon lange nicht mehr. In der Nähe gibt es aber einige Videotheken.

Wir haben ihn erreicht, den 21. Dezember. Die Winterreise ist zu Ende. Das Licht nimmt wieder zu. Ab morgen.

Packerl

(Nachtrag)

Mir fällt noch ein, dass die Packerl in den späteren Jahren immer kleiner geworden sind, und schließlich wurden die Weihnachtsfeiern der Steyrwerke ganz eingestellt. Ich glaube, der Vorwand war der Umbau des Volkskinos ins Stadttheater.
Das erklärt auch, warum es bis heute nicht so beliebt ist.

(Vielleicht hat es die Feiern aber weiterhin gegeben, ich selbst war aber ins allzu jugendliche Alter entwachsen.)

Weihnachtsfeier

Eine Weihnachtsfeier, habe ich mir lange vorgestellt, muss genau so ablaufen, wie das bei den von den Steyrwerken im Volkskino abgehaltenen Kinderfeiern war. So, wie ja auch in der Kirche alles mehr oder weniger zentral geregelt ist, wie man das richtig zelebrieren soll von (Orgelgetöse) – Imnamendesvaters bis Dankseigottdemherrn – (Orgelgetöse).
Damals hat das Werk das Volkskino für ein paar Tage für seine prächtigen Feiern reserviert gehabt. Das war noch vor dem Umbau, da gab es noch den Balkon mit ein paar Logen, und mit insgesamt über elfhundert Sitzplätzen hatten wir das größte Kino österreichs; nach dem Umbau blieben mickrige 623, dafür aber gepolsterte Klappsessel übrig, und das Haus nannte sich auf einmal Stadttheater, ein Name, der bis heute nicht ganz zu den Herzen der Steyrer gefunden hat.
Ich kann natürlich nur von den Feiern für die Arbeiterkinder berichten, die Angestellten kriegen sicher noch größere Packerl. Vorher müssen die Geschenke aber im Saal verdient werden. Links vorne an der Bühne steht so ein großer Christbaum mit großen Kugeln oben und rosaroten und blauen Girlanden, alles strahlend, majestätisch. Dann spricht ein Herr eine Ewigkeit, sicher recht wichtige Sachen, ich verstehe nur und jetzt wünsche ich euch viel Freude, aber es dauert noch, vorher kommen die weltberühmten Florianer Sängerknaben. Der Dirigent, von dem wir abgesehen von seinen kurz nickenden Verbeugungen nur das streng hinaufrasierte Genick zu sehen bekommen, hat ein speckiges blaugrünes Sakko an, wie wir es von den russischen oder tschechoslowakischen Eishockeytrainern kennen, und alles ist wirklich recht streng. Die Buben, von denen wir uns nicht vorstellen können, dass sie nicht auch aus Wachs sind, singen sicher recht schöne Lieder, das interessiert aber keinen, es wird aber trotzdem brav applaudiert, ist ja wirklich eine beachtliche Dressur, die wir da zu sehen bekommen, allerhand. Dann haben wir es überstanden, und endlich kommt der ersehnte Zeichentrickfilm von Walt Disney, lustig, und viel zu schnell vorbei.
Nach diesem aufwändigen Festakt, der dem familiären Christbaumanzünden und obligatorischen Weihnachtsliedersingen und Weihnachtenwünschen am Hl. Abend zu entsprechen scheint (da muss man durch, bevor endlich die Geschenke ausgepackt werden dürfen), stürmt alles hinaus zur Packerlverteilung, tumultartige Szenen sind das. Mama ist recht geschickt und übernimmt jedes Jahr die Schachteln recht schnell, und beruhigt können wir heimkehren. Merkwürdig, es macht uns nichts aus, dass wir mit dem öffnen tatsächtich bis zur familiären Bescherung warten müssen, jede Diskussion wäre auch zwecklos.
Aber am Hl. Abend ist klar, welches Packerl zuerst dran kommt.

Vorwintersonnwendmütterbrief 2004

Liebe MBA,

jetzt auch noch meine Nachrichten. Ich will es kurz machen, gebe ein paar kleine Hinweise und dann Wiederschaun, Frohe Weihnachten und 1 Gutes Neues Jahr, Alles Gute etc. u. dergl. (ich komme unten darauf zurück).

Zuvorderst muss ich sagen, dass meine neue CD parlando angekommen ist, und sie ist fertig zum Verschicken, inklusive
– Porto und Verpackung
– einer schönen Geschichte (wahlweise in drei Sprachen: ital/dt/engl)
– sechs Fotos (eines davon von Victoria Coeln extra in Teheran aufgenommen)
– einem Stiftswappen (St. Lambrecht)
– dreier Räume (Peterskirche / Karner / Schlosskapelle)
– fünfundzwanzig Stücken (10 / 8 / 7), aufgenommen, als die Tage, unmerklich erst, gerade begannen, kürzer zu werden, kann ich sie jetzt verschicken, da die Tage bald, unmerklich noch, länger werden, ist sie um wohlfeile € 20,- binnen kürzester Zeit direkt bei mir erhältlich.

Die unentbehrlichen Hintergrundinformationen zu parlando finden Sie hier. (Da kann man auch fünf Stücke ganz anhören!)
Wer lesen will, was geschrieben steht, findet es hier:
– auf Italienisch
– auf Deutsch
– und auf Englisch.

Danke dem Stift St. Lambrecht, dem SKE-Fonds der austro mechana und natürlich meinen wunderbaren Schagerl-Posaunen.

Mehr lässt sich jetzt nicht sagen, Kritiken gibt’s ja noch keine, also machen Sie sich bitte selbst Ihr Bild und – bestellen Sie!

Zur allgemeinen Weltbetrachtung in dieser vorfestlichen Zeit darf ich auf meinen Adventkalender im MütterLog verweisen. Da finden sie täglich um 0.00 Uhr + ein paar Sekunden ein Fensterl in Form von ein paar Zeilen zum Verweilen.

Bleibt mir noch, auf den sicher noch einmal gesondert anzukündigenden Sonntag, 30. Jänner 2005 hinzuweisen, da gibt es um 11.00 Uhr eine Matinà©e im RadioKulturhaus, dem Wohnzimmer von Heinz Conrads, gemeinsam mit Josef Haslinger als Gesprächspartner und Markus Sepperer am englischen Horn; er wird mein neues Stück Pour Elise (oryctà©rope, bleue) pour un seul cor anglais zum ersten Mal spielen. Vorher muss es allerdings noch componirt werden, ebenso wie ein Stück für zwei Bassklarinetten das den Arbeitstitel nushu trägt, und das Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm bei mir bestellt haben und schon Mitte Jänner aufnehmen wollen. (Die beiden haben diese Woche im Konzerthaus übrigens ein fabelhaftes Konzert gespielt, und Beat Furrer hat ihnen ein berückendes Werk dafür geschrieben.)

Das war doch diesmal ganz kurz; obwohl, wenn Sie allen gelegten Schlingen nachgehen, ist es doch ein rechtes Pensum. Ich danke schon jetzt für Ihre Ausdauer, darf zumindest darauf hoffen, will ich hoffen, rede ich mir ein.

So komme ich wie versprochen zum Schluss auf den Anfang zurück, es ist ja alles eine Schleife irgendwie, und nicht umsonst spricht man vom Jahreskreis. Also:

Wiederschaun, Frohe Weihnachten und 1 Gutes Neues Jahr, Alles Gute etc. u. dergl.

Herzlichst,

Bertl Mütter

Wohllebengasse

Vor ein paar Tagen bin ich durch die Wohllebengasse gegangen. Mir ist eingefallen, wie wir, Timbre, im März 1999 bei Ernst Jandl zum Proben waren. Er hat uns danach ins kroatische Restaurant im Haus eingeladen. Ein Grandseigneur, wie er, selbst kaum ohne Schmerzen bewegungsfähig, es sich unter keinen Umständen nehmen ließ, Lauren und Elisabeth in den Mantel zu helfen. So viel Wärme konnte dieser Mensch schenken, eine Wärme, die mich jedesmal durchströmt, wenn ich seine Texte lese oder, besser, Ihn höre.
Seither hat der Gastronom gewechselt, heißt jetzt Wertvoll, und die Homepage ist (was einem Restaurant nicht passieren sollte) geschmacklos (weshalb ich hier auf ein Link verzichte).
Ernst wohnt seit 2000 nicht mehr im Vierten. Aber bei den Klingeln unten steht, in seiner Handschrift, immer noch sein Name.
Ich stelle mir vor, wieder einmal eine Klingelpartie zu machen. Das macht Mut.

Moebius /1

In einem Einrichtungshaus sehe ich ein Plakat, auf dem der blinde Dichter Stephen Kuusisto mit seiner Braille-Schreibmaschine und seinem Golden Retriever abgebildet ist. Aus dunklen Brillen lächelt er verschmitzt in die Kamera. Das Photo ist von Elliott Erwitt, und selbstverständlich ist es schwarzweiß. Das Statement des blinden Finnen katapultiert mich in eine gedankliche Moebius-Schleife: Das Licht stelle ich mir so vor, wie Sie es sich nicht vorstellen können.
Sowas macht wieder Mut (Im Zweifel mehr als fünfzackige elektrische Seesterne).

Lichter

Das Licht in dieser dunklen Zeit.
Gegenüber blinkt täglich ab Einsetzen der Dämmerung (wenn es überhaupt möglich ist, das festzustellen, ist das bei diesem bleiernen Wetter so um zwei, halb drei) ein fünfzackiger Stern. Er spielt wirklich alle Stückln, dreifach in drei Farben konturiert lässt er in verschiedenen Geschwindigkeiten recht zackig all seine Programme ablaufen. Wie ein elektrischer Seestern hängt er im Fenster, sehr schön, wirklich wahr.
Noch nie habe ich so viele technisch aufgemöbelte weihnachtlich dekorierte Privatfassaden gesehen wie heuer. Das dachte ich mir schon die letzten beiden Jahre.
Ich stelle mir vor, dass in wenigen Jahren schon (sicher vor dem endgültigen Abschmelzen der Polkappen) der Lichtplafond erreicht worden sein wird und alles blinkt und leuchtet, immer. Dann wird die Industrie mit der Erzeugung von Dunkelbirnen bzw. – Technologiefortschritt! – Finsterdioden die Haushalte und Geschäftsstraßen für die dann radikal um sich greifende innovative Werbeidee der Verdunkelung ausrüsten.

