Jahr: 2006

Spirale

Jeden Samstag, wenn die Zeitungen gratis waren und er sich (er zahlte stets freiwillig einen die vielen Diebstähle ausgleichenden Betrag) mit weißen und rosafarbenen sog. Qualitätszeitungen eindeckte, brauchte er noch kürzer zum Durchblättern der tageswichtigen Informationen und das Wochenende zu überdauern vorgebenden Feuilleton-Beilagen, immer kürzer, es stand immer das gleiche drinnen, nur die genauen Zahlen und die Orte variierten, wie sich ja auch die Welt drehte, alles war diesem immergleichen Spiel unterworfen, der eine war beleidigt, weil er beleidigt sein wollte, der andere frech, weil er ein schneidiger Bursch sein wollte, woanders wurde ein neuer Rekord erzielt (warum werden eigentlich keine alten Rekorde aufgestellt?), alles war so vorhersehbar und würde ihn bald schon nicht einmal mehr nicht interessieren.
Ob diese – nicht nur – Jahresendgedanken ein Zeichen von Pessimismus waren? Zweifellos bedeutete sein Sich-Ersparen, informiert sein zu müssen (mit dem, was man halt für wichtig halten musste), dass er Zeit und Aufnahmefähigkeit (heute sagt man: Speicherplatz) für Wichtiges, zumal Angenehmeres hatte. Optimistisch gedacht.
Nun ja, haben könnte.
Faktisch.

versch(r)oben

Annähernd achtzig Jahre müsste man werden, dann dürfe man Weihnachten vergessen, stellte er sich vor, als sie ihm von der Küchenoma erzählten (eigentlich war sie eine Großtante, aber die Kinder nahmen, wen sie bekommen konnten; die andere, despotischere, hatten sie, genauso treffend, Fernsehoma genannt), die bei der Nichten-und Neffenkonvention am 22. Dezember in jener Pizzeria starke Zweifel äußerte, dass Weihnachten vor der Tür stehe, neinnein, Weihnachten sei bestimmt schon vor zwei Wochen gewesen, und wenn es übermorgen wäre, das stünde ja in der Zeitung, odernicht?
Beiden Argumenten konnte er einiges abgewinnen, und so freute er sich auf sein eigenes hohes Alter, das würde noch manchen Spaß geben. Zumindest was Weihnachten betraf.

Geflügel

Völlig fassungslos indes war er, als er bemerkte, dass sich jenes Reise-Studio Ikarus den Untertitel Dodo-Tours gegeben hatte.

Dodo © Harri Kallio

Umgekehrt: Wenn es damals bei Ikarus mit einem Absturz geendet hatte, so bestand beim Wappenvogel Dodo keinerlei Gefahr: Die Dronte, die dereinst auf Rà©union und Mauritius lebte, verfügte bei einer Größe von etwa einem Meter (und einem Gewicht von gut zwanzig Kilo) nur über Stummelflügelchen, wozu auch, sie wollte ja nicht weg (auch das erschien ihm nicht gerade vorteilhaft für ein Reisebüro), Feinde hatte sie keine und zu Essen gab es am Boden genug. Irgendwann wurden auch die Maskarenen entdeckt, man brachte Ratten und Schweine mit, denen schmeckten die Eier, und die Hunde und natürlich die Matrosen freuten sich über das gutmütig-tollpatschige und also leicht zu fangende Viech, frisches Fleisch für unterwegs, Mahlzeit. Bereits hundert Jahre vor Mozarts Tod war es mit der letzten ihrer Art vorbei, dead as a dodo sagt der Brite.
Dass so ein Reisebüro nicht auch ausstirbt muss an ein Wunder grenzen, stellte er sich vor.

NB: Schauen Sie sich das bezaubernde Dodo-Projekt auf der Homepage des finnischen Photographen und Bildhauers Harri Kallio an.

Der Sonne entgegen

Das Flugticket, mit dem sie von ihrem zeitarmen Vater um die halbe Welt verschickt wurden, war bei einem Reise-Studio Ikarus bestellt worden. Vermutlich kannte er nur den unfallfreien ersten Teil der Geschichte, entweder er war vor dem Umblättern eingeschlafen oder, wahrscheinlicher, er hatte in der Schule aufgezeigt, kann ich aufs Klo?, und konnte sich so eine absturzlose Mythologie bewahren.
Oder aber, und das wäre schließlich am plausibelsten, es war ihm gar nichts aufgefallen, und wäre es ihm aufgefallen, er hätte nichts Auffälliges bemerkt, wasdennauch?
Das Flugzeug setzte überpünktlich in der Neuen Welt auf.

nunc dimittis

Großväterlich stolz schwärmte noch knapp vor seinem Tod der Mittererbauer von der Tüchtigkeit seiner Enkelin, Zahntechnikerin ist sie geworden, die beste des Landes, meine Monika, und der Landeshauptmann Pröll lässt sich seine Zähne nur von ihr machen, von keinem sonst.

Ich stelle mir vor, der zahngeplagt-schlaflose König schickt seine Herolde aus, in die entlegensten Provinzen ritten sie mit dem Auftrag: Man forsche und bringe mir den Besten im Lande, auf dass er mir gute Zähne verfertige. Reich soll sein Lohn sein und die Hand meiner Tochter sei ihm versprochen. Versagt er aber, so sei sein Leben verwirkt! Und, kaum ausgesprochen, ertönte allüberall der Ruf auf den Marktplätzen seines schmucken Ländchens. Bald schon brachten sie einen nach dem anderen daher, die Beißer des Herrn aber missrieten allesamt für und für, und viele legten darob ihr Haupt auf den Block des Henkers. Da ereilte den König die Kunde, dass im entferntesten Winkel des Reiches, fast schon Ob der Enns ein junger Knabe gefunden war, von dem man sich gar wunderlich Dinge erzählte, die Bader schworen Eide auf seine Zähne, und so erging der Ruf an ihn, er nahm Maß, und der König genas. Alsbald sollte also Hochzeit gefeiert werden, doch wie sehr staunte der Hofstaat, als sich der wackere Handwerker als gar treffliche Jungfrau herausstellte!
Fortan aber durften auch Weiber in die Zunft der Zahntechniker aufgenommen werden, und jene Monika ward die erste und vornehmste unter ihnen, und sie wurde reich beschenkt. Seither verging keine Gebisskorrektur des Königs mehr, ohne dass nicht sieselbst die neuen Zähne vermessen und angepasst hätte.

So starb der Mittererbauer nach einem arbeitsreichen Leben in Zufriedenheit.

Das ist doch auch eine Weihnachtsgeschichte, oder?
(Wenngleich es – siehe die Überschrift – eine die Weihnachtszeit abschließende wäre, der greise Simeon kommt ja erst zu Lichtmess – vierzig Tage nach Weihnachten, MariঠReinigung, Darstellung des Herrn – dran und darf zufrieden sterben, da er das Jesukindlein erblicken durfte, wie ihm verheißen war, aber wer hätte schon etwas dagegen, auf den 2. Februar vorzuspringen, die Tage wären auch schon heller und Ostern wäre nicht mehr weit, mitten im kalten Winter, also ich ganz bestimmt nicht.)

Weihnachtswunder (twimc)

Manche Menschen scheinen nicht zu altern, Gerald G. (genannt Gmachi) aber hat dies mitsamt seinem Fahrrad seit der Mittelschule, deren Zeit jedenfalls weit in seiner ersten Lebenshälfte liegt, völlig unterlassen. Immer noch sieht er so jungenhaft-unangekommen-auf-der-Welt aus wie Rüdiger Vogler in Im Lauf der Zeit und anderen frühen Wenders-Filmen.
Im Gymnasium wurde damals seine Mutter in die Schule zitiert (oder haben sie überhaupt eine Klassenkonferenz einberufen?), weil der längliche Bub auch im Winter mit dem Ruderleiberl unterwegs war und kurze Hosen anhatte. Sie konnte das besorgte pädagogische Aufsichtsorgan beruhigen und musste es zugleich beunruhigen, als sie glaubhaft versicherte, der Knabe kenne keine Kälteempfindung, es sei ihm auch im Winter heiß, und was solle sie da machen? (Natürlich hatte er seine Blasenentzündungen, aber wenigstens musste er nicht schwitzen.)
Jetzt das Weihnachtswunder: 23. Dezember 2006, Christkindlstadt Steyr, Kirchengasse, vor der vormaligen Weihnachtserlebniswelt (gegenwärtig: Krippenausstellung, auch am Hl. Abend geöffnet): Bergauf tretend, unverkennbar, Gmachi, mit Handschuhen und Anorak! Fehlte nur noch, dass er eine Haube aufgehabt hätte.

Der Klimawandel funktioniert doch komplizierter, als wir uns das vorstellen.

Weihnachtsvokabel

Ein weiteres, zeitgenössischeres Wort (vgl. waggerln), welches die unerträglich-ungustiöse Art, eine selbstzufrieden-biedermeierlich-larmoyante Heimeligkeit bei gleichzeitigem bescheiden vor sich herschreiendem, volksbildnerisch sich gebendem Gezetere (und jetzt stellen Sie sich vor, liebe Hörerinnen und Hörer, es war natürlich keiner so ein wilder Bursch wie wir damals) rücksichtslos auf weihnachtlich-wehrloseÖsterreicher (noch dazu das ganze Jahr über) zu verströmen ausdrückt, könnte köhlmeiern sein, dachte er sich, bevor er um 18.00 das Radio ausmachte.

Elbasan®

Elbasan ist keine Salbe für Patienten vorgerückten Alters (des Kreiz, de Haaxn), das aus nur in Elba abgebauten Salzen hergestellt wird (sauteuer, aber es wirkt).
Mein heutiger Text hat aber sehrwohl mit der Gesundheit zu tun. Konkret geht es darum, dass die Menschen, um die es sich dreht, die Chance erhalten, überhaupt einmal später (sehr später) auch Patienten vorgerückten Alters werden zu können. Sie würden es nämlich nicht erleben (nicht annähernd), wenn ihnen nicht geholfen würde.
Die Allianz für Kinder (erinnern Sie sich?) betreut Kinder, die an in ihren Ländern kaum oder gar nicht behandelbaren Krankheiten leiden, bringt sie nachÖsterreich, wo sie (oft in mehreren Etappen) behandelt werden, sodass sie schließlich daheim als normal gesunde Menschen aufwachsen können.
Elbasan ist eine Stadt in Mittelalbanien. Zum Beispiel dort wird geholfen.
Nehmen Sie sich die Zeit (es sind keine vier Minuten), die beeindruckende, erfreulich unsentimentale und umso berührendere Tonbildschau von Christof Zachl anzusehen. Klicken Sie dazu auf das Bild:

twimc (to whom it may concern):

Frohe Weihnachten

edel, hilfreich und gut

Wir befinden uns unmittelbar vor der Peripetie einer allenthalben zur Schau gestellten Humanität, des angepunschten Gerührtseins über die eigene Warmherzigkeit.
Heute wird wieder ein Kind ein in Bethlehem angezündetes Licht ins Fernsehen bringen, darum muss es korrekt (und vermutlich markenrechtlich geschützt) ORF-Friedenslicht heißen, der ORF ist nämlich als Weihnachtsbrauchtumsträger ersten Ranges zuvorderst zu nennen, und vergessenS‘ mir nicht das Logo, ja?, schließlich ist ja die Botschaft WIR WIR WIR helfen. Wem? Na den armen armen Kindern, und haben Sie meine spontane Rührungsträne schön im Bild, ja?
Bitte dann aber wirklich wieder einmal eine Ruhe geben, schließlich, man wird nicht müde es zu betonen, sich selbst vorzulügen, ist ganzÖsterreich Spendenweltmeister, nur die Schifahrer (na gut, dzt., die Schifahrerinnen) sind noch besser.
Also (schispringerischer ausgedrückt) keinesfalls den Absprung verpassen. Rührseligkeit als Ansehensanlauf. Ziiiiiiieeeeeehhhhh!

zerspragelt

Merkwürdige Zwischenzeit nach der Sonnwende (zutreffender wäre Schattwende), es geht (angeblich) lichtmäßig aufwärts, ist aber noch vor Weihnachten, und das Jahr tut es auch nicht mehr wirklich lang, Entspannung kollidiert mit allerhöchster Verdichtung, das geht über in diese Dösphase vor Silvester, aber dann aber warte nur, warte nur, balde ruhest du auch.
Quer aber über diesen verzogenen Rahmen gespannt kommt dann auch noch die Vierschanzentournee.
Darauf
freue ich mich, in meiner Erinnerung.

