LOGORATORIUM
OPERAN21 – LOGORATORIUM (2021)
Ein Musiklaboratorium von Bertl Mütter
Stationentheater für drei Musiker*innen und zwei Sänger*innen
WIEN MODERN im Literaturmuseum
Ursula Langmayr: Sopran
Matthias Helm: Bariton
Bertl Mütter: Posaune
Heinz-Peter Linshalm: Bass- und Es-Klarinette
Tina Žerdin: Harfe
Leonora Scheib: Szenische Einrichtung
Georg Steker: Produktion, dramaturgische Mitarbeit
Bertl Mütter: Spielertrainer; künstlerische Gesamtleitung; Produktion
Der Komponist und Posaunist Bertl Mütter schuf eine von der Dauerausstellung des Literaturmuseums inspirierte Komposition, die er gemeinsam mit seinem Ensemble in den Räumlichkeiten des Museums zur Aufführung bringen wird. Das Publikum erwartet eine musikalisch in Szene gesetzte, ›gespielte Ausstellung‹, deren Ausgangspunkt die Musikalität des Wortes und das rhetorische Element musikalischen Klingens ist.
Ankündigung, Literaturmuseum
Spielerischer Ernst im Umgang mit der Sprache als (taugliches?) Remedium, ihren – heutzutage nur allzuoft böswilligen – Verdrehungen beizukommen, sei ebenfalls (jedenfalls!) zentrales Konstitutivum. Der Gestehungsprozess gliedert sich – unterbrochen von sich selbst verordnenden Gärphasen – so: Einer unbestimmten Zeit des Materialsammelns folgt die Destillation in ein (viel zu dickes) Manuskript mit musikalisch-szenischen Gedanken und Handlungsanweisungen. Damit sie keine feste Idee entwickeln, wie sie etwas umsetzen wollen, gelangt dieses Materialbergwerk recht spät zu den Ausführenden. Schließlich wird Alles in einer pragmatischerweise recht knapp bemessenen Probenzeit so gestaltet, wie es in eben genau dieser Konstellation hic et nunc von uns zusammengesetzt und gespielt werden will. Die Ins-Werk-Setzung ist somit gemeinsame Tat (poesis), kreatives Tun (logos) aller am Geschehen Beteiligten: Jede/r bietet das je Eigene an, wertschätzende Interaktionen fördern je Ungeahntes gleichwie Ungekanntes zutage. Letztverantwortlich sind kollegial die über die Außenperspektive verfügende Regisseurin und ich selbst, mit meinem Skriptum Anstoß gebender ›Spielertrainer‹, als primus inter pares. Verteilt im Haus werden Aktionen gesetzt, die sich (wie auch immer) auf eine konkret ausgestellte literarisch-ästhetische Situation beziehen, sie kommentieren, konterkarieren, (…). Gleichzeitig verteilte Performances interagieren, ein mal anwachsendes, mal sich vereinzelndes Pulsieren, Atmen, Reden. Dem Kollektiv im kontrastierend neutralen Vortragssaal kommt gesonderte Bedeutung zu, nicht zuletzt, weil es ein wesentliches humanes Konstitutivum ist, dass wir das gemeinsame Erleben gemeinsam erleben. Musiklaboratorium bedeutet staunendes, wie naives Herangehen an ein Thema mit musikalischen Mitteln. Diese ufern eo ipso aus ins Szenische: ist es doch nichts anderes als eine vivisectio coram publico. Wobei die Probandin – »Halb Worte sind’s, halb Melodie« – tunlichst überleben soll. Wird. Punctum!
(Antragssprosa)
Das LOGORATORIUM ist meine bislang größte Produktion1. Ich durfte mich zurecht auf die so viel mehr als von mir Ersonnenes zutage fördernde Arbeit mit meinem indertat wunderbaren Team freuen. Dass es umgesetzt werden konnte, verdanken wir den ermöglichenden Partnern Wien Modern und Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, sowie den Fördergebern bei2 SKE, Stadt Wien, Bund/BMKOES, Land OÖ. Und – sofern sie sich zeigen3 – den Menschen dahinter. Dafür wiederum habe ich etliche Anträge und Projektbeschreibungen verfasst und eingereicht4, man nennt das die Graue Antragsliteratur. Diese und auch die nicht minder anthrazitene Förderbescheidlyrik haben als Prolog Eingang ins Werk gefunden. Ich habe ihn ›Förderschacht‹ genannt, er wurde stimmigerweise im spindelartigen Treppenhaus nachgerade zelebriert. Dabei gilt generell:
Allmählich wird mir dieser ewigwährende Zyklus ein wenig leid, wozu verschiedene Faktoren, deren Urheber ich in diesem Zusammenhang, um mich keinen Unannehmlichkeiten, deren Folgen, die in Kauf zu nehmen ich, der ich gern Frieden halte, gezwungen wäre, nicht absehbar wären, auszusetzen, nicht nennen möchte, beitragen.