Erinnern und Verschwinden

Meine erste Erinnnerung ist eine vom Verschwinden, genauer: wie der Vorhang im Kinderzimmer (er war mit allerlei Kinderzeug, Bausteinen, Kasperln… bedruckt) immer finsterer wurde. Ich hatte mir nämlich eben ein Loch im Kopf, das im Krankenhaus mit drei Nähten versorgt wurde, geschlagen und fiel in Ohnmacht.
Die Vorgeschichte hat mir Papa dann bis zur Matura fast täglich erzählt, und noch heute brauche ich nur das Wort kopfimloch zu sagen, schon startet er mit der Wiedergabe meiner kindlichen Darstellung des Dramas: Büd owaghaut – ins Kabinett miassn – gschprunga – kopfimloch.
Der Verlauf der Geschichte in Umschrift: Ich war im Wohnzimmer auf die Couch geklettert und hatte dabei Das Bild (Vase mit Mohnblumen, ein Druck) aus dem Haken gehoben, wodurch es auf den Boden fiel. Zur Strafe musste ich ins Kinderzimmer, das Kabinett. Dort waren unsere Betten (mein Bruder ist dreiunddreißig Monate älter) noch übers Eck aufgestellt. Gerhard sprang von einem Bett zum anderen. Das konnte ich auch, glaubte ich. Ich sprang – zu kurz – kopfimloch.
Mein Der Welt Entschwinden habe ich bis heute nicht vergessen, und es wird mich begleiten bis zum Schluss. Und dass ich es nicht vergesse, dafür habe ich diese kleine Narbe an der Stirn. Bis zum Schluss.

Erinnern und Bewahren

Voriges Jahr (2003) war ich zum Komponistenforum Mittersill eingeladen. Das Thema der wunderbaren Woche war Musik und Kind. Einen Tag waren auch SchülerInnen aus dem Gymnasium bei uns oben am Schachernhof. Ich habe sie gefragt, was ihre ersten Erinnerungen sind. Eine hat mich besonders fasziniert: Ich war wohl im Spital. Ich sollte Suppe essen, aber ich verweigerte, denn vom Boden des Tellers schauten mich Schneewittchen und die sieben Zwerge an, und sie baten mich, sie zu verschonen. Deshalb habe ich auch unter keinen Umständen weitergelöffelt.
So wurde an jenem Tag im Krankenhaus Zell am See das Reich Hinter den sieben Bergen noch einmal vor der Vernichtung bewahrt.
(Diese Geschichte habe ich dann in meine Komposition Einspielen. Ausspielen eingebaut.)

Träume erfüllen

Auf einem Plakat sehe ich einen Fernsehmenschen als Christbaum verkleidet. Er verkündet, bis Weihnachten den Zuschauern ihre geheimsten Wünsche zu erfüllen.
Mir fällt ein: Manche Männer (richtige Männer) in ihren Sportwagerln haben sich mit den (materiellen) Mitteln eines Erwachsenen möglicherweise einen Traum erfüllt, den sie sich als kleiner Bub eingebildet haben. Da denke ich mir dann oft: Burli!
Ich stelle mir vor, erwachsen erfüllte Träume könnten die etwas trotzige (und das Wort protzig klingt nicht zufällig recht ähnlich) Umsetzung der Vorstellung sein von: Wie hätte ich gerne, dass es in der Kindheit war, damit ich mich jetzt gern daran erinnern könnte? Und deshalb werden das teure Auto und die teure Uhr (oft unter beträchtlichen Entbehrungen – der Angehörigen) finanziert. Und der zweijährige Sohn kriegt seinen Elektrobenz. Zum Üben, damit er lernt, wie es später sein soll, wenn er sich (videounterstützt) an diese schöne Zeit gerne zurück erinnern wird, um sich dann endlich sein seit Kindestagen ersehntes Cabrio genehmigen zu können.
Ich habe mir damals gewünscht, ein eigenes Zimmer mit der Kleinbahn zu besiedeln und (außer bei der Rudi Carell-Show) jeden Abend damit zu spielen. Als Einziger am Trafo.
(Vielleicht fahre ich deshalb heute so gerne Bahn.)

Vergrößern

Noch einmal zum Vergrößern.
Einmal wurde einen Herbst lang im Fernsehen ein Zeichenwerkzeug beworben. Es hieß zeitgeistig-schnittig Sketch-A-Graph, und man konnte mit einer merkwürdigen, wie sich später herausstellen sollte sehr wackeligen (und deshalb unbrauchbaren) Gitterkonstruktion endlich alle möglichen Konturen nachfahren, Landkarten etwa, 1:1 oder auch 3:1 und natürlich auch 1:3.

sketch-a-graph
Sketch-A-Graph

Das musste man einfach haben, es war nachgerade unentbehrlich für jeden Haushalt. Nie haben wir es verwendet, es gab keine Landkarten zu vergrößern, und für das Nachzeichnen der bereits von ihm befahrenen Straßen verwendete Papa einen grünen Filzstift auf einer eigens angeschafften österreichkarte, die bis Cà¡orle reichte; das schaute bald so aus, als ob Steyr eine isolierte Nervenzelle sei, von der aus sich die Äste ins Weiß des bisher unerforschten Europa reckten, mit wenigen (und wesentlich kleineren) Knoten bei den sich über die Jahre wenig ändernden Familienurlaubszielen.
Würde ich heute eine Weltkarte nehmen und darin die von mir zurückgelegten Wege quer durch die Kontinente so genau wie möglich einzeichnen, das zufriedene Gefühl meines Vaters nach einem Sonntagsausflug (und mein Stolz auf seinen und unseren erweiterten Aktionsradius) ließe sich doch nicht wieder herstellen.

Distanzen, Proportionen

Das hat alles mit Erinnern zu tun.
Am ersten Adventwochenende bin ich zu Fuß in die Stadt gegangen, den alten Münichholzweg. Ich habe mir den Winkel vor unserer alten Wohnung in der Buchholzerstraße angeschaut, habe den nachts unbeleuchteten Schotterweg auf der Rückseite vom Straßerhof entlang gesehen, wo die Frauen aus den Kellern herauf zum Wäscheaufhängen gegangen sind und wo wir Kinder gespielt haben, oft verscheucht, wegen der Wäsche. Was habe ich mich immer gefürchtet, wenn ich abends von der Musikschule heimgekommen bin. Bei den Kelleraufgängen lauerten dann nämlich die Mörder, und ich nahm jedesmal schon auf der Gablerstraße den Haustorschlüssel in die Hand, um ihn parat zu haben, wenn ich ihn atemlos vom Rennen zitternd ins Schlüsselloch fingerte, denn im Winter war die Haustür schon ab sieben Uhr zugesperrt. Ein paar Mal hat es mich auch geschmissen, mitsamt meiner Tenorhornschachtel, vornüber, dann hörte ich sie schon kommen und nur ein Wunder hat mich jedes Mal gerettet.
Jetzt muss ich erkennen: Es waren nur wenige Meter, dreißig vielleicht. Alles war früher so viel größer! Mitgewachsen sind nur die Weihnachtsdekorationen und die Pfefferkuchenhäuser auf der Promenade und überhaupt alles, was mit der Vorstellung von Wie es früher war zu tun hat. Es ist dies aber ein hoffnungsloser Versuch, die Proportionen lassen sich nämlich nicht beliebig erweitern. Wenn in den weihnachtlich aufbereiteten Einkaufswelten Christbaumkugeln baumeln, groß wie Medizinbälle (© Josef Haslinger), dazu hängt in jeder Stadt der größte Adventkranz der Welt (oder zumindest Mitteleuropas), so beschwört das mit aller Gewalt das verlorene Staunen des Kindes, und das ist ein hoffnungsloser Versuch in dieser Zeit der großen Hoffnung. Das Erzeugen von Staunen ist zur Poesie-Industrie verkommen.
Das Gefühl damals mag groß gewesen sein; es erwuchs aber aus dem Kleinen.

Kaki-Advent

Duino, am 6. Dezember 2004, im Garten der Villa Gruber.
Ein Adventkalender für die Vögel in Gestalt eines Kaki-Baums. In strenger Hierarchie bevölkern ihn Ringeltauben, Elstern mit türkis-schwarzer Zeichnung und drei haselnusseisbraune Eichelhäher, garrulus glandarius, mit ihrem unverkennbaren hellblau-weiß-schwarzem Flügeldesign und mit diesem Schopf, der an Jugendliche mit gelierten Haaren erinnert.
Von oben picken sich die Vögel Schnäbel voll orangem Fruchtfleisch.
Ich stelle mir vor, dass der Vorrat am Baum bis ungefähr gegen Weihnachten reichen wird.

Waggerln

Damals war eine Vorweihnachtszeit ohne Karl-Heinrich Waggerl unvorstellbar. Dieses liebenswürdig-runzelige Männchen, das wie der etwas schwächelnde Cousin des selbst im höchsten Alter der Welt noch einen Haxen ausreißenden Luis Trenker daherkam, strahlte eine großväterlich-weise Heiterkeit aus, und es war klar, dass er bei allen Geschichten, die das Jesuskindlein in Wagrein und Umgebung (vornehmlich auf der Flucht nachÄgypten) erlebt hatte, selbst dabei gewesen sein musste. Er schien immer schon so alt gewesen zu sein, und dass er mit seiner niedlichen, etwas verschmitzten Harmlosigkeit zugleich auf eine seltsame Weise geschichtslos und jedenfalls unpolitisch war (zumindest zwischen 1938 und 1945), wurde mir erst später erzählt.
Ich schlage vor, die Erfindung und das Auftreten einer derart historisch-geschichtslosen Persönlichkeit fortan mit dem schönen Verb waggerln zu bezeichnen.

Verschiedenes

In heiligeren Zeiten gibt sich die Kronenzeitung immer besonders christlich. Man merkt das vor allem daran, dass die Schönen auf Seite 5 oder 7 mit verhüllten Nipperln posieren, die Bilder sind unschuldig poetisch gehalten, keine femme fatale wird in diesen Tagen aus der Muthgasse in die Kolportage oder zu den Abonnentenhaushalten transportiert. Ja, oft sind die Damen sogar regelrecht bekleidet.
Ich erinnere mich an ein Hochfest der Himmelfahrt Mariens (15. August, ungefähr 1979 muss es gewesen sein), als Herr Dichand nach einem zur Vorbereitung des Papstbesuches beim österreichischen Katholikentag stattgefunden habenden Läuterungserlebnisses eine schwer wiegende Mitteilung machte: Ab heute werde die Zeitung moralisch einwandfrei produziert. Deshalb werde man in futuro keine Inserate der Rubrik Verschiedenes mehr veröffentlichen. So war es dann auch, und vorbei war es mit den über Jahre die Phantasie so wunderbar anregenden kurzliterarisch-erotischen Ohrenglühmachern à  la öffne nackt, Traumweite 130 oder Französischstunde bei Hausfrau mit Tagesfreizeit im elterlich abonnierten gesamtösterreichischen Informationsorgan (in dem, wie mir Papa stets versicherte, nur die Wahrheit steht, nicht so wie bei der Propaganda im Ostblock oder früher beim Goebbels) lesen zu können.
Wann die Moral der Krone wieder verfiel und die ausgesperrte Inserentinnengruppe wieder zugelassen wurde, habe ich dann nicht mehr verfolgt, denn schon Jahre vorher hatte ich diskreten Zugang zu den spezialisierteren Medien in Papas Nachtkastl gefunden.