Tromsà¸

Superlativisches:
Etwas kleiner als das Mühlviertel, ist T. die flächenmäßig größte Gemeinde Europas.
Noch zwei Superlative: T. beherbergt die nördlichste Brauerei der Welt, sowie die nördlichste Universität (was wäre auch eine Uni ohne Bier?).
Es gibt etliche aufschlussreiche webcams, z.B.:
Tromsภ(ein Standbild, laufend aktualisert)
(Dieser Tage eher zwischen 10.00 und 13.00 Uhr ergiebig; im Sommer: rund um die Uhr)

Wenn Herr Klaus Santa vom finnischen Polarkreis anzureisen pflegt (Rovaniemi) – obwohl, irgendwo stand geschrieben, er komme überhaupt vom Nordpol -, so liegt T. noch einmal 300 km weiter im Norden (als R., nicht als N.). Dafür ist es dort (in T.) relativ warm, und das kommt vom Golfstrom.

Womit wir, beträchtlich gebildeter, auch diese Wintersonnwende geschafft hätten.

(morgen: heller; oder ganz etwas anderes)

sofort

Früher war ja in der Taubstummengasse, auf durchunddurch neutralem Boden, das Fernsprechamt. Mittlerweile befindet sich im gleichen Gebäude das Amt für Gleichbehandlung.
Ich stelle mir vor, dass eine Gerechtigkeit suchende Partei, wenn sie erwartungsvoll den Warteraum betritt, zuallererst ein Schild an der Tür der Amtsperson vorfindet, auf dem steht: Bitte warten, komme gleich.

satisfaction

Diese gestern hier erwähnte rechtlich gedeckte Hinrichtungs- bzw. (Canetti, schau – woher bitte? – owa!) Überlebens-Schadenfreude (ein vereinfachender Begriff) wird einem hierzulande gerade einmal beim in Städten so beliebten Falschparkerabschlepptheater geboten.
3. Juli 2004, Vorabend des independence day: Das in der Rotenturmstraße vollzogene Ritual erinnert mich unmittelbar an Berichte aus St. Quentin oder anderen Todestrakten. Schritt um Schritt, du weißt, wie es ausgeht, aber du bleibst, kannst nicht wegschauen, ein gnädiges Schicksal hat dich zum Zeugen bestimmt, der Henker, ein Mechanikertyp wie Du und ich, kommt, nimmt behäbig Maß, Gurte werden angebracht, ein Rucken und von einem durch die Menge gehenden Raunen begleitet schwebt das Auto des Bösen auf die Ladefläche der Gerechtigkeit, der Abschleppwagen setzt sich unmittelbar darauf in Bewegung Richtung Simmering Ost, dort, unweit des Zentralfriedhofs befindet sich der kostenpflichtige Parkplatz der Gesetzlosen.
Jetzt können die Fiaker wieder weiter. Hat einer amerikanisch geredet? Ich weiß es nicht.
Wenn Sie zu so einem Schauspiel zurechtkommen, gehen Sie nicht weiter, hier gibt es wirklich was zu sehen! Beobachten Sie dieses süffisant grinsende Spontanpublikum. Und: Vergessen Sie nicht, sich selbst zu beobachten.
Und wenn Sie wollen, können Sie nachher immer noch ungebrochen an das grundsätzlich Gute im Menschen glauben. Ich, für mein Teil, bemühe mich weiter. Ist ja auch bald Weihnachten.

genug

(ausnahmsweise dem täglichen Medientheater entnommen)

In Florida hat man einen Delinquenten unabsichtlich gequält. Das aus humanitären Gründen verabreichte Schmerzmittel hatte aufgrund einer stümperhaft gesetzten Injektion versagt. Um derartige Pannen fürderhin zu vermeiden, lässt man die anderen Todeskandidaten vorerst ein bisschen länger warten, hat man beschlossen; so ist in jedem Fall gewährleistet, dass sie auf menschliche Art und Weise umgebracht werden können, wir sind ja keine Barbaren.
Die liebevolle Detailtreue, mit der unsere Medien vom Todeskampf dieses zumindest doppelt Unglücklichen berichtet haben (34 Minuten Todeskampf, unbeschreibliche Schmerzen – die man sich bemühte, uns anschaulich zu vermitteln: als würden einem die Hände abbrennen), zeigt wieder einmal wie sehr wir dankbar sein sollen, dass es die USA (zumindest jene 37 Bundesstaaten, in denen Recht noch Recht ist) gibt, ermöglichen sie doch stellvertretend für alle Länder, in denen staatlich veranstaltete Lynchjustiz leider nicht mehr mit den humanen Grundrechten in Einklang zu bringen ist, vermittelst weltweit verbreiteter und multiplizierter Berichterstattung diese Anteilnahme, Gelegenheit, Genugtuung zu erfahren, ahh, das schaudert aber angenehm.

(morgen: bei uns)

plus

Am nächsten Tag dann stand das Glück wieder auf seiner Seite. Im Postkasten hatte er den Geburtstagsgutschein einer nach einem sonnennahen Planeten benannten Lebensmittelhandelskette vorgefunden, dabei hatte er doch erst im Juli gefeiert, sowas. Es wurde ihm in Aussicht gestellt, beim nächsten Mal einen Rabatt von 10 Prozent von der Gesamtsumme seines Einkaufs abgezogen zu bekommen.
So gesehen lag es an ihm, sich wieder ins Plus zu konsumieren.
Oder anders: Zehn Rolls Royce zum Preis von neun! – Was Sie sich da ersparen!

Jo-Jo-Tag

Dienstag war es, und es sollte materiell ein Hoch-Tief-Tag werden.
Zuerst der vorweihnachtlich-übl(ich)e Geschenksbeutezug durch die, wie sagt man mittlerweile: Sitti. Viel zu gut war er aufgelegt, und das freute den Handel über alle Maßen; unvorsichtigerweise hatte er auch noch durch das Schaufenster seines Hutgeschäftes zurückgewunken, was ihm letztlich teuer zu stehen kam, der neue Hut ist es aber schon wert, man gönnt sich ja sonst nichts (sagt man auch). Voller Packerln kam er nach Hause, hatte gönnerhaft Kreditkartenautogramme verteilt und PIN-Codes in Bezahlterminals getippt, diese vier immergleichen Ziffern (die hier nicht verraten werden können).
Daheim dann die Post, es wurden einlangende Zahlungen angekündigt. Zufrieden stellte er fest, dass sie etwa 150 Prozent seiner eben getätigten Ausgaben ausmachen würden.
Derart unbeschwert fuhr er am Abend zu seinem Freund, den Zahnarzt, Halbjahresservice. Eine Füllung wurde gleich gemacht, reine Routine. Jetzt noch schnell das Röntgen, kurz warten, bis die Knochenbilder fertig sind, wir besprechen das dann gleich.
O-o. Trotz Freundschaftspreis minus 250 Prozent, mindestens, im Februar würden sie sich für drei Sitzungen wieder sehen; schöne Feiertäg bis dahin.
Leider bot ihm dieser Tag kein viertes materielles Erlebnis, jo,jo.
Immerhin, tröstete er sich, ab März würde sein Lächeln güldener.

Jo-Jo

(Ausnahmsweise ein Zitat aus Wikipedia)

Das oder der Yo-Yo, im Deutschen häufig auch Jo-Jo genannt, gilt als zweitältestes Spielzeug der Welt.
Da ich nicht weitergelesen habe, habe ich mir vorgestellt, das älteste Spielzeug der Welt müsse demnach das oder der Yo, im Deutschen häufig auch Jo genannt, sein.
Ist es aber nicht. Es ist die Puppe.

(morgen: Der Jo-Jo-Tag)

Kennzeichen

Warum erkennt man den Tontechniker, pardon: Bühnenmeister (meist geprüft) aus hundert Menschen zweifelsfrei heraus? Liegt es an den grauschwarzen langen glatten, hinten mit einem Gummiringerl zusammengebundenen Haaren, an der dioptriengesättigten Brille (angekettet), am Schmerbäucherl / Wamperl (dazu abgewetzte weite Jeans, schwarzgrau wie die Haare), am (zweifellos praktischen) Leatherman, an der Tschik, die prinzipiell auf der Bühne, quasi zur Begrüßung angezündet wird?

(Um es klar auszudrücken: Ich mag das alles, es vermittelt Heimeligkeit, Branchennestwärme; naja, ohne Tschik ginge es auch.)

ostinato

Aus Pirmasens sei er, der deutschen Schuhmetropole, und heute sei sein erster Diensttag (hoho, an einem Freitag), den Job hier in Tirol habe er über Ausschreibung im Internet gefunden und tatsächlich die Stelle erhalten, unglaublich, und er sei stolz, dürfe stolz sein in der Tat, der erste voll ausgebildete Bühnenmeister mit Abschluss inÖsterreich zu sein, heute Dienstantritt, er wollte nach Jahren einfach weg aus Primasens, dieser Schuhmetropole, da ist Tirol gerade recht gekommen, dass er die Stelle bekommen würde, damit habe er als geprüfter Bühnenmeister schon spekulieren dürfen, schließlich habe er sich als offenbar bestqualifizierter durchsetzten können, müssen, der erste inÖsterreich an diesem ersten Dezember, was?, bloß zwo Mikrophone, nur zum Reden, naja, das kriegen wir schon hin, war’n ja schon alle bei mir, aber der Shepp, der war vielleicht zugedröhnt und hat aber toll gespielt, naja, am Mikrophon vorbei, aber einen Sound hat er schon gehabt, ja, Pirmasens, Schuhhauptstadt, (…)

(Mein Partnerstadtvorschlag, zur Güte: Taufkirchen an der Pram)

Wurscht

Wurststand an Wurststand, überall Wurststände. Kiel, Wurststadt. Die weihnachtshandwerklichen Produkte auf der Holstenstraße sind Nebenerwerb, nichts als Vorwand. Es geht um die Wurst.
Da er ans Meer gekommen war, hatte er sich auf Fisch eingestellt. – Fisch wollen Sie essen, Sie wollen Fisch essen? Nee, können Sie vergessen, bei uns gibt’s keinen Fisch.
Umgekehrt, welche Topographie brachte eigentlich keine Würste hervor, dachte er sich, stellte er sich vor.
Das Hotelfrühstück dann war sehr reichhaltig und gut. Bloß der Räucherlachs war ausgegangen. Fischlos verließen sie den Norden.
Immerhin, Spiegelei gab es.

Bespiegelungen

Was wollen Sie? Spie-gel-ei? (…) Moment.
Tuscheln mit dem gleichrangigen, diensterfahreneren Kollegen. Ernste Mienen. Aber man ist dran an der Beilegung des Problems, wurde ihm geflissentlich vermittelt. … Rücksprache mit der Frühstückschefin. Bereits nach etwa einer halben Minute signalisiert die die Anspannung auflösende Körperhaltung aller drei, dass dem, wie es scheint, so noch nicht dagewesenen Gästewunsch möglicherweise näher getreten werden könne, man müsse nur noch eine Expertenmeinung einholen. Also wird der Koch befragt, der zu erkennen gibt, dass er sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt.
Jetzt geht alles flink, und keine zwanzig Minuten später ist das gelbweiße Spiegelei (zwo Stück) serviert, danke vielmals.
Draußen geht die Sonne auf. Es ist spät.

