Brandreden

Persönliche Böswilligkeiten als überlebensnotwendige Abgrenzung gegen von mir als Auswüchse erlebte Entwicklungen; unausgewogen, ungerecht, unsachlich, vermutlich unbegründet und völlig unzutreffend.


Wider die Mittler – cave mediatricem1

CAVE CANEM, Pompei. 2022 im Archäologischen Museum von Neapel von mir selbst photographiert.

Hans, mein Winzer, erzählt mir, wie gerne er draußen ist im Weingarten, wie das ist mit dem Boden, mit den Trauben, wie er das Wetter und überhaupt das Klima und seine Entwicklung einschätzt, er redet vom Spüren des perfekten Zeitpunkts für die Lese, wie das ist beim Pressen und im Keller und was er Neues probieren will, abseits modischer Strömungen. Ich höre ihm gerne zu und merke mir – nichts; doch habe ich über die Jahre gelernt, seinen Wein besser zu schmecken, einfach, weil ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann – wobei: Vertrauen, das würde grundsätzliches Misstrauen implizieren – besser also: Ich erlebe einen Menschen, der fest mit seinem Tun2 verbunden ist, ein Tiefwurzler, durch und durch authentisch. Von Aprikosentönen, Lakritz-, Litschi- oder Quittenfrucht habe ich ihn noch nie reden gehört. Dafür gibt’s ja die Weinvermittler, die erklären einem, wie Alles geht, sie kennen das richtige Glas und wo man es bekommt, lernen dir die korrekte Schlürfbelüftung (über die Schneidezähne) und das richtige Ausspucken der Weinprobe in den Probiernapf. Ich muss mir denken: Zahnarzt.

Es ist so: Mein idealer Weinvermittler ist mir mein Winzer. (Mein Zahnarzt sieht das übrigens genauso.)

Jetzt aber. Hütet euch vor den falschen Kunstvermittlern, überhaupt vor allen Vermittlern, die sich selbst ins Spiel bringen: »Lasst uns das machen, ihr seid ja nicht qualifiziert.« Mit dem einleuchtenden Instant-Versprechen, leichte Zugänge für Alle zu verschaffen, verbreiten sie ihre süßliche Lüge von der Leichtigkeit.

Ihr Runterbrecher, Aufspalter, Weinzuwassermacher, Mundgerechtrichter!

Wem sein Gaumen von Anfang an fastfoodisch betäubt wurde, dem erscheint bereits ein in veraltetem Kokosfett herausfrittiertes Winnetou-Schnitzerl (mit Pommes und Ketchup) als kulinarische Errungenschaft, weil er es mit Messer und Gabel essen muss, bitte aufschneiden! Oder Wein, bis man zum Wein findet. Wer bei Adabei-Ribiselwein, Cola-Rot und Alkopops hängenbleibt, der wird seine Betäubungsdosis sukzessive erhöhen müssen, bis er einen Leibwächter braucht (noch einen!, und ein dritter geht auch noch), der wartet in trauriger Trinkeraugenhöhe beim Supermarkt an der Kassa, schön aufpassen!

Genusskultur, Kunst, die das Leben ist, alles, das es wert ist, fordert Anstrengungen ein, und: Ja, das Leben ist anstrengend! Schönsaufen verkatert! Wir haben doch nur diesen einen Lichtspalt zwischen zwei Ewigkeitsabgründen, vor deren zweitem wir uns so fürchten. Sich anstrengen lohnt sich! Wiesehr, kann man halt nur ermessen, wenn man es ehrlich probiert! … Du kannst nicht am Fuß des Bergs starten und, indem du seicht abwärts gehst, stehst du auf einmal ganz oben. Sowas glaubt nur ein Hump oder Dump3. Wenn du vom Erlaufboden auf den Ötscher willst, musst du erst einmal drei Stunden lang steil einen aussichtsmäßig durchaus dürftigen Wald hinauf, dann kommt der Rauhe Kamm, wo du manchmal kraxeln musst (oder, je nach Gusto, darfst), dann erst kommst du aufs Plateau, und der Gipfel, das kommt nämlich dazu, ist garnicht sosehr die Essenz vom Ötscher. Natürlich kannst du auch von Lackenhof mit dem Sessellift zum Ötscherhaus fahren und dann die halbe Stunde gemütlich leicht bergauf spazieren. Du kannst das bei etlichen anderen Bergen auch so machen und sowas ist auch nicht zu verurteilen. Ob man allerdings als Mensch, der sich Gipfeln über halbstündige Spazierhäppchen annähert, eine Idee von Berg, Gebirge (was es birgt!4) bekommt, muss bezweifelt werden. Es macht einen Unterschied, und der wird auch nicht in Schritten, Höhenmetern oder angeblich verbrauchten Kalorien gemessen.

Jedoch: Vermittlung als Hinführung, als Weisen (besser: Draufkommenlassen), wo ein guter Tritt ist, »probier einmal da«: Das lass ich mir bittegerne einreden!


JAZZ?

Jazz, das ist ein Parfum, ein Kleinwagen und (meist rückwärts gewandtes) Musikkunsthandwerk. Auf diese Gegenstände bzw. Verrichtungen ist gleichermaßen das durchaus pejorativ zu deutende Verb jazzln (tschessln, tschässeln) anwendbar.

Von einem oberösterreichischen Instrumentenhändler (im Herkunftsort Alois Brandstätters, eines sprachlich Sensiblen) habe ich mich, seit er mich fragte: »Und, tuasd nu tschessln?« – ferngehalten. Es war eine unverstandene, gute Entscheidung.

Dann gibt es noch den Jazz von Ernst Jandl. Dem nur fühle ich mich verpflichtet.


 

  1. lat. mediatrix f – Mittlerin; auch: mediator m – Mittler (im Musikbereich wenig gebräuchlich)
  2. (und Schaffen!)
  3. … oder Trump, Musk (…) – die wohl meinen, sich eine derartige Illusion herbeibefehlen zu können.
  4. Vgl. Konrad Baier, der kopf des vitus bering