Soviel also zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria.

White Ribbon

In der U-Bahn sehe ich Plakate, auf denen unser aller Fußballteamchef Hans Krankl mit folgendem Spruch abgebildet ist: „Wer seine Frau schlägt, hat bei mir kein Leiberl.“
Solche Aktionen sind zu begrüßen, es geht um das Bewusstmachen eines argen Problems, und Johann K. ist ein integrer und glaubwürdiger Proponent für diese Sache. Umgekehrt kann man einwenden, dass es Einem leicht gemacht wird, gut zu erscheinen: Ribbon (sei er weiß, rot oder rosa) oder sonstwie angesagten Sticker aufs Sakko, und schon bist du fein heraußen. Im Februar 2000 hat man nur mit dem Schlüsselbund zu scheppern brauchen.
Ich stelle mir vor, dass man prominente Männer filmt, von denen man weiß, dass ihnen bei ihrer Frau öfters, wie es so schön heißt, die Hand ausrutscht. Sie erzählen uns, warum sie selbstverständlich mit ihrer vorbildhaften Popularität für die Gute Sache einstehen. Das Video wird dann ihrer (Ex?-)Frau gezeigt und sie dabei gefilmt. Dann projiziere man die beiden Filme gleichzeitig auf gegenüber liegende Wände.

Niko

Am 1. November 1994 habe ich zum ersten Mal einen Zyklon gesehen, es war im Meer draußen, direkt vor der Küste von Cinque Terre. Wir haben am Bahnsteig auf den Zug gewartet, als plötzlich dieses unheimliche Brausen aufkam. Dann sahen wir auch schon den Trichter, wie er sich an der Wasseroberfläche kreiselnd seine Nahrung holte. Die Szene war gespenstisch, machte aber keine Angst. Auf einmal gingen die Menschen wie hypnotisiert vom Bahnsteig zu der Mauer vor, die die Bahntrasse vom Meer trennte; niemanden schien zu interessieren, dass auf dieser Strecke abgesehen vom Regionalzug, der uns nach La Spezia bringen sollte, auch Schnellzüge aus dem Tunnel brausen.
Als drei Tage später meine geliebte Großmutter gestorben war, musste ich sofort an den Himmelstrichter denken; dass ich beim Erleben des Zyklons so sonderbar berührt gewesen war, fand jetzt seine traurige Erklärung, die mir zugleich Trost spendete.
Ich habe bei Omas Begräbnis mit meiner Posaune Abschied genommen. Persönlicheres habe ich nie zuvor und vielleicht seither nicht mehr wieder gespielt. (Vielleicht muss ich deshalb so selten zu ihrem Grab.)
Am 1. April 2004 habe ich wieder auf einem Friedhof musiziert. Niko war gestorben. Ich hatte ihn kaum kennen gelernt. Er war der im Alter von etwa zwölf Jahren gegangene Sohn von Freunden, und er war schwerst behindert, ja, so sagt man. Seine Mutter hat in privater Initiative eine integrative Theatergruppe gegründet, wo die parallelen Welten der Behinderten und der so genannten Normalen zusammengeführt werden. Die feinstoffliche Sensibilität jener Menschen, von denen man meinen würde, dass sie kaum etwas mitbekommen, oder uns gar etwas von ihnen mitgeteilt werden könnte, berührt jenseits der Bereiche, um die es in unserem so reellen Leben tagtäglich geht.
Nikos Tod hat an seiner Erreichbarkeit wenig verändert, das war bei seinem Begräbnis und darüber hinaus den vielen Freunden, die er hatte, spürbar. Das spendet Trost für unser aller Leben.
Ein bestärkendes Erlebnis war auch, dass ich am späteren Nachmittag des 1. April auf der Straße Max getroffen habe. Er war freudig aufgewühlt: ein paar Stunden zuvor hatte seine Freundin Lisi Josefine zur Welt gebracht. Lisi hatte ich im Zug nach Oberösterreich zu ersten Mal getroffen. Das war an einem 24. Dezember.

Wer sich für die Theatergruppe interessiert: Den Verein Delphin finden Sie hier. Auf der Begrüßungsseite sieht man übrigens Niko. Mit Dominik, seinem Bruder. Und Delphine gibt es auch im Meer vor Cinque Terre.

Krampus

Passend zum Datum.
Zur Bibliothek des jungen Christen gehörte damals unbedingt die Fotobibel, ein Neues Testament in heutigem Deutsch (erschienen 1977; ich hab’s gerade gegoogelt – es gibt übrigens keine Bilder davon im weltumspannenden Netz), mit ganz beeindruckenden, einen im Glauben bestärken sollenden Bildern. Am Einband startete (in orange) ein Verkehrsflugzeug, weiters erinnere ich mich an einen Artisten im weißen Turnerdress samt Balancestange, der hoch über einer Schlucht mitten in den Wolken übers Seil spazierte, und dann noch an eine Photographie, die mir zum Tag zu passen scheint: Da sah man eine Herde von lauter weißen Männern, Bischöfe waren das, wie sie zwecks Konzilseröffnung die Stufen von St.Peter in Rom erklommen.
Ich stelle mir vor, dass zwischen all diesen Nikoläusen ein buckeliger, kettenrasselnder Krampus, mit so einem Schwanzerl und Bockshörndln herumwuselt. Weil ohne Krampus auch kein Nikolo.

Punschzone, die zweite

Ich stelle mir vor, dass bei den Modehäusern für die Frau ab (Größe) 42 – in Wien z.B. Kloucek, Pia Antonia, Ulla Popken (so ein schöner Name; Barbara, was heute besser passen würde, heißt kein solches Geschäft, und rund wären ja eher Barbapapa bzw. -mama) – anstatt des üblichen karitativen Heißalkoholgetränks ein speziell für die so schön üppige Klientel kreierter Orangenhautpunsch ausgeschenkt wird.
(Was für ein Safterl für den starken Herrn in seinen XXXL-Geschäften ausgeschenkt wird, darüber denke ich noch nach.)

Punschzone

Im innerstädtischen Bereich wird die Vorweihnachtszeit zur geschlossenen Punschzone. Für alle möglichen Guten Zwecke flößt man sich das Warmalkoholgetränk hektoliterweise ein.
Ein von mir in der damals noch nicht so sich nennenden Christkindlstadt Steyr beobachteter Umstand war, dass der Gute Zweck letztlich darin zu bestehen schien, dass die sich in Löwenklubs oder ähnlichen philanthropischen Bünden organisierenden Ortsprominenten diese Gelegenheit nutzten, um ihre Mildtätigkeit hemmungslos zur Schau zu stellen, wochenlang, oder, im Sommer, ein besoffenes Stadtfest lang. Zusätzlich nützlich war natürlich auch das große Photo, das dann in der Steyrerzeitung und natürlich auch im Amtsblatt veröffentlicht wurde, mit einem fast nicht mehr ins Bild passenden Scheck über sagen wir 18.753,- Schilling (� 1.362,83), wie er der der jeweiligen Partei nahe stehenden karitativen Organisation (deren Obmann zufällig auch der Oberlöwe oder so war) übergeben wurde. Hätte jeder, der sich viel gesehen als Wohltäter zum Punsch oder zu den Bratwürschteln gestellt hatte, selbst einen Betrag, der seinem Geldbörsel kein Loch gerissen hätte, hergegeben, es hätte mit Sicherheit mehr herausgeschaut (abgesehen von den Kosten für den Symbolscheck, den man so sicher nicht einlösen wird haben können).
Da sich die Welt seit 1980 immer schneller dreht, sehe ich heute die Punschzone Stadt nur mehr von feschen karitativen Damen und Herrn und Töchterln und Söhndln bevölkert, vor und hinter den Punschbudln.

PS: Weniger veröffentlichend spenden können Sie hier (inkl. Spendengütesiegel): Friedensdorf International

Sängerknaben

Die Sängerknaben machen zu wenig Lärm, als dass die genehmigte Obergrenze erreicht werden könnte, heißt es.
Diese Information habe ich in ORFON bereits am 17.8.2004 aufgeschnappt, erachte es aber gerade jetzt für besonders wichtig, davon zu berichten.

Weihnachtskartell

Es muss in der dritten oder vierten Klasse Volksschule Am Plenklberg gewesen sein (sicher bei Frau Kautz), da haben wir ein sehr eindrucksvoll gemaltes Bild der Türken vor Wien 1683 zu sehen bekommen. Abenteuerliche Schnurrbärte hatten die und dunkelrote Kegelstümpfe als Kopfbedeckung. Dazu die hohen Feldherrnzelte und Kanonen allüberall, sehr beeindruckend.
Natürlich war mir klar, dass das nach einem Durchschuss mit hellerem Ziegel wieder geschlossene Loch im östlichen Schlot der Steyr-Werke nur von diesen Kämpfen stammen konnte.
Wie ich später erfahren sollte, war das auch das Gründungsjahr der Stadtkapelle Steyr gewesen. Beim Festkonzert zum 300. Jubiläum war ich im Stadttheater mit dem Tenorhorn dabei. Da bin ich knapp vor der Matura gestanden und war bereits einmal in Amerika gewesen, natürlich mit der Musik, in Kettering, unserer so aufregenden Sister City im so bedeutenden battleground state Ohio, nie wieder habe ich so dünnes Bier getrunken, keinen Effekt außer Luluverdünnung hatte das bei uns Jungstarken, während die beiden Söhne (17 bzw. 23) unserer viel zu netten Gastgeber schon nach einer Dose glasige Augen bekamen, was uns in unserer europäischen Überlegenheit bestätigte.
Mittlerweile hat ja Steyr ein beinahe den gesamten Weltball umarmendes Netz von Partnerstädten. Die tiefe Freundschaft zu Plauen, DDR (Neutralität im Kalten Krieg) gab es parallel zu den amerikanischen Freunden. Später kamen nur mehr wirklich logische Städte dazu, zuerst Eisenerz, das liegt wirklich nahe.
Dann aber besann sich Steyr endlich seiner wahren Wurzeln als Christkindlstadt. Was lag also näher, als Bethlehem einzugemeinden? Und – hohoo – schon wird zum nächsten Schlag ausgeholt. Das Amtsblatt der Stadt Steyr berichtet, dass endlich auch Rovaniemi im schönen Finnland, Heimatort des Herrn Santa Claus, Steyr zugeschlagen werden soll.
Damit werden wir in Sachen Weihnachtkompetenz endgültig unschlagbar. Es kommt mir so vor, wie wenn ein Konzern den anderen aufkauft, und dieser neue Konzern kauft dann noch einen anderen dazu, bis schließlich ein Großkartell den Weltmarkt umfassend beherrscht. In Weihnachtssachen ist das jetzt meine wirklich sehr hübsche Heimatstadt. Voll Stolz bin ich gespannt, wie es weiter geht. Kommt das hochsommerliche Weihnachtsmanntreffen in Australien als nächstes dran?
(Aber Fosters – fuckin‘ close to water – werde ich freiwillig keines trinken.)