Zuverdienst

Duschtester, jawohl, das wäre was. Er würde Guten Tag sagen, dabei seinen mit den neuesten Sicherheitsmerkmalen versehenen Dienstausweis in Kreditkartengröße aus dem Sakko blinken lassen, darf ich mal Ihre Dusche sehen?
Duschinspektor, so ein Beruf ließ sich im Nebenerwerb ausüben. Und er würde sauber bleiben.

lebenspendend

In Kiel dann war sie, nach genauem Studium, schließlich doch noch so, wie er es liebte, mit festem, gerade nicht schmerzendem Strahl. Die Wassertropfen perlten die vorbildlich gereinigte, durchsichtige Acrylwand hinab, wie Spermien im Mikroskop, faszinierend. Zufrieden konnte er den vorgewärmten Fliesenboden betreten und einen guten Tag beginnen.

(übermorgen: mehr zum Frühstück)

Duschkopfüberforderung

Ein Hotel aber überforderte ihn mit seiner Brause: Das badtechnische Wunderding hatte derart viele (sicher noch weit mehr, ungeahnte) Programme, dass es ihm recht gewesen wäre, man hätte ihm eine charmante Assistentin zur Einschulung beigestellt.
So liberal aber schien man selbst im skandinaviennahen Kiel oben nicht zu sein.

Duschindizien

Ob die Ausstattung der Dusche ein Hinweis auf das Selbstverständnis einer Zivilisation sei, Aufschluss gebe, wieviel individuellen Gestaltungs- und Bewegungsraum man seinen Bürgern zugestehe und seinen Gästen – durchaus auch in erzieherischer Absicht – gewähre? Auf dieser Reise, die sich auf – allerdings recht weit entfernte – Regionen des deutschen Sprachraums beschränkte, bekam er es jedenfalls mit einer breiten Duschvarietät zu tun, nicht immer ein feuchter Spaß.
Da gab es Brausen, deren Schlauch war so kurz, dass sich Menschen über 1,70m gefährlich bücken mussten, wollten sie sich den Oberkörper, den Kopf gar duschen; beim Aufrichten lauerten die Armaturen dem Hinterkopf auf. Besonders perfide erschien ihm auch der Umstand, dass der Schlauch jedesmal abknickte, wenn er sich strecken wollte und drohte, aus dem Einhandmischer hervor zu platzen.
(Von der Beschaffenheit des Wasserstrahls war hier schon früher die Rede.)
(morgen: die Duschkopfüberforderung)

billig

Die NEUE – Zeitung für Tirol verspricht die ganze Wahrheit für 50 Cent.
Das gefiel ihm. Wenn er bedachte, wie viele Menschen in seinem Land sich gerne (und lieber) mit fünfzig Prozent von ihr zufrieden geben wollten, reduzierte das doch den Preis dessen, was man wissen wollen musste, auf ein noch attraktiveres Maß. Was ihn zudem beschäftigte war die Frage, ob die NEUE, die auf der Straße in praktischen Selbstbedienungsbeuteln angeboten wurde, auch über Abonnenten verfüge und wie teuer ihn denn dann ein Exemplar täglich neuer und also wechselnder Wahrheit zu stehen kommen würde; wäre der Preis günstig, er würde ernsthaft eine solche Bindung erwägen.
Vorerst aber würde er einmal das Testabo anfordern, selbstverständlich völlig unverbindlich, wirklich wahr.

kalorienfrei

Um dreiviertel zehn erst war er aufgewacht, schnellschnell duschen, das Frühstück noch erwischen. Die Stube fand er leer, nur auf einem Tisch war ein Korb mit Semmeln, davor ein dicker Porzellanteller mit dem, was er das österreichische Gastronomiefrühstück nachÖNORM (1971) nannte: einpapierlter Butterquader, Plastikhonig, Plastikmarmelade, Leberaufstrich in Aluminium. Gleich würde die hornhäutige Wirtin mit dem Zuspätblick die Teekanne herstellen, die man nur mit einem Topfhandschuh anfassen konnte, weil das Wasser zuallererst den Griff aufgeheizt hatte, was zur Folge hatte, dass der ausgerauchte Teefixsackerltee (Assam Ceylon Blend) bestenfalls lauwarm war.
Guten Morgen, rief er ohne weitere Erwartung ins Leere, morgen, echote ein Gast hinter seinem zweiten Bier, sonst herrschte Ruhe. Er drehte noch eine Runde im Saal und schritt dann wieder zügig zur Treppe, nur rasch zurück ins Zimmer und, jawohl, es war genug Bewegung, der Verdauungsapparat war angeworfen, der Frühstückszweck erfüllt; andere, dachte er, müssen, um gesellschaftsfähig zu werden, jeden Tag eine Stunde früher aufstehen, umständlich starken Kaffee trinken und drei Zigaretten rauchen, alles auf den lichten Magen. So gesehen war ihm dieÖNORM 1971 ein ausreichend erleichternder Segen, stellte er sich vor.

spin-off

Der Geschäftsführer war derart vernarrt in seine mitlenkenden Scheinwerfer, dass er sich gar nicht mehr einkriegen wollte.
So war das also mit der Beugung des Lichts zu verstehen, dachte er sich, beifahrend um die Kurve lugend.
Sonst, rundherum, Nacht.

Abriss

Anfang Dezember war es Zeit, sich den Taschenkalender für das nächste Jahr zu sichern. Dazu war es mittlerweile sein privater Brauch geworden, dass er jedes Jahr in eine geschützte Buchbinderwerkstätte fuhr, um sich dort sein dezent kreativ gestaltetes Exemplar auszusuchen, im Inneren gewährleisteten die immergleichen Einlageseiten mit dem Lesebändchen größtmögliche Kontinuität, sodass alles zusammen ihm eine Art Segen für die Zukunft versprechen mochte, und wer will das nicht.
Jetzt hatte sich aber eine Kleinigkeit verändert: Das – zugekauften – eigentliche Kalendarium verfügte plötzlich über ein perforiertes Eck, sodass man, war eine Woche vorbei, durch sein Heraustrennen beim Durchblättern mit dem Daumen stets zur aktuellen Woche finden konnte, sehr praktisch, wie es schien, und sicherlich mehrheitlich gutgeheißen in der bei solchen Projekten unabdinglichen Teamsitzung.
Wozu aber bitte dann das Lesebändchen?, dachte er sich und fand sich in seiner dräuenden saisonalen Mürrischheit bestätigt. Was blieb ihm auch anderes übrig, als sich mit dieserÄnderung seines kommenden Lebens abzufinden. Aus einem, wie er mit einemmal wusste, Instinkt heraus (keinem schlechten), hatte er nämlich Abrisskalender schon seit jeher verabscheut. Außerdem: wenn ein solches pures Vergänglichkeitsobjekt nachging, konnte es passieren, dass man, wie Karl Valentin, Weihnachten zu Johanni feiern musste.
Noch ärger aber wäre der Ganzjahresadventkalender, stellte er sich vor. Der würde auch noch kommen.

Wandern

Der Dezember fängt gut an. Bei mir kam die rechte erste Adventkalendertürlanregung bereits am 25. November hereingeschneit (trotz zuwarmfürdiesejahreszeit).
Es wandern nämlich nicht nur die Gletscher zu den Polen (Nord, Süd; Warschau bleibt eisfrei), sondern, ahh, ORFON, Sie ahnen’s, Die Christkindlmarkt-Grenze ist in den letzten Jahren kontinuierlich in Richtung Süden gewandert.
Jawohl, so fängt der Advent gut an. Noch dazu in Tirol. Obwohl, weder Rosegger noch Waggerl gelten als Tiroler (ich glaub’s aber eh nicht).

Novemberwetter

Vielleicht kommt dieses Zuwarmfürdiesejahreszeitwetter ja davon, dass in den ersten Monaten dieses Jahres die kalten Temperaturen allesamt verbraucht worden sind für unser Land, stellte er sich vor.
Und, ORFON (Steiermark, Rubrik: immergutdrauf), man hatte ja mittlerweile auch die Möglichkeit, sich sein Zimmer binnen zwölf Sekunden komplett vernebeln zu lassen, dass man seine eigene Hand nimmer sehen kann, eine Stunde lang.

In eigener Sache: Mit dem heutigen Tag ist das zweite Jahr MütterLog vollendet, d.h. ununterbrochen täglich seit 1. Dezember 2004 schreibe ich mir vor, um 0.00 Uhr einen neuen Text zu veröffentlichen. Ist eigentlich irgendwie ein ganz ein schöner Schwachsinn, sich selber so eine Aufgabe zu stellen, die niemand als man selber von sich verlangt? Umgekehrt – andere fahren extra nach Costa Rica, um auf einer Bananenschale ausrutschen zu können (obwohl es mir in der Bananenrepublik schlechthin schwieriger erscheinen will, dass es dich nicht herbirnt). Mir könnte sowas könnte mir nicht passieren, wirklich wahr.
Danke jedenfalls, dass Sie mich durch Ihre lesende und persönlich kommentierende Anteilnahme zum Weitermachen verpflichten; und danke auch fürs Weitersagen.

Weiter.

Mahlzeit (akustisch)

Und fürs nächste Konzert bieten findige Manager Marsmenschen, zumindest aber Vulkanier auf dem musikalischen Curiositätenmarkt feil, die spielen auf baskischen Dudelsäcken und werden singend von Seehunden begleitet, die auch, eine seltene Musiziertechnik, Heringe zwischen ihre Flappen spannen und auf ihnen blasen wie auf einem Grashalm im späten Frühling, schnalzende Gebete an das Leben. Ein spirituell berührender Konzertabend ist garantiert. Anschließend Fischessen.

Mahlzeit (kulinarisch)

Die sogenannte Weltmusik, stellte er sich vor, birgt, um es kulinarisch auszudrücken, die große, nicht zu unterschätzende Gefahr, Monströsitäten wie Sushi mit Semmelknödeln, Krapfen mit Ketchup oder, so nah es uns sein mag, Gulasch mit Fritten zu servieren (dazu griechischer Bergkräutertee, demeter). Und die Pià±a Colada lässt sich sicher mit milchsauer vergorenem Sauerkrautsaft aufpeppen, bekömmlich und gesund. Zumindest was die Peristaltik betrifft.

eigentlich

Eigentlich drängte es ihn diesmal herzuziehen über den schlechten Geschmack gewisser (nicht nur österreichischer) Kabarettisten und, schlimmer noch, Kabarettistinnen mit ihrem völlig grobschlächtigen Bruhahahumor, konnte es nicht fassen, wie gerade die allerdumpfesten von ihnen die kleinkünstlerischen Vergnügungshallen am effizientesten zu füllen in der Lage waren, fresst Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren, dazu dann, so etwas wurde ja selbst im Kultursender gespielt, das vom Radio zugespielte, völlig authentische Sichdenbauchaltenmüssen, wie in einem Bierzelt, wirklich wahr.
Da er aber am Vorabend sein Internetperiodikum versandt hatte, was gewohnheitlich mit einer signifikant erhöhten Anklikkrate seines Logbuchs verbunden war, beschloss er, es für diesmal gutsein zu lassen und mit seiner Brandrede wider den Verfall des Geschmack’s (sic!) noch zuzuwarten.

Ja, richtig, der Weltmusikkitsch, das wäre dann auch noch ein Thema.

