Weihnachtskartell

1. Dezember 2004

Es muss in der dritten oder vierten Klasse Volksschule Am Plenklberg gewesen sein (sicher bei Frau Kautz), da haben wir ein sehr eindrucksvoll gemaltes Bild der Türken vor Wien 1683 zu sehen bekommen. Abenteuerliche Schnurrbärte hatten die und dunkelrote Kegelstümpfe als Kopfbedeckung. Dazu die hohen Feldherrnzelte und Kanonen allüberall, sehr beeindruckend.
Natürlich war mir klar, dass das nach einem Durchschuss mit hellerem Ziegel wieder geschlossene Loch im östlichen Schlot der Steyr-Werke nur von diesen Kämpfen stammen konnte.
Wie ich später erfahren sollte, war das auch das Gründungsjahr der Stadtkapelle Steyr gewesen. Beim Festkonzert zum 300. Jubiläum war ich im Stadttheater mit dem Tenorhorn dabei. Da bin ich knapp vor der Matura gestanden und war bereits einmal in Amerika gewesen, natürlich mit der Musik, in Kettering, unserer so aufregenden Sister City im so bedeutenden battleground state Ohio, nie wieder habe ich so dünnes Bier getrunken, keinen Effekt außer Luluverdünnung hatte das bei uns Jungstarken, während die beiden Söhne (17 bzw. 23) unserer viel zu netten Gastgeber schon nach einer Dose glasige Augen bekamen, was uns in unserer europäischen Überlegenheit bestätigte.
Mittlerweile hat ja Steyr ein beinahe den gesamten Weltball umarmendes Netz von Partnerstädten. Die tiefe Freundschaft zu Plauen, DDR (Neutralität im Kalten Krieg) gab es parallel zu den amerikanischen Freunden. Später kamen nur mehr wirklich logische Städte dazu, zuerst Eisenerz, das liegt wirklich nahe.
Dann aber besann sich Steyr endlich seiner wahren Wurzeln als Christkindlstadt. Was lag also näher, als Bethlehem einzugemeinden? Und – hohoo – schon wird zum nächsten Schlag ausgeholt. Das Amtsblatt der Stadt Steyr berichtet, dass endlich auch Rovaniemi im schönen Finnland, Heimatort des Herrn Santa Claus, Steyr zugeschlagen werden soll.
Damit werden wir in Sachen Weihnachtkompetenz endgültig unschlagbar. Es kommt mir so vor, wie wenn ein Konzern den anderen aufkauft, und dieser neue Konzern kauft dann noch einen anderen dazu, bis schließlich ein Großkartell den Weltmarkt umfassend beherrscht. In Weihnachtssachen ist das jetzt meine wirklich sehr hübsche Heimatstadt. Voll Stolz bin ich gespannt, wie es weiter geht. Kommt das hochsommerliche Weihnachtsmanntreffen in Australien als nächstes dran?
(Aber Fosters – fuckin‘ close to water – werde ich freiwillig keines trinken.)