spockolumbo

Heute nacht wieder der mit Leonard Nimoy (1973). Als böser Kardiologe hat er zwar nicht die gleiche Synchronstimme wie bei Raumschiff Enterprise (StarTrek hat das bei mir nie geheißen), aber die Art, wie er seine Augenbrauen hebt und auch seine Großflächenohren (wenn auch ohne die typische Zuspitzung), all das ist sehr vertraut.
Auf der Party, die Columbo mit seinem Auto besuchen muss, hat Spock (Dr. Spock) einen Pulli an, dem nur noch das Emblem der Sternenflotte zu fehlen scheint.
Wie Columbo (natürlich frühmorgens) zum Tatort kommt, kommt es zu folgendem Dialog: (ein älterer Mitarbeiter, sehr engagiert:) „Inspektor, hier ist Ihr Orangensaft“ – „Kaffee habt ihr noch keinen?“ – „Sssir, wir arbeiten dran!“
Aah!
Ergänzt wird diese zauberhafte Variation des obligaten Leichenbegutachtungskaffees direkt von folgender Szene: Ein anderer Mitarbeiter bringt die wahrscheinliche Tatwaffe (Schraubenschlüssel zum Reifenwechsel). Nachdem er sich vergewissert hat, dass sich keinerlei Spuren auf dem Werkzeug befinden, klopft er sein (immer von Mrs. Columbo fürsorglich im Trench verstautes) Frühstücksei daran auf. Und das Salz hat er in der anderen Manteltasche.
Mahlzeit.

oryctérope

Die Hoboë, haut bois, scheint einem Ameisenbäreninstrumentarium zu entstammen, während das Englischhorn, cor anglais, eher zum Erdferkel (französisch: oryctérope) tendiert. Beide sind Doppelrohrblättler, haben also eine klebrige, wurmförmige Zunge, und ihre Farbe in der freien Wildbahn ist definitv nicht blau.

Das Erdferkel, das sich in erster Linie von Ameisen und Termiten ernährt, ist eine genetische Besonderheit. »Es sieht zwar nicht aus wie ein Elefant, ist genetisch aber nahe verwandt mit Jumbo und Co«, so Terence Robinson von der Uni in Stellenbosch/Matieland, Südafrika. Viele Forscher gehen davon aus, dass das Erdferkel, der Elefant, die Seekuh, die afrikanische Spitzmaus, der Kurzohr-Rüsselspringer und die Goldmulle, die alle zur Gruppe der Afrotheriana gehören, sozusagen die Urväter der Säugetiere sind. Diese Tiere entstanden damals, als Afrika sich vom Rest des Urkontinents trennte. Nach ersten Untersuchungen der genetischen Struktur und der Chromosomen sind diese Tiere näher mit dem Menschen verwandt als bisher angenommen.
(Quelle: PNAS, 21.1.2003)

Ich stelle ein für alle Mal klar: Entgegen kollektiver Erinnerungen ist Elise keine Ameisenbärin, sondern ein – Erdferkel. Tut mir wirklich leid, es wäre so schön gewesen. Oder, um es mit Elise zu sagen: Sähr wötzig, sähr wötzig. Ein – ich gebe zu: schwacher – Trost ist, dass (abgesehen von der Farbe) Elise dem echten Orycteropus afer wesentlich ähnlicher schaut, als jedem noch so plüschigen Ameisenbär, Myrmecophaga tridactyla (frz.: Tamanoir).

Erdferkel sind plumpe Tiere mit einem dickem Leib, mit krummen Rücken, einen an ein Känguruh erinnernden Schwanz, ziemlich dickem Hals, langem, schmächtigem Kopf mit langen, rohrförmigen, sehr beweglichen Ohren und einem langen, schweineartigen Rüssel. (…) Das Erdferkel wird auch als der »Wolpertinger Afrikas« bezeichnet. Und wirklich: Wer dieses Tier genauer betrachtet, erkennt Hasenohren, einen Schweinerüssel, einen Kamelbuckel und einen Rattenschwanz. Dazu das Schönste an diesem Tier: Die Rehaugen. Als Entschädigung für seine schwachen Augen ist er mit einem guten Geruchssinn und Gehör ausgestattet.
Wikipedia

Außer in der oben beschriebenen, sehr leidlichen Verwechslungsgeschichte kommen sich A-Bär und E-Ferkel aber eh nicht wirklich in die Quere, von Afrika nach Südamerika ist es ein schönes Stück. Bleiben wir also in Afrika, der Plot ist ohnedies von umfassender Gültigkeit: Groß, stark, aber dumm jagt klein, schwach, aber schlau.

An sich wäre es ja so vorgesehen: Um an die Termiten heranzukommen, öffnet das Erdferkel die Baue mit seinen scharfen Klauen und leckt die Termiten dann mit seiner langen, wurmförmigen Zunge auf, sie bleiben picken und werden gleich massenhaft ins Maul transportiert. Soweit die Zoologie. Elise aber hat es seit mehr als 35 Jahren (Debut: 5. März 1969) mit Charlie zu tun, und der ist gewitzt. Der Rest ist Trickfilmgeschichte. Und für Elise die Geschichte einer unglaublichen Diät.

Es ist ein Vergnügen, für Markus Sepperer (*1977) Pour Elise (oryctérope, bleue), pour un seul cor anglais zu schreiben. Er wird es am 30. Jänner 2005 im Großen Sendesaal vom RadioKulturHaus zum ersten Mal einem interessierten (und hoffentlich amüsierten) Publikum präsentieren. Ob er die Rolle des Charlie übernehmen wird, ist bis anietzo nicht klar. Es wäre aber eine Möglichkeit wäre es aber, oder?

paparazzi

Passau
Die Umstände des Todes von Prinzessin Diana im August 1997 (wir sind damals gerade aus Mexico zurückgekommen) haben in der österreichischen und deutschen Szenegastronomie nachhaltige Spuren hinterlassen: Kein Ort über sagen wir 20.000 Einwohnern kann es sich leisten, seinem ausgehwilligen Szenepublikum nicht ein Cafà© oder Pub oder Spaghettilokal namens paparazzi anbieten zu können. Als besonders originell zu gelten hat dabei eine Auslage mit Fotos von Massen von Fotografen mit diesen großen Blitzlichtern, wie sie bei Rear Window (bei uns bekannt als Das Fenster zum Hof) dem ans Heim gefesselten James Stewart vermittelst Grace Kelly (auch so eine Prinzessin) letztlich das Leben retteten.

Sankt Valentin umsteigen

Im Zug von Steyr nach Linz. Sankt Valentin umsteigen, so der automatisierte Hinweis des Zugbegleiters, der auf dieser Strecke noch Schaffner heißen dürfte und heute das Leben nicht in vollen Zügen genießen kann, von Kleinreifling heraus auf dieser Nebenbahn.
Umsteigen. Ohne Worte liegt der Bahnhof da, die wenigen Wartenden stieren halbverschlafen ins Leere. Nicht einmal ein Handy rettet aus dieser Weltallsstille, und selbst Chris Lohner scheint bei meiner Ankunft noch außer Dienst zu sein. Exakt um 8 Uhr 45 meldet sie sich zurück: Vorsicht Bahnsteig Eins! Eilzug nach Linz fährt ein. Hat sie sich kurz geräuspert? Ich bin mir sicher, und das geht auch in Ordnung an einem Sonntagmorgen im September, in einer Stadt, die aus dem Umsteigen ihre alleinige Daseinskraft bezogen zu haben scheint.

Nebelmütter

Liebe MBA,

der Herbst ist ins Land gezogen, die Blätter sind zu Laub geworden (zauberhaft die gelben Ginkgos im Türkenschanzpark), Hochnebel sorgt für dumpfe Stimmung und in Amerika haben sie gewählt. Es kann wieder zum Tagesgeschäft übergegangen werden.

Der November ist eine Gans, die will gefüllt werden (ohne Mehl, die Fü wird ja vom Entenkörper gehalten). Können Sie sich eine bessere Zeit für den neuen Mütterbrief vorstellen? Statt Rotkraut mit Maroni empfehle ich einen feinen und meinetwegen schweren Roten dazu (vomiraus mit Maroni, auch).

In medias res, weil wenn ich’s jetzt nicht sage, ist es zu spät:
Mütter, hörend in St. Lambrecht
Am Tage der Auslieferung dieses Unperiodikums, Freitag, 5. November gibt’s gleich zweimal Mütter: Um 19.30 mit Dichterinnen und Dichtern der Provinz im Stifterhaus, Linz. Und mit meiner schönen Schagerlblechposaune (bei welchem Wunderinstrument mir Robert bald noch diese Verbindungsmutter hornhautfeindlich zurechtmachen wird).

Wer nicht nach Linz kommt, soll aber bitte um 23.05 den Apparat (=das Radio) einschalten, Radio österreich 1. Unter dem vom ORF etwas sonderbar gewählten Titel Klangraum St. Lambrecht wird meine unmittelbar vor der endgültigen Produktion stehende neue Solo-CD parlando vorgestellt. Giselher Smekal und ich plaudern über meine Aufnahmen, die ich Ende Juni in St. Lambrecht eingespielt habe.

Sobald ich die CD in Händen habe (das dürfte noch im November sein), werde ich mir erlauben, in einem Extrabrief gehörig dafür Werbung zu machen.

Die einschlägigen Texte zu parlando gibt’s bereits auf meiner Homepage, und zwar
(1) italienisch (wunderbar übersetzt von Ombretta Sechi)
(2) deutsch und
(3) englisch (faszinierend übertragen vom großen David Koblick).