BananenMütter 2006

Liebe MBA,

(sämtliche Drittpersonsformen inkludieren Femininum und Maskulinum)

unlängst (ein ähnlich hässliches Wort, wie wenn jemand in (un)freier Rede statt des ebenso unguten aa/aah/ah/äh/ähm oder so nach jedem zweiten Wort die Bedeutung dessen, was er sagen will oder zumindest vorgibt, sagen zu wollen, durch Einfügen dieses fortgeschleppt pubertären, zubodenschauenden irgendwie zu heben, unterstreichen oder abzuwiegeln versucht), unlängst also sind wir zusammengesessen und haben uns bei apulischem Rotwein bzw. Coca Cola Light so unsere Gedanken gemacht, und dabei ist es gewissermaßen (auch so ein Wort!) äußerst schlüpfrig (strenggenommen rutschig, möglicherweise glitschig) zugegangen, in unseren Gedanken, was glauben Sie, wo denken Sie hin? In unseren Überlegungen, ich muss es zugeben, sind wir zu keiner umfassend befriedigenden Lösung gekommen, schließlich mussten wir die Diskussion mit der letztlich doch rundum konsensfähigen Erkenntnis beenden, dass keiner am Tisch diese so berüchtigte Erfahrung gemacht hat und wir es strenggenommen auch bezweifeln mussten, irgendjemanden zu kennen, der Eigenwahrnehmungsberichte weiterzugeben in der Lage wäre, denn: Keiner konnte sich erinnern je auf einer Bananenschale ausgerutscht zu sein. Diese Version des Verunfallens scheint, so unsere Überzeugung, ausschließlich in billigen Witzen vorzukommen. Und so konnten wir auch, wie gesagt, keine Antwort auf die uns zunehmend quälende Frage finden, wie denn die so gefährliche Frucht(schale) liegen müsse, damit die höchstmögliche Rutschgefahr (auf der einen Seite ein Haften, auf der anderen urplötzliches Wegrutschen; in der Folge Sturz aufs Steißbein bei gleichzeitiger Unterarmprellung reschpeckchtive Handwurzelauweh, in höherem Alter: Oberschenkelhalsbruchundaus) gegeben sei.
Sie merken schon, wir manövrierten uns in unserem Salon zunehmend in eine durchunddurch heikle Situation, und mehrmals, ich muss es zugeben, standen die Gespräche am Rande des Abbruchs, zu dem es nur deshalb nicht gekommen sein mag, weil die Runde klein war (ein sog. künstlerisches Abendessen, Gipfeltreffen der Künste im kleinsten Kreis: ein Poeta Laureatus; eine Lichtgestalt unter den Bildenden Künstlerinnen; ein Klaviermagier; der im Weingartner Compositör genannte Verfasser dieser Zeilen – verspeist wurde keine Wildente) und zudem jeglicher medialen Aufmerksamkeit und also externen Aufheizung entbehren musste, diese Kapazitäten der Hinterbringung, was der andere gerade für Gemeinheiten gesagt hat (Haben Sie’s schon gehört? Na, was sagen Sie da dazu?), diese ungeniert Haltet den Dieb! schreienden Aufhusser waren (und sind!), scheint es, gegenwärtig anderswo ausgelastet, und das ist gut so. (Irgendwie, das nebenbei, muss ich immer an die Lemuren aus der Schlussszene von Faust II denken, wenn ich im Weingartner die vorletzte Seite jener grauen Zeitung aufschlage, die nur samstags über ein breiteres Spektrum verfügt, sie aufschlage und schnell weiter blättere, bevor mir, ich sage es ganz offen, die Magensäfte hochkommen wollen.)

obacht!
Also: schön aufpassen! (Das ist keine Warnung, anwenauch?)

Mein Fragenkonvolut an Sie also:
– Kennen Sie jemanden, der schon einmal auf einer Bananenschale ausgerutscht ist?
– Hat es Sie selbst gar einmal vermittelst einer Banane aufgebirnt?
– Wenn Sie ausgerutscht sind, ist Ihr Fuß durch direktes Auftreten auf die Innen- oder Außenseite der Bananenschale ins Rutschen gekommen?
– Haben Sie sich eh nicht wehgetan?

Danke für Ihren individuellen Wahrnehmungsbericht. Somit kann ich Ihnen einen schönen Spätestherbst wünschen, sollte es noch eisig werden, tun Sie bitte aufpassen, ob etwelche exotischen Fruchtreste am Boden liegen, ja? (Nicht draufsteigen! Oderaber: Selbstversuch.)

Die Vorschau (Details: bitte beim Wort Vorschau anklikken)

Besonders am Herzen liegt mir der kommende Mittwoch, 29. November um 19.00 im Theatermuseum, da werden Gert Jonke und ich den Lieutenant Gustl von Schnitzler geben, im, wie es sich gehört, Eroicasaal.

1.-7. Dezember, Franzobel & Mütter, Die Weihnachtsorgie: St. Johann – Innsbruck – Winterthur – Kiel – Karlsruhe – Graz – Stainach-Irdning (heim dann über Attnang-Puchheim oder über Selzthalselzthal, gekürzter Aufenthalt)

10. Dezember, 15.00 – 20.00 Uhr
Offenes Atelier bei Victoria Coeln und Bertl Mütter, 19., Krottenbachstraße 66
17.00 Hauskonzert

Und kommen Sie zuguterletzt am 21. Dezember in den Loos-Salon. Da gibt’s die offiziöse Präsentation von muetters muellerin, dem Album.

so schauts aus
Sie sollten sich wirklich drei, vier davon zulegen. Ich sage nur: Irgendwer hat auch im Dezember Geburtstag. Oder vielleicht gibt es sonst einen von außen diktierten Anlassfall zum Geschenkschenkenmüssen.

(Aus Komplettitätsgründen: Der Rückblick)

Jetzt aber nur das Beste, wie immer und weiter so (gilt nicht für alle; der Nikolaus und sein Vizekanzler, die werden’s schon herausbekommen)!

Ihr

Bertl Mütter

Im Lauf der Zeit

Genau so hätte es sein können ungefähr, wäre er dreimal so alt gewesen, damals, dort. Da er sich 1976 aber auf die von aknisch bedingten Gesichtsprotuberanzen zuverlässig begleitete Pubertät einzustellen hatte (ein reichlich passives Geschehen), fiel es ihm leicht, an dieser speziellen Zeit nichts ein Leben lang zu Glorifizierendes finden zu müssen, in permanenter Retrospektion, stellte er fest. Und später, später, zu seiner Zeit? Nun, 1989 war ja dann doch alles anders geworden, erst recht dann 2001, und genau dem entsprach diese Spanne in seinem Lebensalter.

Jetzt! – bin ich gespannt.
Ernst Jandl, 1925-2000

Nofretete

Die allzuschlanke Dame mit dem fehlfarbigen Haar muss im Solarium vergessen worden sein, lederhäutig wie eine vorschnell gealterte Eidechse betritt sie die Vorortelinie, als wäre sie eine ausgewickelte und aus dem Kunsthistorischen entfleuchte Mumie, so schwierig das bei der neuerdings beleuchteten Antikenabteilung erscheinen mag. Aber, und das beruhigt: sie spricht Wiener Dialekt. Ob das nicht den Schrecken steigert?, stelle ich mir vor. Und: Zeit zum Red‘ Deitsch!-Lernen hätte sie ja gehabt, genug.

Noblesse

Die beiden sehr freundlichen Damen saßen einander mit ihren zweimal zweisilbigen Doppelnamen kollegial in ihrem staatstragenden Hochsicherheitsbüro gegenüber, füllten es mit ihrer Kompetenz geradezu aus, als gehörten sie alten, befreundeten Adelsgeschlechtern an. Dabei verdankten sie ihre wohlklingenden Namen emanzipatorischen Entwicklungen, wie sie von den bekannt patriarchalisch denkenden Monarchisten, die sich heutzutage (d.h. mit Unterbrechungen seit 1918) am ehesten in konservativen, sich gerne christlich-sozial euphemisierenden (der Euphemismus lag am zweiten Doppelwort) politischen Gruppierungen finden, eher nicht in moderne Namensgesetze hineinurgiert worden wären.
Aber was weiß man auch, stellte er sich vor, bis Weihnachten kann sich ja noch vieles ändern.

Dekor

Betulich, das war das Wort, das ihm gestern nicht eingefallen war, und es war das vernichtendste, was man über etwas, das sich in einem Kunstkontext darstellen wollte, sagen konnte, nein: musste.
Nichts gegen Salzteig- und Batikkreativität an ihrem Ort; aber bitte nicht in Jazzsendungen oder (es passierte – dieses entsetzliche Gesetz der Serie – gleich am folgenden Abend) in Sendungen zur aktuellen Musik.
Jede noch so hohe kunsthandwerkliche Meisterschaft aber, wie sie selbst in Staatsopern, Musikvereinen, und, ja, auch in honorigen Jazzclubs vorgeführt wird, ist, allein, in jedem Fall, an jedem Ort, zu wenig.
Kein Feuer brennt funkenlos.
(behaglich ist auch so ein Wort)
Außer Dekor.

Seniorenclub

Im Radio brachten sie in letzter Zeit immer öfter Geburtstagsjazz. Zwei Siebziger waren es diesmal, und sie kurbelten ihre jahrzehntelang eingeübten Phrasen aus ihren Instrumenten in ein jazztypisch-applausbereites Publikum, nach keinem Solo fehlte dieses verrauchte Raunen. Bevor er, er hatte kleinere Räumarbeiten zu erledigen, endlich auf – Stille – umschalten konnte, konnte er sich zunehmend des Gefühls nicht erwehren, die beiden Herren (siebzig Jahre jung, versuchte der hörbar schulterklopfende – wos san mir fia Haberer – unerträgliche Moderator, junggeblieben-schwungvoll zu sein) spulten ein Jazzdiplomsprogramm herab, als stünden sie vor einer strengen, aber wohlwollenden Kommission, bitte aber keine Überraschungen.
Immerhin, dachte er sich, da es nun einmal zu ihrer Zeit noch keine Jazzschulen gegeben hatte, man möge ihnen ein Ehrendiplom gönnen.
Dann aber bitte Ruhe.

ozzonaffin

Spätherbst. Dieses Wochenende war der, wie man nicht müde wurde zu kommunizieren, herbeigesehnte Christkindlmarkt endlich eröffnet worden. In der nachmittags schon erleuchteten Wohnung gegenüber schwebte ein Dalmatiner.
Solange diese gasgefüllten Vorweihnachtsboten nicht in den benachbarten Park zumÄußerln geführt werden mussten, sollte es ihm egal sein, stellte er sich vor.

Location

Hat man die Kassenhalle im ersten Stock der Albertina einmal hinter sich, muss man, um zu den unterbelichteten Museumsmusen zu gelangen, durch einen langen Säulengang, der einen in das, wie heißt es lifestyleadäquat: Spa eines Luxushotels zu versetzen scheint; jedesmal, wenn er diese, das unserem gegenwartsbarocken Sendungselbstbewusstsein ihres Direktors idealtypisch widerspiegelnde Passage passieren musste, war er verwundert, dass kein bodyshaped couple in Frotteebademänteln von links (Workoutbereich) nach rechts (Ruheräume, Nassbereich) seinen Weg zu den Musen kreuzte.
Er würde sich eine Nische suchen und sich einsperren lassen. Dann wie es am Abend hier zuging, darüber kursierten die wildesten Gerüchte, stellte er sich vor.

ausgefallen

Albertina (ehrlicher wäre: Albrechtina), der sog. Musensaal. Ein Dinner der adäquaten und also medienpartnerschaftlichen Tageszeitung Österreich ist angesagt, man bereitet die Tische für das, wie man sagt, gedeckte Essen vor. Was ihre Erleuchtetheit betrifft, sind ganze halbe Musen völlig ausgefallen. Auch das erschien ihm irgendwie adäquat.
In der Folge würden die mal zu unterbrechenden, mal wieder aufzunehmenden Gespräche über Verhandlungen bezüglich Koalitionsverhandlungen (Verhandlungsgruppe: Repäsentierendes Kulturerbe, Untergruppe: Kulturerberepräsentanten) von einer interessierten österreichischenÖffentlichkeit aufs atemloseste verfolgt, stellte er sich vor.

halslos

Eröffnungsstaatsakt in einem durch Staatsankauf eingerichteten Stiftungsmuseum, man begeht die Deutschen Expressionisten, sehrschön. Geladene werden zum Dinner gebeten. Unvermittelt fand er sich dem Stifter schräg gegenüber sitzend, und beide schlürften sie ihr getrüffeltes Kürbisccrà¨mesupperl aus einem verlängerten Schnapsstamperl, wobei sie echsengleich züngelnd dem feinen Geschmack hinterherwitterten. Der berühmte Sammler, er hatte einen Rumpf, aus dem der Kopf fast horizontal nach vorne wuchs, sah aus glasigen Augen durch ihn hindurch, sein Alter schien eine an Borges gemahnende Ironie zu zeitigen, stellte er sich vor, ja sogar verdoppelt, wenn man seinen Urberuf Augenarzt bedachte.

