Hofmusik

Das hat Markus Lidauer 2012 photographiert.

Wenigen ist bekannt, dass Bertl Mütter1 einer der längstdienendsten und wenigstangefochtendsten2 Intendanten der Festspielnation Österreich ist. À la gache3 fällt mir nur Mathis Huber4 ein, und der ist allerdings ein wahrlich ausgepichter College.

Wie meine bescheidene Kunstgreißlerei ist auch diese Intendanz5 eine kleine und, so will ich hoffen, eine desto feine: Seit dem 3. Mai 2002 treffen wir uns alljährlich am ersten Freitag im Mai6 zum WeinKult7 am Weingut Wimmer-Czerny in Fels am Wagram, um gemeinsam die warme Jahreszeit zu begrüßen – wenn es sein muss, auch mit Glühwein; und wenn wir schon einmal beisammen sind, dann verkosten wir halt auch die neuen Weine (allesamt Wunderweine!) und weitere Produkte, später im Lauf des Abends8 auch ältere Weine aus der Demeter-zertifizierten Landwirtschaft von Astrid und Hans Czerny9, Stichworte: Mangalitza, Sulmtaler, …

Markus Lidauer hat 2012 auch das photographiert.

Wie es dazu kam, ist schnell erzählt: Aufgrund einer sehr plausiblen Empfehlung in einer gefalterten Weinkolumne hatte ich ein Weinprobepaket10 bestellt, Hans lieferte den Wein persönlich, wir kamen ins Gespräch und stellten bald fest, dass wir in unseren jeweiligen Künsten an höchster Qualität interessiert sind – und uns dabei aber nicht gerade am Mainstream11 zu orientieren gewillt sind. Hans wollte schon länger ein etwas anderes Hoffest machen, so fanden zwei zusammen, die zusammenfinden sollten.

Seither ist es so, dass wir am ersten Freitag im Mai12 ein Programm aus vorwiegend improvisierter Musik mit literarischen Leckerbissen bieten, dazu Bildende Kunst13, und eben nicht die übliche Dixielandmusik oder weinselige Wienerlieder14 zu hören sind. Meine Aufgabe besteht darin, in meinem erweiterten künstlerischen Freundes- und Bekanntenkreis nach jeweils geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu suchen. Es gibt kein Honorar, und wer nicht versteht, dass die Belohnung (abgesehen von einem direkt zu verhandelnden Deputat) im beitragstäterischen Dabeisein liegt, ist halt nicht dabei – und weiß fürderhin nicht, was er/sie versäumt hat. (Alle haben stets durchscheinen lassen, gerne wiederkommen zu wollen.)


Der WeinKult ist das nachgerade ideale Symposion.

Symposion, Paestum, Magna Græcia (Serviervorschlag). Von mir selbst im Sommer 2022 photographiert.

Hier das schlicht naturgesetzliche Ablaufschema: Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande. Zuerst gibt’s einmal was zu trinken. Dann wird gespielt, daraufhin wird gegessen und getrunken, dann gespielt, woraufhin getrunken und gegessen wird, daraufhin spielen und lesen die Künstler:innen wieder und unmittelbar darauf gibt’s was Gutes zu essen, und zu trinken ist auch noch genug da und so weiter: Wir achteln uns hinauf, alle sind wir illuminiert, Verbrüderungen, Verschwisterungen, aber keine:r ist angesoffen, und das nennt man angewandte Trinkkultur.


Die Mitwirkenden sämtlicher Jahrgänge15

Literatur / Darstellende Kunst
  Austrofred
  Anne Bennent
  Otto Brusatti
  Mercedes Echerer
  Erwin Einzinger
  Franzobel*16
  Andrea Grill
  Josef Haslinger*
  Markus Hering
  Elias Hirschl
  Maria Hofstätter
  Gert Jonke*
  Gertraud Klemm
  Julya Rabinowich
  Verena Roßbacher
  David Schalko
  Richard Schuberth
  Martina Spitzer
  Grischka Voss
  Eva Woska-Nimmervoll