Vielleicht mag jemand am Sonntag, 7. November 2004, 11.00 zur Matinee ins Oö Landesmuseum nach Linz kommen.
Ich werde auf jeden Fall da sein und werde auf Wunsch von Judith Lehner und Thomas Frey eine kleine Einleitung zu verborte. geographisch-erotische Sonate für Sopran und Bassflöte extemporieren. (Ext. ist deshalb ein gut gewählter Begriff, weil das Stück selbst der noch nicht olympischen Disziplin des brainjumping verpflichtet ist; ich soll also gewissermaßen auf die Sprünge helfen, und das mache ich mit Vergnügen.)
In der Folge bitte ich, diese und die weiteren Termine der Vorschau meiner Homepage zu entnehmen:
(Deutschland, vor allem liebe Wildthurner, Achtung: Franzobel & Mütter kommen nach Passau – Mannheim – Ulm!)
(Schweizer, auch zu euch kommen wir, nach Stans bei Luzern und nach St. Gallen!)

Die Rückschau bietet auch allerhand Curioses und Erzählenswertes, hoffe ich, denke ich.
In den Rückblick passen zwei neue Gelegenheitstexte zu Erlebnissen in Essen und Gedanken beim Heimfahren (sie stehen auch weiter unten in diesem Logbuch).

Immer wieder kurzfristig recht aktuell ist das MütterLog, aber das wissen Sie, Sie lesen ja hier.

Eine kleine Glosse zum Literaturnobelpreis 2004, mit dem sich das im Selbstfeiern so begnadeteÖsterreich doch irgendwie ich weiß nicht wie ich das sagen soll schwer tut. (Simmel wäre ja noch gegangen, zur Not.)

Zu guter Letzt möchte ich bereits heute auf eine besondere Veranstaltung im RadioKulturhaus Wien hinweisen: Am 30. Jänner 2005, 11.00, findet im Großen Sendesaal (ja, der vom Heinz Conrads) eine Matinee in der Reihe Frühstück mit Neutönern statt (in Google schlagen sie einem vor: „Meinten Sie: Frühstück mit Neutronen?“). – Bei Kaffee und Kipferl wird Josef Haslinger mit mir über meine Musik und was es sonst noch gibt (und uns einfällt) plaudern. Das ist eine große Ehre und Freude für mich, und ich würde mich sehr freuen, diese Freude mit möglichste vielen freundlichen Menschen zu teilen. Also bitte die Urlaubsplanung ein bissl darauf abstimmen. Der Untertitel der Veranstaltung lautet parlando. posaunenplaudereien. Auch dazu gibt’s einen kleinen Text auf der Homepage.

Am 30. Jänner sollte dann aber auch die Nebelzeit langsam zu Ende gehen, drei Tage darauf wird von Maria das Licht gemessen, und wer weiß, auch das Wiener Konzerthaus z. B. könnte dann in einem anderen Licht erstrahlen.

In der Zwischenzeit sehen oder hören wir uns aber noch, ja? (Und wenn Sie den Nebel nicht mehr aushalten, lesen Sie ihn doch einfach von hinten.)

Herzlich,

Bertl Mütter

Keine Sorgen

Ihre Sorgen möchten wir haben ermuntert uns eine Versicherung. Man weiß nicht so recht, ob dieses Ihre als Höflichkeitsform 3. Person Plural oder aber 3. Person Femininum Singular gemeint ist.
Das Bild zum Text (Unsere Sorgen hat die Wiener Städtische) zeigt eine fast lasziv lachende Hochschwangere im Schneidersitz, wie sie ihren Busen mit der Hand abdeckt und den runden Bauch so richtig rausstreckt, auf ihm aufgemalt ein Punktipunktistrichistrichi-Lachgesichti mit dem Nabel als Nase.
Ihre Sorgen wären in der Tat beträchtlich. Das Sujet wurde nämlich bereits vor gut einem halben Jahr schon einmal affichiert. Wir wollen doch der guten Hoffnung sein, dass die attraktive junge Mutter mit ihrer so übermütig lachenden Leibesfrucht mittlerweile niedergekommen ist.
Ansonsten: Macht nichts. Die Sorgen hat ja die Versicherung.

keine Sorgen
Abb.: keine Sorgen

Allerheiligen im Radio

Vor vierundvierzig Jahren haben Konrad Bayer und Gerhard Rühm die Operette „Der Schweißfuß“ verfasst. Jetzt wird sie im Volkstheater uraufgeführt. In der die Feiertagsmatinee teilenden Sendung leitet Maria Rennhofer ihr Gespräch ein mit: „Ich begrüße heute einen der Autoren bei mir…“
Sie begrüßte Gerhard Rühm. (Die Sendung kam ja aus dem Künstlerzimmer, nicht vom Friedhof, wie das Datum der Ausstrahlung nahelegen würde.)

Essen ist eine Kantine

Mehr dazu folgt im Text, auf den unten verwiesen wird. Vorweg: Ich empfehle den 360� Rundblick im Kategorie-A Zimmer; passen Sie aber auf, dass Ihnen nicht schwindlich wird. Zimmer und Bett waren echt ok, um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen. Aber lesen Sie hier weiter.

Flughafenträume

Ich sitze im ICE von Essen nach Wien und blicke in Fahrtrichtung rechts aus dem Fenster. Über Offenbach am Main, aufgefädelt auf einer unsichtbaren Schnur, schweben den Flughafen Frankfurt anfliegende Flugzeuge. Es wirkt, als stünden sie da oben.
Unsere Besuche bei Onkel Hansi und Tante Greti in Rüsselsheim habe ich als besonders attraktiv in Erinnerung. Mamas jüngerer Bruder konstruierte dort die Hinterlichter z.B. für den neuen Opel Ascona, Papas viertes Auto nach der dreistufig aufsteigenden Fiat-Reihe, 850 – 128 – 131. Die aufsteigende und somit den gesellschaftlichen Aufstieg belegende Tendenz wird Außenstehenden erst klar, wenn man die Typennamen ausschreibt, also: Ochtfuchzga (Acht Komma Fünfzig), dann der Hundatochtazwanzga (beginnt bereits mit Hundert, um Häuser besser) und schließlich, familiäre Fiatkrönung, der schweinfurtgrüne Hundatanadreißga. Diese Farbe allerdings (bzw. ihr Name) sollte bereits auf die Herkunftsregion von Auto Nummero Vier verweisen. Schließlich hatte Onkel Hansi ja in Rüsselsheim für Papa das Rücklicht konstruiert.
Deutschland, das hat modern geklungen, und auch Tante Greti (sie war mit Onkel Hansi aus Steyr aussi nach Rüsselsheim) war tatsächlich so modern wie die Frisuren der schlanken Damen, die samstags im Hauptabendprogramm Peter Frankenfeld, Rudi Carrell (seine Show, ein neues Wort für uns, und sein Akzent waren besonders lustig) oder Hans-Joachim Kulenkampff die Getränke oder Kuverts bringen durften. (Im Sachunterricht, der damals Heimatkunde hieß, hatte jedes oberösterreichische Kind gelernt, dass das ganze Land unter dem besonderen Schutz der Frauensteiner Schutzmantelmadonna steht. So hat sich das Kuli also gerichtet: Er wurde 1998 in Frauenstein begraben.)
Wenn wir bei Onkel Hansi und Tante Greti zu Besuch waren, freuten wir uns auf die Aussicht, wenn wir brav waren auf die Aussichtsterrasse des nahen Frankfurter Flughafens zu dürfen. Wenn ich genau schaute, konnte ich die Passagiere aus den Bullaugen der startenden Flieger herüberwinken sehen. Natürlich winkte ich zurück. Ob auch ich einmal fliegen würde?
Beim Heimfahren nach österreich und lange Zeit später, wenn wir durch weites, flaches Land gekommen sind, stellte ich mir vor, wie gut ein Großflughafen in diese Landschaft passen würde. Ich konnte nicht verstehen, wie es gegen so etwas prächtiges wie einen Flugplatz Einwände oder gar Widerstände geben konnte.
Geflogen bin ich das erste Mal schon mit Siebzehn, natürlich von Deutschland nach Amerika (wohin sonst sollte man auch fliegen?). Mit der Stadtkapelle Steyr besuchten wir die Kettering Civic Band in unserer Schwesternstadt im faden Ohio. Leider starteten wir nicht in Frankfurt. Schade, denn in München wusste ich nicht, wo die Besucherterrasse war.

Jahre später stieg ich das erste Mal in FFM um. Ich vergaß aufs Winken.

Entenschwimmkindergarten

Ich sitze im ICE auf der Heimreise von Essen nach Wien.
Am Rhein. Enten schwimmen im betonierten ovalen Abwasserbecken einer Kläranlage. Nahe beim großen Strom wirken sie wie übende Kinder im Verkehrskindergarten neben der richtigen Straße.

steirisch-vegetatives

2000
Sauvignon blanc
Dieser Wein erfüllt Ihre Erwartungen mit seiner reifen Nase nach Paprika und grünen Bohnen. Sein steirisch-vegetatives Auftreten wird von der überragenden Reife des Jahrgangs 2000 ergänzt.
Qualitätswein LS 2057/01
Südsteiermark
österreich
alc. 12,0 % vol trocken 0,75l
Abfüller
Weingut Scheucher
A-8423 Labuttendorf 20
Tel. +43/3184/4080

Tja. So steht es auf dem Etikett.
Das Epitheton steirisch-vegetativ ließe sich problemlos exportieren, z.B. nach Kalifornien. Und steirisch-vegetativ ist möglicherweise eine ähnlich überflüssige Tautologie wie der Namen unseres größten Außersteirischen aller Zeiten, dort, im fernen Westen, am Ende aller tracks, Sapperment.

PS: Der Wein war gelb wie das legendäre Gold von Sacramento. Und er hat vorzüglich geschmeckt. (Speiseempfehlung: Hummer?)