(morgen: Albertina)

sicher

Amsterdam, Rijksmuseum. Hinter einem kniehohen Zäunchen bewachte eine Wächterin die Nachtwache, damit die Leute drauf nicht von Blitzen geblendet werden, was, wenn man hinschaute, zumindest zweimal schon passiert sein musste. Oder passte die Wächterin auf, dass den offenmündigen kreuzhohlen schulterhängenlassenden Betrachtungstouristen nicht von den, wenn auch antiquiert, so doch einigermaßen bewaffneten Soldaten Gefahr drohe, so ein Schuss löst sich ja schnell. Außerdem: Wenn die aus dem Bild steigen, wird’s eng; die könnten das nämlich jederzeit, gar, wenn man sie reizt, stellte er sich vor.

Die bewachte Nachtwache
Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669): Die Nachtwache (1642). Davor: Publikum (Foto: Thomas Frison, 2005)

Man entschied, zu Van Gogh zu gehen. Dort, so glaubte man, hoffen zu dürfen, schien es – zumindest für die Betrachtenden – weniger riskant zuzugehen.

Muggen

Mit verdrückten Augen erwachte er an jenem hier in Amsterdam in keiner Weise begangenen Leopolditag. Als er bibbernd, aber unversehrt von der Dusche zurückkam (diesen Vorhang, diesen Abfluss kannte er aus einem Film, der war aber schwarzweiss, was ihn aufatmen ließ), sah er sie, die Novembermugge, und Novembermuggen sind auch in Amsterdam rar, bestätigte ihm seine Gastgeberin, und auch er, der sich jetzt erinnerte, sich nachts mehrmals zwischen den Knöcheln seiner Rechten gekratzt zu haben (unwillkürlich musste er es jetzt abermals tun), stellte sich vor, dass er gut und gern auf die letzte Gelse des längstschonvergangenen Sommers verzichten hätte können.

elementar

Straßenbahn in Amsterdam, so die Sprachregelung seiner Gastgeberin, sei langweilig. Wolle er weiterkommen, er solle die Metro nehmen. Das aber traute er sich dann doch nicht, stellte er sich eine U-Bahn in Amsterdam als ein in unterirdischen Kanälen betriebenes Netz von U-Boot-Kursen vor, wie in Venedig eben.
Außerdem: Um über die Horizontale durchnässt zu werden, brauchte man nicht zusätzlich zu unter den Meeresspiegel auch noch unter die Erde, stellte er sich vor, setzte sich aufs Rad und hatte sogleich die vollinhaltliche Bestätigung seiner Einschätzung am ganzen Körper.
Dass er, wohin auch immer er unterwegs sein mochte, stets gegen die Strömung würde fahren müssen, daran bestand ohnehin kein Zweifel.

Deichgedanken

Wasserrohrbruch in Amsterdam, wie sollte man sich das vorstellen?, stellte er sich vor, als er sich einigermaßen trocken durch den horizontal daherpeitschenden Regenguss zu manövrieren versuchte, bald schon durchnässt wie ein aufgeweichter Pappendeckel. Und die Holländer, die lachten novembervergnügt.
Wohin das alles abrinnen sollte, er konnte es sich nicht vorstellen.

Fallstudie

Wie viele Stürze in amsterdamischen und sonstigen holländischen Treppenhäusern Tag für Tag, wöchentlich und jedes Jahr stattfinden und überhaupt seit ihrer Errichtung stattgefunden haben, diese und ähnliche Statistiken wären noch zu erstellen, stellte er sich jedes Mal vor, wenn er auf seinem Besuch in dieser merkwürdigen Stadt heil und unversehrt an der unter Meeresniveau gelegenen Haustür angekommen war.
Ab da aber war Amsterdam so horizontal wie man es sich nur vorstellen konnte, selbst der Regen.

weiter /2

Als Verfasser eines immerzu fortgeschriebenen und zu veröffentlichenden und also (Leserbindung) täglich fälligen Weblogs merkte er urplötzlich, dass er genau diese Aufgabe für eine nicht unbeträchtliche Anzahl täglicher Leser übernommen hatte, die Statistik belegte das eindrucksvoll.
Wenn die wüssten, wie nah sie ihm von Zeit zu Zeit auf den Fersen waren, stellte er sich, leicht erschaudernd, vor.

weiter /1

Ein Buch zu besitzen, das sich beim Lesen immer um einen Vorsprung von, sagen wir: 200 Seiten dem drohenden Ausgelesenwerden entzöge, das man immerzu fortlesen könne, ja sogar (200 Seiten) vorblättern, das wäre das wahre Lesen; mit Nabokov ginge das ja nicht mehr, aber Dimitrà© Dinev könnte das, jedenfalls für ihn, zweifellos zustande bringen, stellte er sich vor, hoffte er.

Herbst

Der große rote Kran in seiner Straße, unter dem sich so viele Blätter versammelten (was kein Wunder war, denn wenn man nach oben schaute, sah man, dass er völlig kahl war), zeigte ihm, dass es endgültig Herbst geworden war, was ihm auch dieser feucht-modrige Geruch bestätigte, der aus der Kindheit herüber zu wehen schien.

siebzig

Siebzig Minuten sollte das Stück dauern, wusste man schon vor der Uraufführung, wieso wissen die das, wenn es noch nie gespielt worden ist, fragte er sich, und es waren in der Tat siebzig prallvolle Minuten, selten zuvor hatte er derart viele Lungengesunde in einem Konzert in Wien versammelt gesehen und eben nicht hören müssen, Versenkung, ein Schweben. Trotz aller Kontemplation bewirkte die Zeitangabe bei ihm ein, wenn auch minimales, Schwanken in seiner Konzentration, und manchen anderen schien es ebenso zu gehen, wie sollte man außerdem siebzig Minuten gleichmäßig einigermaßen bequem sitzend zu verbringen in der Lage sein, zumal bei einer Musik, wo er jede geräuschlose Umgruppierung der Position seiner Wirbel samt Bandscheiben, ja selbst das Hinabschlucken seines idealtypisch hörenden Nachbars am sich hebenden Kehlkopf vorbei als akustische Intervention empfinden musste, was ihn wieder auf die Grundinformation siebzig Minuten brachte, und da ließ es sich nicht vermeiden, dass er von Zeit zu Zeit möglichst unauffällig auf seine Armbanduhr schauen musste, aber versuchen Sie einmal in derÖffentlichkeit heimlich auf Ihre Uhr zu schauen, es wird Ihnen nicht gelingen oder Sie werden zumindest die Gewissheit haben, dass es alle anderen gesehen haben, stellte er sich vor und konnte während das gesamten Konzerts doch niemanden beobachten, der die eben gegenwärtige Position auf der Zeitstrecke (drei Siebtel, vier Siebtel, …) von seinem Arm ablesen wollte, was strenggenommen ein durchunddurch undurchführbares Unterfangen war, denn du kannst entweder die Dynamik oder den Ort feststellen, so ist das auch mit der Musik, Musik wie überhaupt das Leben in seiner Gesamtheit vermessen zu wollen wäre einigermaßen vermessen, es kann nicht gelingen, und das ist doch ein tröstlicher Gedanke.
Wer sollte also noch jemals wieder auf die Uhr schauen wollen?, und auch er vergaß darauf und konnte sich später nicht mehr auf den Zeitpunkt erinnern, wozu auch?

Thriller (Nachtrag)

Abermals ein Ausschnitt aus der gestrigen ORFON-Perikope: In Millionen Haushalten in Westeuropa ist am Abend das Licht ausgegangen. Aber auch einige Niederösterreicher sind am Samstag im Dunkeln gesessen.
Dazu schreibt mir ein Freund aus einer Grenzstadt Ob der Enns, Metropole des oberösterreichischen Mostviertels, einen persönlichen Wahrnehmungsbericht:
(…) Wir haben übrigens auch um zirka 23.30 die Lichter gelöscht und sind bis heute früh im Dunkeln gelegen (…)
Immerhin, so hoffe ich, dürfte es zu keiner Panik gekommen sein, stelle ich mir vor.
Erdbebenmeldungsanalog sei angeregt, weitere Wahrnehmungsberichte direkt an ORFON zu senden. Was wir brauchen ist nämlich Information, in diesem Fall: Onformation. (Das ermöglichte unseren Politikern auch, besser das Ohr am Volk zu haben, sodass sie uns, in umfassender Kenntnis des Wählerwillens, noch besser regieren können.)

Thriller

ORFON, du erhellst regelmäßig unsre herbstlich-trüben Mienen. Ich darf zitieren, was du am Sonntag, 5. November 2006 berichtetest:
In weiten Teilen Westeuropas kam es Samstagnacht zu Stromausfällen. In Millionen Haushalten in Westeuropa ist am Abend das Licht ausgegangen. Aber auch einige Niederösterreicher sind am Samstag im Dunkeln gesessen. 1.800 Haushalte im Raum Kilb im Mostviertel hatten gestern Abend keinen Strom. 13 Minuten lang saßen die Menschen im Dunkeln.
Erinnern wir uns wieder einmal an den dir so verwandten Fliegenden Zirkuss von Monty Python’s. Da gab es eine Sequenz, wo ein Nachrichtensprecher vor wechselnden Tierdias gleichlautende Katastrophenmeldungen verlas. Der jeweils mit dem eingeblendeten Dia synchrone, die ernste Meldung abschließende Satz lautete stets gleich: No (oppossums, parrotts, penguins, …) were involved. Dann wurde das Dia gewechselt.
Zur weiteren Ausdifferenzierung solcher Berichte über die stromausfallsbedingte nächtlich-niederösterreichische Umnachtung empfehle ich, nach entsprechend grundlegenden Recherchen (vergiss bitte nicht, das heutzutage unerlässliche making-of gleich mitzuproduzieren), folgende Abfolge vierbuchstabig-einvokalisch-mostviertlerischer Ortschaften zwischen Erlauf und Sierning: Kilb – Grub – Koth – Hürm – Mank – Busendorf (ohne Seitenblicke geht’s nicht!) und abschließend die Bezirksstadt, was auch sonst: Melk, Sonnenaufgang am Strome.
Und, wichtig noch!, bitte bring das endlich auch in den internationalen Medien unter; die ignorieren diese Wichtigkeiten nämlich regelmäßig aufs provinziell-provozierendste! (Wenn du willst, gebe ich dir die Emailadressen von CNN oder BBC World.)