Wolfgang Hildesheimer, ›Mitteilungen an Max‹
Heinz Rögl notiert5auf mica.at:
Im Treppenhaus und in den in drei Stockwerken gelegenen Räumen des Literaturmuseums in der Johannesgasse konnte man am Donnerstag, 18. und am Freitag, 19. November in der szenischen Einrichtung von Leonora Scheib drei Vorstellungen eines »Stationentheaters« von Bertl Mütter besuchen: Das »Logoratorium« (oder auch Musiklaboratorium) für drei Musiker*innen und zwei Sänger*innen wurde zu einem tollen, sehr vergnüglichen Event. Unter der Leitung des »Spielertrainers« und wunderbaren Posaunisten Bertl Mütter, der während der Performance auch Zitate aus der »Winterreise« oder auch dem »Jäger aus Kurpfalz« zu improvisieren vermochte, reichten das Gesangsduo Matthias Helm und Ursula Langmayr (Bariton, Sopran), der Klarinettist Heinz-Peter Linshalm und Tina Žerdin (Harfe) einander die Klinke (oder Treppenstufe). Da gab es eine Treppenprozession auf der Stiege, einen »Förderschacht« (Tutti – »Vor aller Kultur ist ihre Förderung«), Hüttenbrennereien (am Ort des Anselm Hüttenbrenner, siehe auch Schubert für arpa con supporto (»Aber sprich nur ein Wort, sonst bist du gesund«)), »Abzweigungen« zur Sonderausstellung »Stefan Zweig: Weltautor« mit Posaunensoli (»Ein Wanderer am Abgrund zwischen Wien-Alsergrund, Liechtenstein und Brasilien«), »Sanftpizzlwossa« (auch auf Klarinetten »schwelgen Adalbert Stifter und Thomas Bernhard, jeder auf seine Weise. Weiser Vermittler: Gert Jonke. Ihm verdanken wir so viel ›vernichtend schöne Musik‹«, »Verborte« (»in Verneigung vor Ervín Schulhoff und seiner Sonata Erotica«, Tutti + Solo-Muttertrompete). Und vieles andere, nicht zu vergessen »Der Schacht von Babel« (»Wenn der Turm von Babel zur Sprachverwirrung geführt hat, kommen wir nur grabend zurück zur All-Einen Sprache. Wir sprechen sie dann alle. Aber keiner versteht sie mehr.«)
Ich widme das LOGORATORIUM meinem Vater Edmund MÜTTER6. Seine auch in der Demenz bis zuletzt intakte Freude an absurden Reimen, Wortspielen und gepflegtem Nonsens (etwas, das man bei vordergründig wenig gebildeten Menschen selten nur antrifft) war und ist mir subkutan-osmotischer Quell und beständige Ermutigung, meinen eigenen Irrsinnigkeiten fröhlich nachzugehen. Was ihm nicht gewährt war und wurde, darf ich in übersteigernder Fortführung (und auch einer gewissen theoretischen Unterfütterung – auf die es aber in der Essenz niemals ankommen darf!) weiterführen und -schenken.
Wir sind immer den Menschen im Wort. Um nichts anderes geht es.
LOGORATORIUM – Die zum durchaus vergnüglichen Lesen taugliche Partitur als .pdf-Dokument.
- … und so soll es ja bitte sein, dass die jeweils neueste die Größer Aller Zeiten (GAZ) sei. Plus ultra!
- (in der Reihenfolge der Zusage)
- (nicht alle Institutionen schaffen das)
- Ein ans Sadomasochistische grenzendes Unterwerfungsritual
- Offensichtliche Flüchtigkeitsfehler wurden korrigiert.
- 24.1.1935–16.11.2022 (Er verstarb am Vorabend der Generalprobe.)
- Generell gilt:
Jede Aufführung dieses Werks ist mittels Einzelprogramm der zuständigen Urheberrechtsgesellschaft (AKM, GEMA etc.) anzuzeigen (keine Sammelprogramme).
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