Jonke

Gert Jonke und Bertl Mütter in Nischni Nowgorod, 17. März 2008

Mein Freund Gert Jonke hat uns Blechbläsern was ins poetische Stammbuch gekritzelt, nämlich:

Bedenken Sie, meine Damen und Herren Blechbläser, was Ihr Instrument alles von Ihnen zu erleiden hat. Im Grunde genommen wird so ein Blechblasinstrument während des Spielens von ihnen pausenlos vollgespuckt. Sie bemerken es ja selbst, wenn Sie den Schalltrichter ihres Instrumentes nach dem Konzert über dem Konzertpodium ausschütteln und ausleeren. Die Konzertpodien der ganzen Welt sind vom ausgeschütteten Speichel der Blechbläser überall richtiggehend gebeizt. Das können Sie, wenn Sie den Boden genauer anschauen, überprüfen. Und bei den meisten Blechbläsern vieler Orchester habe ich den Eindruck, dass die Instrumente von ihnen weniger gespielt als genotzüchtigt werden. Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, ob Sie das auch wünschenswert fänden, wenn jemand sie zum Mund führt – sie mundeinwärts vollspuckt, dann nachblasend das vollgespuckte weiter durchstößt, nur damit auf ihrer anderen Seite irgendein Ton herauskommt?
Gert Jonke, Chorphantasie (2003)

Zum Glück spiele ich manchesmal auch im Freien, wo ich nach Herzenslust sabbern darf. Außerdem bin ich ja nicht lediglich Blechbläser – das wäre etwas (zu) wenig. Ich erinnere mich, wie dereinst in der Grundausbildung (vor dem Übertritt zur Militäär-Musick!, ca. Nov. 1984) der Spieß mir als erster den Rat gegeben hat, das Denken doch besser den Pferden zu überlassen, die hätten einen größeren Kopf:

Jawohl, Herr Hauptmann.
Georg Büchner, Woyzeck

Seither löcke ich wider diesen Stachel: Bitte wer darf (mit welchem Recht?) behaupten, ein Musiker habe immer ausschließlich Musik zu machen oder, allerhöchstens, dieselbe möglichst hölzern zu erklären, zu vermitteln1 gar!?

  1. Es ist doch fürwahr zum Schaudern! Sie vermitteln solange, bis alle sie ›verstehen‹, aber von der Kunst nichts mehr übrig bleibt.