Franzobel & Mütter in Lambach

Am 22. Oktober haben Franzobel & Mütter in Lambach im Rossstall als Gast des Vereins o2 (sprich: ozwei) gespielt.
o2 beschreibt auf seiner Homepage den Weg zum Rossstall: Am westlichen Ende des Marktplatzes zweigt zwischen Gemeindeamt und Bipa die Hafferlgasse ab. Dort findest du linkerhand den Rossstall. Zum Eingang unseres Veranstaltungslokals gehe die Hafferlgasse weiter, durch die hölzerne Tür links und die Stiege rauf.
Also, wer da nicht hinfindet, habe ich mir gedacht, und ich habe sogar selbst und ganz von allein hingefunden in den Rossstall. Das kam so: Um 19.03 wurde nämlich auch Franzobel vom Zug abgeholt, er allerdings in Attnang-Puchheim; ich kam aber um 19.03 in Lambach Markt an; tja, da hat es geheißen: 20 Minuten Fußmarsch, selber schuld, wenn ich kein Handy habe, denke ich mir, aber es soll schon schlimmeres passiert sein, auch wenn es im Augenblick mühsam ist, eineinhalb Kilometer mit Posaune und sonstiger Ausrüstung auf der B1 zu spazieren.
Unser Auftritt fand dann vor einem wunderbaren Publikum statt. Da ich mich entschieden hatte, in der Nacht noch nach Wien zu fahren, bekam ich auch noch sechs perfekte Hascheeknöderl samt warmem Sauerkraut mit auf die Reise, Mahlzeit und danke vielmals, liebe Andrea und weiter dem ganzen o2-Team.
Und zum Schluss auch noch schriftlich: Ich verspreche, dass ich das nächste Mal nach dem Auftritt über Nacht bleiben werde! HUGH.

in memoriam Klaus Johns (1950 – 2004)

Gestern haben mir ognat das erste Mal meinen tetigi tactum. ognatango vorgespielt, und ich war voller Freude unterwegs zu meinem Auftritt in Krems. Wie ich beim Umsteigen in Heiligenstadt Beat Furrer getroffen habe, hat er mir die traurige Mitteilung gemacht, dass der große Tangoaficionado Klaus Johns im 55. Lebensjahr verstorben ist. In seiner Tangavan Latin Band hatte auch ich Ende der 80er Jahre das Vergnügen, mit zu musizieren. Der Tango und die Musikwelt verlieren in diesem in Graz gestrandeten Hamburger einen großartigen, umfassend gebildeten Musiker und Menschen.

Ihm sei meine verdichtete Tangostudie zur Erinnnerung gewidmet.

Schneeregen

In Innsbruck hat es am 20. Oktober 2004 bei einer Razzia aus einem Haus am Südtirolerplatz Schnee geregnet, ist in der Zeitung gestanden. Es habe keine Gefährdung für die Passanten unten gegeben, der Schnee hat sich auf eine Dichte zerteilt, die unter jedem Grenzwert liegt.

nobelpreisen / 2

Sowas, jetzt ist doch der Hl. Stuhl in Rom mit der Entscheidung vom p.t. Nobelpreiskomittee in Stockholm nicht wirklich zufrieden, mag Elfrieden nicht so gern wie alleÖsterreicherinnen undÖsterreicher.
Dürfen wir sich das gefallen lassen? Nein, was genug ist, ist genug, halt, es reicht, bis hierher und dann aber stop für eine choc-o-top.
Da haben österreichs Adel und eine ganze Gebetsliga dazu im voraus und in jahrzehntelanger Aufopferung als Gegengeschäft für Elfis Nobelpreis der Hl. Mutter Kirche und dem Hl. Vater Papst unseren letzten Kaiserselig überschrieben. Und dann dieser Bericht im osservatore. Das war nicht fair, wirklich wahr!
österreich, steh auf, erwehre dich und schütz deine poeta laureatissima!
Tätärätäää! Ich höre Hörnerschall! Es knallt in den Wäldern! Wackere Waidmänner, sie wanken nicht und trotzen manniglich dem Vatikanischen Bannspruche: Wildschweine wühlen in Osttirols Wäldern und Feldern, sie wandern aus ihren vatikanischen Weiden herüber zu uns. Was zuviel ist, ist zuviel, jetzt gibt es keinen Pardon mehr (hat der stellvertretende niederösterreichische Landesjägermeister in Osttirol angekündigt). Es wird zurückgeschossen! Wir können sich nicht alles gefallen lassen!
Was wird immer gejammert darüber, dass Rückgrat und erst recht Ziwilkurasch ein Frembdwort inÖsterreich sei.
Jäger, ich bin stolz auf euch: Wissend um die Naturverbundenheit unserer Heimatdichterin setzt ihr Taten, wo unsereiner nur redet.

Ich kann mir kein ergreifenderes Bild der einträchtigen Nation vorstellen.

immer wieder nobelpreisen

Das ist ja eine wirklich schöne Überraschung, Elfriede Jelinek hat den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekommen, da ist uneingeschränkt zu gratulieren, und unverzüglich wurde im Kaffeehaus (beim Weingartner wie auch im Westend, einem ihrer bevorzugten) in den Tageszeitungen das Wesentliche unterstrichen, mit BIC-Kugelschreiber zittrig hingekraxelt: dass ihr Vater aus einer jüdischen Familie (Kommentar: no, na!) stammt und dass sich Jelinek ganz passabel auf Dreck reimt und dass sie mit Genuss immer wiederÖsterreich in diesen Jelinekdreck zieht und man sich also trotz immawiedaöstaeich nicht uneingeschränkt freuen darf und wer hat den Nobelpreis denn aller nicht bekommen und wer hat ihn bekommen, das muss man sich auch einmal anschauen, man denke nur an Karl Schranz 1972 in Sapporo…
Erinnern wir uns: entweder man liebt Kunst und Kultur oder E. J. & Co… Österreich ist in seinem Freudentaumel aufgerufen, sich einmal mehr in seiner Kunst des Entwederundoder zu beweisen, und es gelingt selbst der Kronenzeitung, Gratulationen also, von allen Seiten, ein jeder halt auf seine Faà§on.
Die Nachricht an sich aber ist unglaublich, und ich habe sie, seit ich es erfahren habe (es war Donnerstag, zehn nach Eins), immer wieder via Internet, Radio etc. verifizieren und in der Folge in allen erreichbaren Zeitungen die gleichen Zitate nachlesen müssen, immer wieder, immer wieder, zwickts mi, i man i tram. (Ich kann mich an wenige Situationen eines derartigen Nichtwahrhabenkönnens erinnern; diesmal ist der Anlass zum Glück ein sehr erfreulicher.)
Amüsant ist, dass der zeitgleich und seit Wochen als Spitzenmeldung des Tages angekündigte Wechsel in St. Pölten (K.K. folgt auf K.K., alles bleibt besser) komplett hinweggespült wurde, da kann nicht einmal unser Kaiserselig helfend eingreifen (und schon vorher wollte er aufs Nobelpreiskomitee auch keinen rechten Einfluss ausüben).
Also noch einmal, liebe E. J., herzlichen Glückwunsch; ich verspreche, dass kein Knopfloch auf meinem Sakko für Deinen Großen Preis reserviert ist. Hermann Maier – wenn schon nicht Karl Schranz – eignet sich dafür ohnehin besser. (Der aber auch nicht so recht. Wie wäre es mit Andi Goldberger?)

parlandoreport/4: radiohören

Beim Radio, wenn man an der Skala von links nach rechts und wieder zurück gedreht hat, war da dieses warme Rauschen, und manchmal waren kurz irgend ein Musikstück oder Sprachfetzen zu hören (kaum etwas auf Deutsch), und nie hat nur der Funken einer Chance bestanden, zu erfahren, was man da eben im Hörfunk gesendet wurde (und wenn, dann war die zufällig getroffene Ansage in einer ganz und gar unverständlichen Sprache). Es ist dies lange Zeit mein einziger direkter Eindruck vom Ostblock gewesen, sieht man vom Moldaublick oder vom Dreisesselberg ab.
Das ungeheure Potenzial, stellt man sich die Gleichzeitigkeit aller möglichen Sendungen vor und das absichtslose Durchrauschen (das nicht zu vergleichen ist mit dem angeödeten Durchzappen auf der Fernseherfernbedienung) übte eine magische Anziehung auf mich aus. Magisch war auch dieses grüne Licht im Schlitz an der Vorderseite der Stofffront des Apparats, das von links und rechts außen zueinander wollte und sich je nach Empfangsstärke recht träge mit sich vereinte und gleich wieder trennen musste, denn ich habe weiter gedreht, nur am Sonntag um 10 nach 8, wenn die Landesnachrichten mit den Flugwetterwerten der Wetterwarte Hörsching, achtelattostratokumuluss, langsam Richtung Großer Sendesaal des Funkhauses Wien wiesen, war es Zeit zu verweilen, um gemeinsam mit Oma beim Frühstück bis gegen 9 mit allen anderen österreicherinnen und österreichern und allen Marodnmadlnundbuam zu erfahren Was gibt es Neues.
Dann aber schnell hinüber in die Kirche zum Ministrieren.

Auch darum geht es bei parlando.
Ich bin schon gespannt, wie es weiter geht.

Jubeltag

Profimusiker Bertl Mütter
Der 1.10.2004 markiert mein 20-jähriges Jubiläum als Berufsmusiker: Am 1. Oktober 1984 bin ich in Linz-Ebelsberg zur Militärmusik eingerückt.
Ein Jubeltag!
Anders betrachet bedeutet dieses Datum das Ende eines schönen Hobbys: Seither werde ich – no shilling, no feeling – fürs Musikmachen bezahlt.
Mütter mit Kuh
(Nicht von allen; außerdem ergeben sich immer wieder schöne Projekte mit interessanten Kolleginnen und Kollegen.)

Die überwältigende Popularität schmeichelt zwar, ist aber zugleich das wahre Kreuz des Musikerdaseins: Wo immer du hinkommst, überall erwartet dich diese Meute von Paparazzi (meine nennen sich Mamarazzi), und die vielen Autogramme, die man den Leuten auf der Straße, im Taxi und in den Lounges geben muss! Mit der entsprechend dezenten Tarnung ist es mir aber unlängst gelungen, nicht einmal in Attnang-Puchheim sofort erkannt zu werden:
Bertlzorro
Je öfter ich mir dieses Bild anschaue, desto mehr überlege ich, ob ich mir nicht doch die Nase machen lassen sollte. Hn?

parlandoreport/3

Die CD ist fertig gemastert, wieder geht es an die Grenze des Erlaubten, im Fall vom parlando sind es fast 80 Minuten; sie teilen sich auf in drei Aktionsräume des Stifts St. Lambrecht: die als Kirchenraum herkömmliche, mittelkleine Peterskirche (samt gotischem Altar), den für die letzten Dinge reservierten romanischen Karner und die Schloßkapelle im über dem Kloster gelegenen Areal des mittlerweile verfallenen Äbteschlosses, die bei mir weltlich konnotiert ist. Drei sehr verschiedene und doch miteinander verwobene Sessions im Verhältnis 30 : 30 : 20 Minuten sind das Ergebnis.
Christian hat seine Ohren und seine große Erfahrung in gewohnt souveräner und dezenter Weise umgesetzt, feine Soundarbeit hat auch Charly Petermichl im Hintergrund geleistet. Man darf sich aufs Anhören wirklich freuen. (Nebenbei gehört würde es allerdings mit Sicherheit nerven.)
Letzten Samstag habe ich mit Michael Atteneder dann mögliche Wege einer graphischen Umsetzung andiskutiert, und es sind bereits konkrete Ideen vorhanden. Mehr dazu rechtzeitig.
Und auch übers Radio in der frühen Kindheit.
Und noch was: Absichtslos ist ein mögliches Stichwort, unter dem man die Stimmung der Musik auf parlando zusammenfassen kann.

kälter / nushu /2

Kälter ist es geworden. Verräumt der Ventilator (der diesen Sommer ohnehin nur Dekoration sein konnte), im Austausch kommt Fred, der Verdampfluftbefeuchter.
Heute Abend habe ich nun die Therme auf Heizbetrieb umgestellt. Das wird wieder dauern.
Umgekehrt und positiv gesehen: Der Rote schmeckt im Winter am besten. Erst recht der Amarone.

