Von der Musik
Ein paar grundlegende Gedanken, die ich mir so über die Praxis der Musik und des Musizierens gemacht habe und immer noch mache – das hört ja nicht auf. Nicht mit dem zu velwechsern, was man unter Musiktheorie zu verstehen hat.
Übers Musiklaboratorium
(Nicht nur mein) künstlerisches Denken spielt sich weitgehend im Tun ab. Das hat zur Folge, dass ich mir bestimmte (selbergestellte, aber auch an mich herangetragene) Themen vornehme, um sie mit musikalischen Mitteln zu erkunden, echolotgleich. Das ist doch künstlerisches Erforschen im wörtlichsten Sinn. Es ist nur ausnahmsweise ein Laboratorium für (inner)musikalische Fragen (zu musikalischen Fachproblemen), sondern will primär außermusikalische Phänomene (aus dem wirklichen Leben! – um einige zu nennen: Vertrauen, das Schwere und das Leichte, Staub, Eidechsen, Trägheit und Aufstand, grenzkæmpfe, die Institution Lebensborn, der Kärntner Sonnengott, Rilke-Schnitzler-Schönberg, Entkommen, das Wort/die Sprache und einmal gar – wann eigentlich nicht? – die Liebe selbst) eben mit musikalischen Mitteln abtasten, abklopfen, in sie hineinblasen, sie durchstreichen.
In der Mathematik werden, um zu gewissen Lösungen zu kommen, – scheinbare, aber einzig so zielführende – Umwege über Konstrukte wie die irrationalen Zahlen oder zusätzliche (nicht nur ganzzahlige!) Dimensionen gemacht, und auch dort steht bekanntermaßen nicht die Lösung, sondern der elegante Weg und die Schöne Formel im Zentrum des (nicht bloß) ästhetischen Interesses.
Mein Laboratorium agiert sinnvollerweise zumeist im Kollektiv (das gewährleistet eine pluralistische Fundamentierung) und beharrt zugleich – in seiner Augenblicklichkeit glühendst eifernd (dabei stets augenzwinkernd) – auf der Behauptung künstlerischer Objektivität. Es ist sinnlich neugieriges Forschen, das Lust darauf machen will, selber (wieder) waches Interesse an den Dingen der Welt, den curiosa der galaxis (Dietmar Brehm) zu entwickeln, aufkommen zu lassen, aufkeimem, genau.
Lösungen? – Ich bitt’ Sie!
Es liegt also in der Natur der Sache, dass diese Laboratorien essayistischen Charakter haben; allfällige Beipacktexte und Erläuterungen (auch im möglichen direkten Dialog mit dem Publikum, dieser einzig gültigen Evaluationsinstanz) dienen als Zugabe, der klärenden Verwirrung – was ist denn, bitte, klar, vollends klar? – Den Zauber der Musik lassen wir uns jedenfalls nicht zerreden.
Künstlerische Experimente (meine Musik ist, das nebenbei, keine experimentelle im landläufigen Bedeutungsgebrauch) müssen im Gegensatz zu wissenschaftlichen nicht wiederholbar sein, sie dürfen nicht einmal unter gleichen Bedingungen Gleiches ergeben: Sollte ich auch nur einmal spüren, eben das gleiche wie zuletzt abgespult zu haben, werde ich Buchhalter, um einen spannenderen Beruf auszuüben. Nicht einmal Kunsteisläuferinnen oder Schispringern verlangt man jeweils idente Leistungen ab – sie werden sich von selbst sowohl um Konstanz als auch um die Ausdehnung ihrer Leistungsgrenzen bemühen…
(Hier könnte noch ein bedeutender Satz stehen, sagen wir: von Kafka oder Cioran; meinetwegen Karl Kraus. Er wäre aber möglicherweise allzu wichtig und zerklopfbar, an dieser Stelle.)
Es geht ums Spielen.
Übers Erfinden
Eine musiklaboratorische Plauderei mit Bertl Mütter
Linz, Kepler-Salon, 21. März 2013
Bertl Mütter gilt heute als der große österreichische Posaunenindividualist (was immer das sein mag), seine Spielweise ist eine rhetorische, im wörtlichen Sinn: Ihn spielend zu erleben bedeutet, direkt dabei zu sein, wie die Geschichte im Erzählen entsteht; es ist eine weite Reise, von einer zarten Wildheit, dass es schwer fällt, sich teilnahmslos ihr zu entziehen. (Muss man auch nicht, es tut gut!).
Rhetorisch, das bedeutet, dass wir es mit einem Künstler zu tun haben, der nicht nur musikalisch (improvisierend, spielend, für andere komponierend), sondern auch verbal höchst eigenständig (und -willig) zu reflektieren in der Lage ist. Serious fun.
(Programmankündigung, Kepler-Salon)
Meinen – einigermaßen umfangreichen – Vortrag können Sie hier als .pdf-Dokument herunterladen.