was bin ich? /2

Jener Olsberger Uhrmachermeister hatte in seiner sehr geschmackssicher eingerichteten Verkaufswerkstatt feinste Geräte, mit denen er die ihm zur Kontrolle und Reparatur anvertrauten mechanischen Uhren, wie man sagt, auf Herz und Nieren prüfen konnte, Oszillometer etwa, die den Puls der Chronographen sehr genau zu messen in der Lage waren. Dazu wurden die Armbanduhren eingespannt und das Schwingungsverhalten ihrer Unruhe in den verschiedensten Positionen analysiert.
Eines Tages war ein korrekt gekleideter Herr mit der glaubwürdigen Behauptung erschienen, sein edles Uhrwerk am Handgelenk gehe falsch, undzwar hinten. Der Meister übernahm die Uhr zur eingehenden Analyse und stellte in sich dehnenden Versuchsreihen zunehmend kopfschüttelnd fest, dass sie, so etwas war ihm noch nicht untergekommen, in exakt einer Position dazu tendierte, sich etwas mehr Zeit zu lassen, als sie gedurft hätte, nämlich mit dem Aufziehpfropfen nach oben, was bedeutete, dass ihr Träger jeweils über einen längeren Zeitraum seinen Ellenbogen ruhend abgestützt halten musste. Er überlegte sich also wie so etwas kommen könne, welchen Beruf so jemand wohl ausübe, und als der Kunde am vereinbarten Tag pünktlich in der Werkstatt erschien, vermochte der uhrmachermeisterliche Ratefuchs dem unter chronographischer Tagesverlängerung leidenden aufs Gesicht zuzusagen, dass es sich bei ihm nur um einen Beamten handeln könne, Volltreffer, und es war ihm auch sofort peinlich (dem Uhrmacher).
Erinnern wir uns: Bei Robert Lembke mussten die Gäste stets eine Handbewegung vorführen, einen kleinen, nicht verräterischen Hinweis auf ihre Tätigkeit; hier hatte sich die Nichtbewegung, ja, das Einrasten im Ausrasten als typisches Merkmal eines Berufs, ja einer Berufsgruppe (von einer Tätigkeit konnte ja weiters nicht mehr die Rede sein) verraten.
Tja, lieber Herr Offizial, beim Olsberger Uhrmachermeister ist dein Schweinderl leer geblieben.

was bin ich? /1

Zu Erzählen wäre die Geschichte von jenem Uhrmacher (nach dessen Beruf hier also nicht gefragt wird), er war in einer kleinen Stadt im Hochsauerlandkreis daheim, kulturell sowohl interessiert als auch initiativ und gehörte außerdem einer kleinen Kabarettgruppe an, die recht häufig die seiner Uhrmacherwerkstätte (er hatte sich auf mechanische Werke spezialisiert, so gut das eben in einer Kleinstadt ging, doch dazu weiter unten) angeschlossene Spielstätte, das Alte Kino von Olsberg (jetzt ist es heraußen) mit einem dedizierten Publikum zu füllen vermochte.
Wie das Leben eben so spielt, es bringt selbst die besten Sketches und erst recht Pointen.

Ganz im Allgemeinen und nur nebenbei gesagt: Kunst ist stets eine derÖffentlichkeit dargebotene Untertreibung der tatsächlichen Umstände und Begebenheiten.

(morgen: wie das Leben eben so spielt)

anhaltend

Zum Ende der Sommerzeit wurde ja nicht, wie allgemein angenommen, die Zeit eine ganze Stunde angehalten, sondern es wurden nur die Uhren um exakt eine Stunde zurückgestellt. Weil – wie hätte man sie auch Ende März so präzise beschleunigen können?
Genau so musste es sein, stellte er sich, ausgeschlafener als sonst so früh am Morgen, vor.

verfrüht

Venzone. Am Morgen hatte sich der Hahn, der ein nachgerade idealtypisches Kikeriki pflegte, verkräht. Der Nachtexpress aus Wien war nämlich nicht und nicht dahergekommen, erst eine Stunde später als sonst näherte sich dieses anschwellende cchhh, gefolgt vom Geräusch ölgedämpfter Eisenräder, dem Zischen der Zugperipetie, dann kam noch das abschließend abschwellende cchhh. Morgen aber würde auch er sich von der Sommerzeit gelöst haben und, vorausgesetzt der Nachtzug käme pünktlich, den Einklang von Natur und Technik wieder herstellen.

Hupen

Muggia. Folgetonhörner schreien von Triest über die Bucht. Tarzan in der Großstadt.

Gehen

Ob Jesus tatsächlich Jesusschlapfen getragen hat, konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden; den Gang über den See Genezareth dürfte er jedenfalls barfuß angetreten haben, stelle ich mir vor.

Rudern

Muggia, die täglich glatte Binnenbucht. Im Bildhintergrund wendet gravitätisch ein Tankschiff, indem es von drei Jagdhundbooten zu den Abfüllanlagen der Adria-Wien-Pipeline gezerrt wird. Fünf Kadetten vom Ruderverein Muggia 1898 planschen noch recht ungeschickt im Wasser und versuchen, sich einigermaßen vergeblich im unwuchten Uhrzeigersinn drehend, in ihren nadeldünnen Booten das Prinzip geradeaus rückwärts zu verinnerlichen. In der Abfolge Aktivität – Frustrationspause (die durch Zurufe vom Trainer unterbrochen wird, der in seiner gemeinerweise mit Außenbordmotor versehenen Nussschale durchs Megaphon metallen röhrt) sehen sie aus wie Wasserläufer, die auf einem schattigen Waldteich die Oberflächenspannung ausnützend jesusgleich spazieren gehen. Trotzdem sie einem Ruderverein angehören, tragen die Knaben beim Erlernen ihres schönen Sports unserer Zeit entsprechend T-Shirts.

Phlegma

Gorizia – Trieste.
Ist eine phlegmatischere Route vorstellbar als das durch den Karst zum vom Himmel nicht zu unterscheidenden Golf sanfte Hinabsinken, zumal im Winterhalbjahr? Die paar Schiffe auf Reede, draußen vor den Muschelbänken von Aurisina und Duino, scheinen irgendwo zu schweben, der graublaue Horizont ist abgeschafft.

aufgeladen /4

Mit der Zuckerrübe bemerkte er, dass es auszuufern begann, wir waren von Speichern umgeben, überall schlummerten Kapazitäten, ungeahnte wie auch genau definierte Potenziale: Schokolade, Schallplattensammlungen, Wörterbücher, Schnapsflaschen, Automotoren, was eigentlich nicht?, begann sich, wo er hinschaute, hindachte, alles zu drehen. Leben, das könnte bedeuten: sich Gespeichertes dienstbar machen, es aufnehmen, umwandeln, und wieder, transformiert, abspeichern oder aber ausscheiden.
Was jeder von uns wie einsetze, das sei wiederum sehr individuell. Allzuviel zu Verwertendes, ja Lebenswichtiges werde unerkannt und also ungenutzt ausgeschieden und noch viel mehr Müll werde als unverzichtbar beworben, dem entsprechend angestrebt, gehegt und gepflegt und blockiere, da war es wieder, das Wort: Kapazitäten, Potenziale. Leben, ein beständiges Sein zwischen dem was war und dem was sein könnte, sein hätte können. Wieviel Anteil daran jetzt der Konjunktiv (gar der irrealis) hatte, das getraute er sich in seiner unvermutet aufgezogenen vornovemberlichen Stimmung dann doch nicht näher zu untersuchen.
Jetzt ins Bad, fertig die Haare kürzen, der Akku sollte wieder soweit sein.

aufgeladen /3

Was nicht alles überall gespeichert war, stellte er sich vor. Ein Akku war das Stromgedächtnis, soweit der Ausgangspunkt seiner Überlegungen.
Nationalbibliotheken werden gerne als das Gedächtnis eines Volkes apostrophiert, was die Frage aufwirft, wer es denn brauche, besser: gebrauche. Dann war da noch der Wein, in dem die Sonne eines Jahres gespeichert war, was, wie es schien, gerne mit Wahrheit gleichgesetzt wurde, und die Sonne, das leuchtete ein, bringt ja manches ans Licht.

aufgeladen /2

In den Gebrauchsanweisungen von allerlei Elektroprodukten, Kapitel: Akku, Unterartikel: Kapazität wird der umsichtige Konsument darauf eingeschworen, die Lebensdauer dieses so wichtigen Teils bestmöglich zu erhalten. Lasse die Leistung des Geräts immer öfter immer früher nach (etwa wenn sich sein ohnehin kurzes Haupthaar* nur in zwei Aufladezyklen auf die gewünschte Minimallänge kürzen ließ), möge man den Akku durch Dauerbetrieb völlig, wie es hieß, entleeren, um ihn dann ganz aufzuladen, und er sei wieder voller Energie wie am Anfang, jedenfalls fast.
Wie wäre es, stellte er sich vor, wenn man hier die Analogie mit dem humanen Gedächtnis wieder ins Spiel brächte? Völlig entleeren und neu auffüllen, wie ginge das?

*(schütter, das war ein Wort, das er sich verboten hätte, was aber mehr mit den auf seinen Namen platt gereimten Hänseleien zu tun hatte, denen er als Bub ausgesetzt war, vor allem, wenn er im Ballsport versagt hatte; wegen der Haardichte war ihm jede Eitelkeit fremd)

aufgeladen /1

Ein Akku, das war ja so etwas wie das Stromgedächtnis eines Geräts. Ob es mit dem nahenden Nationalfeiertag zu tun hatte, dass jener seines Bart- und Haartrimmers immer öfter zur immerwährenden elektrischen Neutralität zu tendieren schien?

erhellend /4

Achja, bitte vergessen Sie nicht, dass in der finsteren Nacht vom kommenden Samstag auf den unmittelbar darauf folgenden Sonntag die Uhren eine Stunde zurückzustellen sind. Damit verschieben sich auch sämtliche Dämmerungseinbrüche um eine Stunde.
Nach vorne oder nach hinten?

erhellend /3

Als besonders kritisch gilt die Zeit zwischen 16 und 21 Uhr, heißt es noch. Ich darf davon ausgehen, dass diese Erhebungen in engstmöglicher Kooperation mit der auf der Hohen Warte beheimateten Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) angestellt wurden. Und sie dürften, in dieser Ausdehnung, für das ganze Jahr gelten.
Eine ähnliche Statistik für die Morgenstunden steht noch aus, stelle ich mir vor.

erhellend /2

Es dämmert, weiter.

Die niederösterreichischen Kriminalisten haben im vergangenen Winter vom 1. Oktober 2005 bis zum 1. April 2006 187 Dämmerungseinbrüche verzeichnet.
Ich habe das überschlagsmäßig nachgerechnet, und mein Ergebnis weicht nur geringfügig ab: Den 1. April mit eingerechnet, komme ich auf exakt 183 Dämmerungseinbrüche, und ich bin gespannt, wo sich die vier mir entgangenen Schalttage versteckt haben.