Ein Wort noch zu nushu.
Da erfährt man von einem Verlust von etwas, von dem man vorher gar nicht gewusst hat, dass es existiert. Wo liegt also der Verlust? (Und er ist da, der Verlust, er läßt sich nicht wegreden!)
Umgekehrt: Bei TCM zum Beispiel kriegt man – jede Woche eine neue Welt – Sachen, von denen man vorher noch gar nicht gewusst hat, dass man sie braucht (oder es zumindest jedes Jahr vergißt, TCM-Produkte erscheinen zyklisch.).
Schon irgendwie interessant.

nushu

Der Standard meldet, dass nushu, eine Sprache, die nur von Frauen in einer abgelegenen Provinz Chinas gesprochen wurde, mit der letzten Muttersprachlerin (98 ist sie angeblich geworden) ausgestorben sei.
Ich habe nun recherchiert und muss den Standard korrigieren: Es handelt sich nicht, wie gemeldet, um eine Sprache, sondern um eine sehr spezielle Schrift:
nushu - die Schrift

Ich verweise auf meine Komposition AEIOU für tiefes Quintett (2002) und behalte mir vor, diese traurige Tatsache in einer weiteren Komposition zu würdigen.
Mich interessiert das wirklich.

Lärm versäumt

Eben erfahre ich aus dem Amtsblatt der Stadt Steyr (April 2004), dass die Oö. Landesregierung 2004 zum Jahr des Lärms erklärt hat. Hätte ich das früher erfahren, mir wäre schon ein einzureichendes Projekt dazu eingefallen.
Ich zitiere aus dem oben erwähnten Periodikum: In einem Hör-Erlebnispavillon können die Besucher in die Welt des Lärms eintauchen. Stadtbetriebe Steyr, Ennser Straße 10, Hauptgebäude, 2. Stock; zu besichtigen jeweils von 9 bis 18 Uhr.
Schade, dass das schon vorbei ist.
Ich hätte zu gern gewußt, wie er denn ausschaut, der Lärm.
Mütter labil Photo © Dorothea Wimmer
So etwa?
Mütter horcht auf den Lärm
Und wie hört er sich an?

parlandoreport/2

Gestern haben wir das master so gut wie fertig gemacht, ich kopier’s noch schnell und schick’s dem Michael nach Steyr, damit er weiß, wie’s klingt und sich seinen grafischen Kopf ordentlich zermartert.
Drei Teile hat die CD bekommen, das war ja auch irgendwie klar, habe ich doch in drei Räumen – der Peterskirche, dem Karner und der Schlosskapelle aufgenommen, Anfang Sommer in St. Lambrecht. Das macht auch drei Silben, wie par-lan-do. Und italienisch ist der Titel (und auch die Stücke werden italienische Namen tragen), weil es geht ja um pure Musik, die wurde die längste Zeit italienisch beschrieben, zumindest die Tempoangaben, (ich weiß, schon Berlioz hat die erläuternden Zusätze französisch geschrieben).
Musik jedenfalls ist bei mir Reden, im Fall von parlando ein spontanes Reden. Wie man ja auch, wenn man miteinander spricht (und sich was zu sagen hat) letztlich improvisiert; man einigt sich (in der Regel unausgesprochener Weise) auf ein Thema, dann kommt das Werkl ins Laufen: Vokabel, Grammatik, Syntax, Gliederung, Rede und Gegenrede. Und idealer Weise einen feinen Wein dazu.
Abgesehen von diesem gepflegten Gespräch gibt es auch (und vor allem) die herkömmliche Standardsituation des Sprechens, die alltägliche Gebrauchssprache, sGott, eine Melange bitte, Kannst du bitte deine Tür leise zumachen und so weiter.
Schon kurios, dass es genau einen Beruf gibt, wo überwiegend nicht Spontanes geredet wird; und das Publikum geht ins Theater, um sich das anzuschauen. Die Schauspieler werden gewissermaßen dafür bezahlt, dass sie uns vorspielen, ihre wohlgeprobten Dialoge entstünden im Augenblick, seien das richtige Leben.
Und wie ist das mit der Musik?
Auch hier wird meist stark Vorherbestimmtes wiedergegeben; die Jazzmusik behauptet von sich, sehr starke Improvisationsanteile zu haben. (Ich bezweifle das.) Und manche (es sind wenige) lassen sich darauf ein, gänzlich blank aufs Podium zu gehen und im Augenblick etwas erstehen zu lassen. Auch hier gibt es natürlich Fraktionen und Untergruppen, sektenhaft mag es oft anmuten: Frei, aber bitte nur ja keine Melodie, kein rhythmisch-melodisches Kontinuum etc… Ja wie denn, kann nicht frei sein auch bedeuten, dass es nicht unstatthaft sei, die Füße zum Gehen, den Hintern zum Sitzen und die Finger zum Nasenbohren verwenden zu dürfen? (Obwohl: es war schon Büchners Lenz unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehn konnte)

Um all das geht es bei parlando.
Ich bin schon gespannt, wie es weiter geht.

parlandoreport/1

Seit 9. September arbeite ich nun gemeinsam mit
Christian Mühlbacher (Klang)

Spinat ist gut für die Ohren!

und Michael Atteneder (Grafik Design)

Dieser Mensch liebt die schöne Blasmusik!

an meiner neuen Solo-CD, parlando wird sie heißen. Aufgenommen haben wir sie ja schon Ende Juni in den Kirchen von St. Lambrecht, jetzt heißt es auswählen, hören, weiter vor- und nachdenken, Texte schreiben uvm…
Bis Mitte Oktober soll sie fertig sein. Dann gibt es nämlich auch wieder ein paar Konzerte.

Ferkeleien

Quallenferkel
Welches Schweinderl hätten’S denn gern? Robert Lembke (1913 – 1989)

Dem linken Ferkel wurde das Leuchtgen einer Qualle eingepflanzt. Und dem rechten wurden die Gene eines Punschkrapferls übertragen.
Wie die wohl schmecken werden einmal? (Im Zweifelsfall bevorzuge ich den Rumgeschmack.)
Obwohl, das mit dem Leuchtgen gibt mir zu denken. Man sollte das in Taschenlampen einbauen. Dann brauchst du keine Batterien mehr, hoffe ich.

Jakobsleiter

Samstag, 4. September 2004
St. Jakob am Mitterberg bei St. Marein-Pöllau
Jakobsleiter
Veranstalter: Jeunesse Murau in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen österreichischen Baukultur-Privatstiftung
Bläserensemble Naturpark Grebenzen
Victoria Coeln, Farbraum
Bertl Mütter, Posaune, Stimme, Euphonium, Musik

Verborgen über St. Marein, auf dem Weg nach Pöllau (das ist bei Neumarkt in der Steiermark, am Weg nach Kärnten, auf der Triester Bundesstraße) liegt die lange Zeit unbeachtet verfallende roman(t)ische Kirchenruine, die Jakobikirche. Seit mehreren Jahren arbeitet die Gemeinnützige österreichische Baukultur-Privatstiftung an der schonenden Revitalisierung dieses kleinen architektonischen Juwels.
Beim kurzen Spaziergang über die Weide hinab zum kleinen verfallenen Weiler wird das Publikum von Bläserklängen empfangen. Verteilt im Wald (und nach und nach sichtbar) leiten sie, Bojen gleich, zum Ort des zentralen Geschehens um und in der Jakobikirche, vergleichbar den Lichtstrahlen und den Farben, in die uns Victoria Coeln später zu baden einlädt.

Dabei wird die Musik immer konkreter, setzt sich aus vereinzelten Klängen nach und nach zusammen. Aus der Bläserschar wird sich Bertl Mütter lösen und das Publikum einladen, ihm auf seinem Weg (um die Kirche, aber auch im Innenraum) mit allen Sinnen zu folgen, es ist eine kontemplativ-abenteuerliche Expedition. Aufsteigendes, Schwebendes, Absteigendes.

Auf der Erde wieder, werden das Bläserensemble Naturpark Grebenzen das Publikum mit bodenständigen Stücken erfreuen, das Jakobsfest nimmt seinen Lauf mit Speis und Trank und einer Leiter, die zum Himmel leuchten wird.

Mit der Dämmerung reduziert sich der gewaltige Lichtraum, der gerade noch die Umgebung erhellt hat. Licht zentriert und verdichtet sich um die Jakobikirche. Dabei wird das natürliche Licht nahezu unmerklich von einem kontemplativen und zugleich lebendigen Farbraum aus Fackeln und gemaltem Licht abgelöst. Dieser immaterielle Raum erweitert und durchdringt das sakrale Bauwerk. Er ist so aufgebaut, dass jeder Besucher in den Farbraum eintreten kann, um sich bewusst oder unbewusst mit der Architektur zu verbinden, ja tatsächlich für einen langen oder auch nur kurzen Moment den Gesamteindruck der Architektur zu verändern. Bertl Mütter wird den Farbraum Mitterberg öffnen und die Besucher dazu einladen, die Kirche durch die Bewegung der eigenen Farbschatten zu ertasten und selbst vielschichtig bewegte Raumbilder zu schöpfen, eine Einladung zu Begegnungen im Licht.
Victoria Coeln

Ein großes und auch recht vergnügliches Erlebnis, bis spät in die Nacht waren wir draußen, die Feuer haben gut gewärmt, es war aber auch unerwartet warm für Anfang September auf 1.000m. Und ein Buffet, ich sag’s Ihnen!

Frühherbstmütter 2004

Liebe MBA,

herzlich willkommen zum wieder einmal längst überfälligen Mütterbrief, ich gebe ihm das Datum 1. September 2004, weil da der meteorologische Herbst beginnt, wie Herr Kletter vom Wetter heute (31.8.2004) im Mittagsjournal gesagt hat. Der August war überdurchschnittlich warm, sagt er, und wir müssen wieder einmal dran glauben.