Musik
  Christoph Cech, wurl, dr**17
  Melissa Coleman, vc
  Uli Drechsler, bcl
  Christopher Haritzer, cl, bcl
  Peter Havlicek, git
  Agnes Heginger, voc*
  Peter Herbert, b*
  Traude Holzer, voc
  Franz Koglmann, flh
  Peter Kunsek, cl
  Gerhard Laber, perc
  Sascha Lackner, b**
  Otto Lechner, acc
  Matthias Loibner, drehleier*
  Bernie Mallinger, vl
  Mnozil Brass18
  Wolfgang Muthspiel, g
  Bertl Mütter, tb, btp, euph, voc**
  Herwig Neugebauer, b*
  Tomáš Novák, vl
  Ewald Oberleitner, b**
  Anna Maria Pammer, voc
  Jelena Popržan, va, voc
  Martin Ptak, tb, keyb
  Wolfgang Puschnig, as, fl
  Lorenz Raab, tp, flh
  Jon Sass, tu
  Uli Soyka, dr
  Paul Schuberth, acc
  Erika Stucky, voc, acc
  Aaron Wonesch, p
  Martin Zrost, bcl, as

Intendanz
  Bertl Mütter, Hofintendanz

Das ist doch insgesamt ein recht ansehnliches LineUp, finden Sie nicht auch?


NB: Wenn der WeinKult nicht gerade allzu dicht fotografisch dokumentiert ist, wollen wir’s als Zeichen dafür nehmen, dass wir an diesem Abend besonders im Augenblick zu leben in der Lage sind. Und darum geht’s doch!19


  1. Tut mir leid, hier muss ich dem Illeismus verfallen.
  2. Wir müssen, wir sind im tiefsten Österreich, hier den beim Volk im Gebrauch stehenden Vulgärsuperlativ anwenden.
  3. aufdieschnelle
  4. styriarte
  5. Österreich ist nicht das Land der Intendanten sondern das Land mit Menschen, die eine Intendanz innehaben. Klingt irgendwie so ähnlich wie Prälatur, nur halt künstlerisch und weltanschauungsmäßig unerpressbar. Ich kann es gar nicht genug oft herschreiben: Intendanz. Intendanz. Intendanz. Intendanz. (…) Merke: Wer eine Intendanz innehat (gar eine jahrzehntelange!), dem winkt irgendwann der Berufstitel Professor und/oder er wird zum Konsulent der Landesregierung ernannt. Darauf arbeite ich hin. Weil: Um was geht’s denn sonst?
  6. Manchmal ist’s auch der letzte Freitag im April, mithin: der dem 1. Mai zunächst liegende Freitag.
  7. Der Name ist bitte nicht von mir!
  8. (oder danach)
  9. Weder Astrid noch Hans tun einen mit ihrer biodynamischen (…) Philosophie missionieren, wie wohl.
  10. (Probeweinpaket? Paketweinprobe?)
  11. Was immer das sein mag…
  12. Zur Terminfestlegung vgl. eine weiter oben stehende Anmerkung
  13. (wofür die ich nur in den ersten Jahren zuständig war; gut so)
  14. … oder auch wienselige Weinlieder
  15. in alphabetical order
  16. Wer öfter als einmal dabeiwar, hat so ein Sternderl* hintendran.
  17. Wer noch öfter dabeiwar, hat zwei so Sternderln** hintendran.
  18. Wenn unter den künstlerischen Gästen jemand mit einer Popularität ist, die auf allzugroßen Publikumsandrang schließen lässt, werden dieselben in aller Regel verklausuliert angekündigt. Das wird selbstredend lediglich so lange funktionieren können, bis meine Weinigkeit finaliter einem – indertat allerdings täglich unmittelbar bevorstehenden – massiven Popularitätsschub unterworfen sein wird. Bislang war allerdings/jedenfalls stets genug Platz & Speis & Trank für alle da und ausreichend Gelegenheit zum (immer gelösteren) gepflegten Austausch à gusto.
  19. Abgesehen vom Professor Magister Magister (FH) Doktor Universitätsassistent außerordentlicher Universitätsprofessor ordentlicher Universitätsprofessor Ökonomierat Konsulent Schulrat Oberschulrat Studienrat Oberstudienrat Hofrat Ingenieur Diplominigenieur Direktor Fachoberinspektor Regierungsrat Kammersänger Kammerschauspieler Bergrat h.c. Postoberadjunkt Oberbereiter Medizinalrat Obermedizinalrat Generalmusikdirektor Baurat h.c. Amtsrat Kanzleirat Kommerzialrat Veterinärrat.