Gut, ich war zwischendurch auch ein paar Mal im außerniederösterreichischen Ausland.

erhellend /1

ORFON, du bist nicht zuletzt deshalb unschlagbar, weil deine Schlagzeilen das Lesen eines dahinter verborgenen Artikels oft völlig obsolet machen, ihn, wie man nicht zuletzt angesichts des nahenden 31. Oktober versucht ist, so trefflich zu formulieren, schlichtweg ersparen, es treibt unsere Vorstellungskraft in luftigste, ungeahnt ahnungsvolle Höhen. Am Samstag, dem 21. Oktober 2006 durften wir etwa lesen: Dämmerungseinbrüche nehmen zu. Im Weiterklikken erfährt der treu an den ORF angeleinte Medienkunde, diese dem finsteren Halbjahr völlig entsprechende Erkenntnis präzisierend: Mit den kürzer werdenden Tagen nehmen die Dämmerungseinbrüche wieder zu.
Da brauchst du, willst du gar nicht mehr weiter lesen; Sätze von derart philosophischer Wucht sind Astronautennahrung fürs Hirn und können, sollen mindestens einen Tag (jedenfalls aber bis zum Einbruch der Dämmerung) dort wiedergekäut werden, stelle ich mir vor.

erhebend

Auf seinem Weg in die Stadt, den er jedes Jahr so lang es irgendwie ging radfahrend zurücklegte, fiel ihm in letzter Zeit, oder, genaugenommen, seit etwa zweieinhalb, drei Jahren auf, dass die Autos immer höher geworden waren, alles hochgestellte Limousinen mit abgedunkelten Scheiben (wenngleich man die mobilen Telefonisten hinter ihnen stets zweifelsfrei erkennen konnte), was wiederum bedingte, dass der die für einen Radfahrer im Straßenverkehr nur allzuoft fatal fehlende Knautschzone etwas wettmachende Überblick allmählich untergegangen war, da konnte er sich strecken im Sitzen wie er wollte, über so einen in den Randregionen des Wienerwaldes – sammasieahlich – unverzichtbaren hochgestellten Allradklotz konnte er nicht mehr spähen.

Er würde sich etwas einfallen lassen müssen, stellte er sich auf einem Hochrad sitzend in die Stadt flitzend vor, genau, das wär’s.
hoch! rad!

tagesaktuell (überfällig)

Ansich mag ich ja nicht so gerne täglich fällige Nachrichten verstreuen, aber heute muss ich eine Ausnahme machen.
Hier ist die Tagesaktualität vom Tag: Der 20. Oktober 2006 wird in Hinkunft als das Erscheinungsdatum von The Devil’s Brother aka Fra Diavolo aka Bogus Bandits aka The Virtuos Tramps (vergessen Sie den dümmlichen deutschen Titel Die Sittenstrolche) auf DVD geführt.
L&H sind die Besten!
Ein jahrelanges Vakuum ist hiermit mit, ja womit denn? – am ehesten mit Wein aus dem Keller – gefüllt. (Was ich getrunken habe, kann ich nicht mehr verschütten. – St. L.)
Stoßen wir also an auf Stanlio, Ollio, und, nicht zu vergessen, auf den wacker-gehörnten, stets glasäugigen James Finlayson (hier als Lord Rocburg).

im tempo, bitte!

Soweit die Tagesaktualität vom Tag. Sie war – man bedenke den Plot – im doppelten Sinn längst überfällig.

ausgewachsen

Kürbiszeit ist’s, danke ORFON, dass du uns daran erinnerst. Das regelaunchte Landesmagazin (in der Steiermark mit der fröhlichen – in Wirklichkeit: gefährlichen – Drohung immergutdrauf rubriziert) berichtet uns von der diesjährigen Meisterschaft im Riesenkürbiswiegen am 1. Oktober in Eichberg bei Rohrbach an der Lafnitz im Bezirk Hartberg.
Besonders berührt bin ich vom Siegerkürbis, den ein Herr Joachim Hammerl gezogen hat, er ist, so dürfen wir erfahren, von weiblichem Geschlecht, mit 372,2 Kilogramm einigermaßen adipös und hört ausgezeichnet, undzwar auf den Namen Emma.
In Niederösterreich hätte er per (durchgesickertem) Dekret Erwin heißen müssen, und Er wäre dabei gewesen, so photographiert, dass er mindestens so groß ausschaut wie das Großgemüse.
Hier aber sind wir in der Steiermark. Und Franz wäre kein guter Name für einen Kürbis.

Wachsen

Nach dem Rasieren, als er seinen Kopf vor dem Spiegel etwas nach vorne neigte, stellte er fest (was er ohnehin wusste), dass die Grundsubstanz seines Schädelbewuchses ziemlich genau jener des, wie es hieß, letzten Landesfürsten glich, welcher durch eine für unsere heutige Zeit in diesen Breiten unvergleichliche Durchwirkung sämtlicher Medien in Wort und Bild einem von überallher (je nach Anlass) zu lachen, feixen, mahnen, ein ganzes Land zu ermuntern, aufzufordern oder zu beschwichtigen schien, und es war ja auch kein Wunder, gab es doch keine Kreisverkehrseröffnung, kein renoviertes Marterl, kein Sängerbundtreffen und keine Wallfahrerjause, die ohne ihn vorstellbar waren, und da schoss ihm ein monstöser Gedanke durch den Kopf, was, wenn dieser omnipräsente Fürst sich eine ganze Kohorte von Doppelgängern hielt, und ob er mit seinen Haaransatzanlagen in den engeren Kreis der Bewerber aufrücken könnte, wenn er wollte, aber das war, atmete er erleichtert auf, ganzundgar unmöglich, weil er erstens etwas zu groß gewachsen war und zweitens die neben seinem Naturschädel wachsenden Haare seit eh und je (und völlig freiwillig) äußerst kurz geschnitten hielt, keine Dackelohren aus Haar, das würde Jahre dauern und wäre letztlich völlig aussichtslos, stellte er sich, erleichtert aufatmend, vor.
Im übrigen war er mit seiner Haarsubstanz immer einverstanden gewesen, zuerst die juvenile Matte, die ihn wie einen pusteligen Apostel aussehen ließ, dann, nach der militärisch verordneten, die Dichtung der Gasmaske nicht gefährdenden Kurzhaarfrisur, die der Natur folgende Tendenz zu immer kürzerem Schnitt, immer klarer, wie das halt mit dem Alter so kommt. Haarwuchsmittelwerbungen, die mit dem zusätzlich zur ausschließlich mit ihnen garantierten größeren Haardichte auch den Wiederaufbau eines männlichen Selbstwertgefühls versprachen, blieben ihm stets völlig rätselhaft, was ihn wieder jenem Landesfürsten annäherte, weil ein derart stabiles Selbstbewusstsein qualifiziert doch zu Höherem, oder nicht?, fühlte er sich schon in der (längst noch nicht virulenten) Nachfolgediskussion aufgerückt. Wichtig aber war, bereit zu sein. Ja, rechtzeitig übersiedeln musste er auch noch. Jetzt, wo er das wusste, würde er wachsam bleiben.

Statistisches

Sein recht erfolgreicher Jugendfreund hatte sowohl ein wirtschafts- als auch ein naturwissenschaftliches Studium absolviert. Also entfuhr ihm, als ihm dieser das erste Bild seines Neugebornen (verdrückt, wie alle Frischlinge), zeigte, statistisch wie auch genetisch einigermaßen korrekt: Halb der Papà¡!
Diese insektenforscherische Nüchternheit würde den Freund erfreuen, war er selbst gerührt von soviel aufgebrachter Empathie.

Plüsch

mein cafà©

Szene beim Billiard (im Weingartner spielt man auf Turniertischen Dreiband, sehr gepflegt): Sie spielen zu viert, je zwei und zwei, und es rennt nicht nur der Ball (sagen Sie niemals Kugel!), sondern vor allem auch der Schmäh. Ich liebe es, nach der Zeitung noch ein paar Minuten zu kiebitzen, die Kommentare der Spieler wie auch der anderen Beobachter, die meistens genussreich, dass es zum mit der Zunge Schnalzen ist, man kann sagen: applicà®rt werden, es ist ein patiniertes, im besten Sinn konservatives Vorstadtcafà©, und in die neuen Zeiten weist der in Häusern dieser Güte unübliche Trottelsteuerautomat der Firma Novomatic mit dem praktischen Papiergeldschlitz (ausschließlich zum Einzahlen).
Herrn Stefan, der, als er noch als Kellner hier arbeitete (deswegen hat man die beidseitig förmliche Anrede beibehalten), mein Epitheton Herr Kompositör (kurz: Gomposi) prägte, ist ein Stoß nicht wirklich gut gelungen, und augenblicklich umkreisen die ironischen Meldungen den zentralen Zweiertisch. Da hebt er zu einem kurzen Stoßseufzer an, wie man ihn so nur im Weingartner zu hören bekommt:

Es is jå a jeda gegn mi
obwoi i a so a Plüschtierchen bin.

Besser gehts nicht. Wirklich wahr.

Gesundheit!

Man hatte ihn zur Lesung des berühmten Schriftstellers eingeladen, der Skrupel hat, sich Poet nennen zu lassen und es aber ist, und wie! (Als Gegenbeispiel fiel ihm bei diesem Gedanken stets jener einer Zuckerldynastie entstammende Poesiegroßindustrielle ein.) R., dieser Erzähler im wortwörtlichen Sinn, bannte das ganze Burgtheater zur Atemlosigkeit.
Nur um ihn herum schienen, Auswurfgeräusche ausstoßend, die Patienten eines Lungensanatoriums auf Kulturausgang Platz genommen zu haben. Beim Verlassen seiner Sitzreihe dann suchte er nach den Oxygenflaschen, vergebens: Es ist aber auch schon alles heutzutage miniaturisiert, zuerst verwendet es James Bond (hier: im Unterwassereinsatz) oder (was fast das gleiche ist) wird etwas für die Raumfahrt entwickelt, dann taucht es unweigerlich irgendwann für den allgemeinen Gebrauch am Markt auf. Ja genau, so musste das auch mit den auf Füllfederpatronengröße geschrumpften Sauerstoffflaschen sein, stellte er sich vor.

Sackerl fürs Gackerl

Der lodengrüne Senior mit der gedrungenen Körperhaltung möchte am liebsten von der Finsternis verschluckt werden, wie ein Herr, der sich mit hochgezogenen Schultern und merkwürdig eng nachgeschliffenem rechten Bein aus dem diskreten Seiteneingang des Sexkinos stiehlt. Mit seinem etwas zu kleinen braungrünen Filzhut und dem krummkurzbeinigen Langhaardackel geht er seine abendliche Runde um den Häuserblock, eng (im kleinst möglichen Radius) dem Umfang der Häuser angepasst werden im Gegenuhrzeigersinn abschnittweise die Wände, wie heißt es: markiert, völlig ungeniert lässt er sein Hundsviech (dessen Not unleugbar ist, es ist seine Natur) neben unsere Haustür und direkt vor uns hinseichen. Oft liegt auch ein olfaktorisch prekäres Darmpressprodukt, euphemistisch Hauferl genannt, direkt vor oder zumindest neben der Haustür, im bestmöglichen Rechts- bzw. Linksweggehwinkel. Sieht uns der Geruchsverantwortliche, der zu faul ist, die Straße zu überqueren (gleich gegenüber wäre der Park) verdrückt er sich, schert sich einen – Dreck.

Sackerl fürs Gackerl

Man sollte immer ein Sackerl fürs Gackerl dabei haben. Damit ergreife man dann die canine Hervorbringung und werfe sie den Hundehaltern hinterher oder, besser, schmiere ihre noch viel zu wenig braunen Hüte ein.
Jawohl.

Beim Häuten der Zwiebel /5 – Gustafssons Liste

Einmal im Jahr sollte man diese Liste durchmeditieren, und heuer ist Zeit, sie hierher, ins MütterLog zu stellen.

Verzeichnis der Kunstarten nach ihrem Schwierigkeitsgrad

1. Erotik
2. Musik
3. Lyrik
4. Drama
5. Feuerwerkskunst
6. Philosophie
7. Surfing
8. Die Kunst des Romans
9. Glasmalerei
10. Tennis
11. Aquarellmalerei
12. Ölmalerei
13. Rhetorik
14. Die Kochkunst
15. Architektur
16. Squash
17. Gewichtheben
18. Politik
19. Hohes Trapez
20. Fallschirmspringen
21. Bergsteigen
22. Bildhauerei
23. Kunstradfahren
24. Jonglieren
25. Die Kunst des Aphorismus
26. Springbrunnen bauen
27. Die Fechtkunst
28. Die Artilleriekunst

Eine kann ich nicht einordnen: die Kunst, Schmerzen zu ertragen. Das hängt damit zusammen, daß bisher niemand eine Kunst daraus machen konnte. Wir haben es also mit dem einzigartigen Fall einer Kunstart zu tun, deren Schwierigkeitsgrad so hoch ist, daß es niemanden gibt, der sie ausübt.