Ich darf ein paar Erklärungen abgeben, warum es wieder so lange gedauert hat, der letzte MB datiert ja vom 8. April: es hat viel zu tun gegeben, unterwegs und daheim (dieser Tage etwa habe ich meinen Weinkeller fertig eingerichtet; wie ich schon einmal gesagt habe: Ich trinke zu wenig, das ist die Wahrheit, sonst müsste ich nicht so viele volle Weinflaschen einräumen).
An meiner Homepage ist auch viel gearbeitet worden, es ist einiges weiter gegangen, und das ist auch der Grund, dass sich ab sofort die Mütterbriefe anders präsentieren werden.

Der vorgeschobene Grund, warum ich mich überhaupt hinsetze und Mütterbriefe verschicke ist die Information über meine öffentlichen künstlerischen Aktivitäten. Dafür will ich natürlich weiterhin werben, neu ist halt, dass die jeweils aktuellen hier ständig individuell abrufbar sind. Und dader gibt es den gewissermaßen rollierenden Rückblick: Kaum ist eine Veranstaltung vorbei, schon sprinte ich ins nächste Internetcafà© und verschiebe das aktuelle Ereignis, sprich die eben vergangene Zukunft, in Richtung Vergangenheit, so ist das Leben. Und meistens gibt es noch einen kurzen Bericht wie es war, damals, die Gegenüberstellung von Ankündigung (Anspruch) und Gewesenem (Umsetzung). Das kann ja manchmal sehr weit aus ein an der klaffen. Diese (nennen wir sie:) Kritik kann und soll durchaus schonungslos sein und richtet sich auch gegen mich selbst, wie einst ein singender Maler (auch er hat ein Haus gebaut) in der Einleitung zu einem sehr populären beinharten Protestlied mit hohlem Latzhosentenor zu skandieren pflegte.

Weiters ist zu berichten, dass es im neuen MütterLog auch ab sofort alle neuen Mütterbriefe zu lesen geben wird. Wer sich registrieren mag, soll das bitte tun und kann dann seinen Senf dazugeben. (Nick)name und eMail-Adresse (bleibt den anderen Usern unbekannt) sind genug; natürlich ist höchste Diskretion selbstverständlich.
Wichtig ist, dass man immer dran ist an den neuen Segnungen unserer westlichen Zivilisation, wer weiß, vielleicht wird der eine oder die andere von uns ja einmal Bundespräsidentschaftskandidatin, da kommt man ohne unbedingte Modernität nicht aus.

Schließlich gibt es auf muetter.at noch allerlei andere Rubriken, deren �berschriften dem durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäer (vgl. Franz Kafka: Ein Bericht für eine Akademie) keine Probleme machen dürften, zu den gewünschten Inhalten vorzudringen. Den aus den bisherigen Mütterbriefen vertrauten Kurzessay finden Sie in Zukunft z.B. bei den Texten, Unterkapitel Glossen.

Und weil es so lange gedauert habe, erlaube ich mir, gleich auf zwei in der Zwischenzeit verfasste Kurztexte zu verweisen, nämlich auf Kahixin und auf Happy Hour.

Was aber steht nun an?
Bald schon wird der australische Kaninchenfilz auf meinen Kopf (ich habe tatsächlich und immer noch eine Riesenfreude damit) das Flechtwerk aus Ecuador (das traditionell via Panama gehandelt wird) ablösen, wir treiben bereits seit 21. Juni der finsteren Jahreshälfte entgegen.
Indemdadurchdass ich schon auf die Terminrubrik hingewiesen habe, jetzt nur schnell die dringende Empfehlung, am Samstag, 4. September 2004 zur Jakobikirche bei St. Marein bei Neumarkt zu kommen. Das wird eine außergewöhnliche Sache. Und ist gerade noch in der schönen Steiermark. Hier bzw. ab bald danach hier gibt es ausführlich Informationen dazu.

Herzlich willkommen!

Bertl Mütter

in St. Lambrecht, Juni 2004 � Bertl Mütter

PS: Noch ist die Gestalt meiner Ende Juni in St. Lambrecht aufgenommenen CD parlando recht unklar. Aber bis Mitte Oktober wird mein neues, möglicherweise verstörendes Opus erscheinen (ARBE 12).

bitte abheben

bitte! abheben! ö! sterreich!
Was endlich auch einmal gesagt gehört hat. Umso mehr, als diese dringliche Aufforderung am Display der durch und durch schienen- und also erdgebundenen Telephone der österreichischen Bundesbahnen in all ihrem Sehnen zu lesen ist.
Und – 1, 2, 3, so leicht geht das!

popeng die 2te

Mütter übt bereits 1999
Ein dringender Nachtrag zu meinem gestrigen Kurzbericht von der ABWM in Bayreuth: Damals, im August 1999, habe ich, ohne es zu wissen, in Lienz die Ereignisse von 2004 anticipando erlebt. Nein, verletzt habe ich mich GSD nicht. Es war aber ein unvergleichliches, euphorisierendes Gefühl, im Sprung mein eigenes Spiegelbild auf mich zufliegen zu sehen. Wer das auch erleben will, muss nicht nach Lienz. Es genügt, ins Grafik-Atelier von Atteneder nach Steyr zu fahren und vom Eingang schnurgerade auf eine kleine Tür zugehen zu müssen. Man kann dahinter zwar nicht sein eigen Spiegelbild auf sich zurasen sehen, meinen auf sich zuspiegelnden Körper, fotografiert von Dorothea Wimmer (und hinter dem Häusl aufkaschiert für Michael Atteneder wahrscheinlich von Klaus Peter Schnopfhagen), sehr wohl.
Aber dann: Bitte auch die Männer sich hinzusetzen. Mit mir im Gnack.
Und was vorher betrifft: Wünschen wohl gespeist zu haben, murmeln die Benediktiner, wenn sie vom Mahl aufstehen.
Und: Beim steirischen herbst haben sie einmal, ich war noch ein Kind, als Plakat zu einem, wie sich weisen wird, zweideutigen Bild die Frage gestellt: Muß er erst oder hat er schon?
So. Das reicht jetzt.

MütterMagManner

MütterMagManner

Ein kleiner Beitrag zur aktuellen politischen Sommerdiskussion (Doping). Das Bild hat der liebe Franzobel am 22. August in der Nähe vom schönen Irnfritz, unweit vom zeitgleich stattfindenden Landespflügen in Radessen, auf dem Weg also von Irnfritz zu unserem Auftritt beim Poetenfest in der Burg Raabs an der Thaya gemacht.
Und der Manner-Shop (nur echt mit dem Stephansdom) ist in jedem Fall auch aufs herzhafteste zu empfehlen!

popeng

Po Peng springt ins Wasser
Dieser Herr, der hier zwecks Qualifikation vom 3-m-Brett ins Wasser hupft, heißt tatsächlich Po Peng, und er ist aus China zu diesem Kontest nach Athen gereist.
Wobei mir einfällt, dass sich dieser Tage bei der Arschbombenweltmeisterschaft (ABWM) in Bayreuth, wo man mit manniglich wagnerscher Wucht wassert, jener junge Mann, der 2003 Ab in den Süden gesungen hat, DJ The Wave (nomen es omen) heißt er, arg den Arsch aufgerissen hat. Für die, die’s interessiert: Sein ist auch der offiziellen Song der ABWM. Kommt also aus berufenem – äh – Mund.

glattverkehrtes

Mittwoch, 28. Juli 2004
Krems, Sandgrube 13
glatt & verkehrt
Nouvelle Cuisine & Trachtenkapelle Rossatz

Wachauer Begegnungen hieß der Programmpunkt am Eröffnungstag des so unvergleichlichen Musikfestivals in der wunderbaren Atmosphäre bei den Winzern Krems.
Um 18.30 begann das höchst befreundete Takon Orchester mit dem Wachau-Chor Spitz, sehr schön, wirklich, und die Hüte der Herren vom Chor mit der echten Steinfeder drauf.
Dann gab es die Neuauflage (erweitert und neu durchgesehen) unseres erfreulichen Zusammentreffens mit der wirklich besten Blaskapelle der Wachau (auch, wenn das die Dürnsteiner nicht so gerne hören). Im Gegensatz zum letzten Jahr war diesmal die Kapelle schon auf der Bühne und die Big Band ist einmaschiert, im 5/4 Takt (was aber trotzdem nicht so geklungen hat wie bei Georg Kreislers General – links, zwo drei vier finf, links zwo drei vier finf…) Nach Komposiitonen von Karlheinz Schmid, Johannes Berauer und Christoph Cech (sehr schön, Fellini’s Valse) durfte ich wieder ein Stück beisteuern, eine Weiterentwicklung von Maria Taferl (so war der Wunsch), aber auch wieder ganz neu. Die Abfolge hieß diesmal: Vorort – Maria Taferl – Ortsende von Maria Taferl. Zur Inspiration war ich am Freitag vor der ersten Probe noch auf fact finding mission in M.T. gewesen.
Ich darf die Photos kommentieren, das erklärt nämlich Vieles:
Maria Taferl Taferl
Noch recht harmlos präsentiert sich der Ort bei der Anreise.

Wespentaferl
Auf der Terrasse des riesigen Gasthofs (mit Blick auf die Donau) dann ein komplett anderes Bild: eine Wespenfalle samt gefangener und eintretender Zielgruppentiere. Der Fisch am Tisch schmeckte vorzüglich, und auch die Frittatensuppe war nicht ohne.

Maria Taferl Taferl 2
Inspiriert konnte ich mich Rossatz zuwenden. Vor allem die Wespenfalle beeindruckte.

(Das Stück schrieb ich dann am Sonntag vormittag in Neumarkt/Stmk.)

Die drei Stücke von Christian Mühlbacher mit der nicht anders als orgiastisch zu bezeichnenden neworleansesken Zugabe ließen ein enthusiasmiertes Publikum zurück.

MütterLog eröffnet

Das ist der (oder sagt man ›das‹?) MütterLog, und ich werde versuchen, dass zumindest ich hier nach bestem Wissen & Gewissen die Wahrheit schreibe, aber wie heißt es so schön (Joh 18,38), quid est veritas, und also hoffe ich auf viele wahrhaftige Beiträge von Ihnen, Ihnen und natürlich ganz besonders von Ihnen, die Sie mir gerne per Email zuschicken können, und die ich nicht unbeachtet lassen werde, versprochen!

Der Seriosität halber möchte ich jedoch um Verständnis bitten, wenn ich durchaus auch andere Dinge zu tun habe, als ständig an meinem Computer mit dem Internet zu spielen und mir meine Homepage inkl. dem MütterLog anzuschauen.