Lars Gustafsson, Der Tod eines Bienenzüchters

Abermals stellte er seine Frage: Dürfen Schweden eigentlich auch den Nobelpreis bekommen?

Beim Häuten der Zwiebel /4

Es passte ihm vorzüglich, sich – unvermutet – in dieser Woche wieder einmal, in diesem Fall zwiebelhäutend, dem Literaturnobelpreis angenähert zu haben, diesen Donnerstag sollte er verkündet werden, hatte es geheißen.
Nabokov führte bei ihm diese Liste der Ganz Großen an, die, wie heißt es so schön, zum exklusiven Kreise derer gehören, denen die Auszeichnung zuteil wurde, den Nobelpreis nicht bekommen zu haben. Es standen da noch Robert Musil, Italo Svevo, Jorge Luis Borges, Fernando Pessoa (gut, der hatte ihn in Gestalt von Josà© Saramago doch noch erhalten), Joseph Roth, vielleicht auch Thomas Bernhard; Proust zu lesen hatte er noch keine Zeit gehabt, so wusste er nicht, ob er sich dieser einigermaßen weit verbreiteten Einschätzung anschließen konnte.
Natürlich, Kafka. – Aber konnte es einen Preis geben, der ihm nur irgendwie gerecht würde? (Eine Strafkolonie ihm zu Ehren umbenennen? Das wäre dann doch etwas makaber, stellte er sich vor.)
Und, weil es eine imaginäre Liste war, fiel ihm noch der Listenschreiber Lars Gustafsson ein, wenn er als Lebender auch nicht zu den mit irrealem Konjunktiv behafteten Großen gehörte.
Dürfen Schweden eigentlich den Nobelpreis bekommen?

(Morgen: Die Liste)

Beim Häuten der Zwiebel /3

Jetzt war ihm etwas Komisches passiert.

Aber es ist nun einmal so, dass wenn man sein Augenmerk auf ein Thema legt, allüberall Hinweise dafür auftauchen, so, wie einem Ende April im Auwald die Morcheln mit der leider bis heute nicht wirklich erfundenen Morchelbrille phosphoreszierend förmlich ins Auge springen (eine der sympathischsten Lügen bei Wer 3x lügt, dieser legendären Quizsendung mit Günter Tolar (ORF, 1973-77). Oder beschäftigen Sie sich mit sog. Schönheitsflecken, diesen entzückenden Mundwinkel- und Dekolletémuttermalen, und es werden ihnen kaum mehr andere Damen als derart geschmückte ins Gesichtsfeld kommen, so ist das, wirklich wahr.

Ein paar Tage nach jener so denkwürdig gehäuteten Zwiebel war er beim Lesen eines Buches auf folgende Stelle gestoßen:

(…) dann kroch der schwere, keuchende, zitternde Fahrstuhl langsam an seiner Samtleine empor, und neben ihm glitten an der durch die Scheibe sichtbaren Wand mit ihrem abbröckelnden Putz langsam dunkle Landkartenflecken abwärts, Flecken, die von Feuchtigkeit und Alter herrührten und die ebenso wie die Wolken am Himmel eine Vorliebe für die Silhouetten des Schwarzen Meeres und Australiens bezeugten.

Tja, lieber Vladimir Vladimirovitsch, die Zwiebel hast du vergessen, dachte er sich, derart zur Fraternisierung autorisiert, und das machte ihn schon einigermaßen stolz.

Dafür hat Nabokov aber auch nicht den Nobelpreis bekommen, den gibt es fürs Zwieblhäuten, raisonierte er, und mehr darüber morgen.

Beim Häuten der Zwiebel /2

Nachzutragen sei noch der Beweis seiner Behauptung,Österreich sei dereinst in Wolkengestalt überÖsterreich gesegelt:
Österreich überÖsterreich (Ötscher, 10.8.2000)

Düstere Vorahnungen lagen in diesem Naturschauspiel, man betrachte die Verdunklungen im Süden – naturgemäß, wäre man versucht zu sagen. Und was es mit den sezessionistischen Tendenzen im äußersten Westen auf sich hatte, das würde sich auch noch weisen, war er sich sicher.
Sechs Jahre waren seither ins Land gezogen, und mittlerweile warÖsterreich über ganzÖsterreich gekommen, hatte sich – vor allem sonntäglich – als undurchdringlicher, bunter Nebel breit gemacht, schrie herum, billig, billg, nur 50 cent.
Aber seine Gedanken schweiften ab, er müsse sich zusammennehmen, damit er nicht den Faden verlöre, stellte er sich vor.

(Morgen: Wie das Lesen so spielt)

Beim Häuten der Zwiebel /1

Beim Häuten der Zwiebel fiel ihm auf, dass das letzte Blättchen, das noch übrig war, exakt die Flächengestalt Australiens (ohne Tasmanien) hatte, noch dazu an der richtigen Stelle, unten rechts.
Wie ihm ja auch einmal am Gipfelplateau (man hatte eben den Rauhen Kamm bezwungen) desÖtschersÖsterreich in Form einer Wolke vorbeigezogen war.
Beim nächsten Mal würde er wieder aufpassen, wer weiß, vielleicht gelänge ihm, sagen wir: Südamerika, bis hinauf zum Panamakanal.

Da kamen ihm die Tränen.

Gmunden /6 – Guten Morgen

Aber, vor die Wahl gestellt, den Freitagmorgen – so hatte man ihm gesagt – ab 7.00 Uhr mit bis oben vibrierender Pressluft begrüßen zu müssen oder sich (wie sich herausstellen sollte völlig unnötigerweise – weil die folgende Nacht eine ganzundgar verschwiegene werden sollte) ohrstöpselbewehrt unserer morgenfrohen Jugend zu erfreuen, wählte er dann doch als zeitmaschinistische Übernachtungsoption jene vom Heute aufs Morgen und nicht retour zum Freitag, was natürlich ein völliger Blödsinn war, so etwas zu denken, aber was stellte man sich nicht alles vor, damit das Leben erträglicher oder eben unerträglicher würde, ganze Industrien, nicht nur in Hollywood, lebten davon, stellte er sich vor.

Gmunden /5 – Akustisches

Akustisch aber war die Nacht durch drei Konstituierende bestimmt.
1. Ein unsichtbarer Autobus, aus dem, so stellte er sich vor, eine renitente Rentnergruppe,
die auf einer völlig unverbindlichen Werbeverkaufsveranstaltungsfahrt der Firma HaWaTex Haushaltswaren und Textilien GmbH Hamburg zu wenige Heizdecken erworben hatte, die Fahrt an den Traunsee und das im Fahrpreis enthaltene Schnitzel aber sehrwohl konsumiert hatte (die vorgesehene Schifffahrt mit der Gisela war sich, eine stets eingeplante Leider-Rache der mittlerweile ebenso wie ihr seniorisches Publikum illusionslosen Werbeverkaufsveranstaltungsfahrtenveranstalter nicht mehr ausgegangen),
nicht und nicht aussteigen wollte, oder die man nicht aussteigen ließ, bis dass nicht genug umgesetzt worden wäre; oder hatte man die Kohlenmonoxidvariante gewählt, weil der Motor des Busses lief und lief und lief, ein Klang, der über den Platz zwischen seinem Hotel und dem See aufs idealste in die Höhe geleitet wurde, sodass die Schallwellen ausgerechnet und ausschließlich bei seinem Fenster herein wollten.
2) Die sich alkoholisch ihrer selbst vergewissernde Schuljugend an jenem Schulanfangswochenende in dieser Bezirkschulstadt, ein Klang, der über den Platz zwischen seinem Hotel und dem See aufs idealste in die Höhe geleitet wurde, sodass die Schallwellen ausgerechnet und ausschließlich bei seinem Fenster herein wollten.
3) In Pausen von 2), und nachdem 1) doch noch vorbei war (wahrscheinlich war der Tank des Autobusses leer gelaufen), wirkten noch die sehr agilen Seelebewesen – Fische und Algen ausgenommen -, mithin die flügelige Fauna; vor allem die tagsüber eh recht herzigen Blesshühner/Blässhühner (Fulica atraLinnaeus, 1758) aka Hurbeln mit ihrem weißen Streifen am Kopferl, deren enterische Lautgebung einerseits an Snorre = den Faulen Willi, erinnerten, andererseits aber wie eine schlecht geölte Schanktür quietschten, ein Klang, der über den Platz zwischen seinem Hotel und dem See aufs idealste in die Höhe geleitet wurde, sodass die Schallwellen ausgerechnet und ausschließlich bei seinem Fenster herein wollten.
Jetzt aber Gute Nacht!

Gmunden /4 – Olfaktorisches

Diese Nacht von Freitag auf Samstag nämlich sollte es nicht zum Augenzumachenkönnen kommen; zudem konnte man sich die Nase  schlecht zustopfen, wenn die Zigarettenrauchfähnchen aus den offenen Fenstern der unteren Ränge ausschließlich und ausgerechnet bei seinem Zimmer hereinwollten.
Wie heißt es so schön: Nur weil du nicht paranoid bist, brauchst du nicht glauben, dass sie nicht hinter dir her sind.

(morgen: Akustisches)

Gmunden /3

Man hatte ihn im Seehotel – erraten! – Schwan untergebracht, sehrschön dieser Blick auf den See. Da er später am Abend angekommen war, sah er nichts vom Traunstein als den roten Punkt wohl eines Senders (am Morgen dann war der Berg vom Nebel regelrecht wegretuschiert).
All das schärfte Gehör und Geruchssinn für die kommende Nacht.

Gmunden /2

Gmunden, wo der Traunsee ausrann, hatte man immer schon der Schwäne wegen besucht, und er hatte sich immer gefragt, warum man so weit fahren musste um diese unsympathischen Viecher zu besuchen, noch dazu wo es in seiner Heimatstadt mehr als genug, dazu allerlei Enten und, vor allem im Winter, jede Menge Möwen gab, die durch den morgendlichen Nebel wie schlecht geölte Schwingtüren quietschten.

Gmunden /1

Gmunden, das war so eine Stadt, deren Name der äußeren Form nach einem Verb im Infinitivum entsprach, dessen Bedeutung man nicht (noch nicht oder nicht mehr) kannte. Der Griff ins Regal zum Wörterbuch der bisher unbenannten Gegenstände und Gefühle war umsonst, Gmunden existierte dort nicht, es schien kein Bedarf zu bestehen, etwas infinitiv mit gmunden zu benennen, und näher betrachtet könnte das durchaus plausibel sein, Gmunden, ein Verbort ohne verborgene Bedeutung, sehr aufschlussreich, wirklich wahr, stellte er sich vor.
Oder, um es kurz zu sagen: soso.

aaah shut up

Er war berüchtigt, und zur Höchstform lief er auf, wenn er Gäste bei seiner Livesendung hatte, die keine Ahnung von seinem Rang und Status hatten; er würde ihnen schon beibringen, welcher Meinung sie zu sein hätten. Besondere Meisterschaft hatte er darin erlangt, seine Gäste nicht eher zur Sache kommen zu lassen als bis er seine Position ausgebreitet und sie so gelenkt hatte, dass sie ihm unwillkürlich zustimmen mussten. Und wenn sie dann endlich ihre Meinung kundtun wollten, blieb meistens nicht mehr viel Zeit.
Beim Zuhören (es belustigte ihn jedesmal) musste er in einer solchen Situation vehement an John Cleese denken, wie er einen Interviewgast, den er mittels immer unverschämt-amikalerer Anreden (vom Sir bis zum Schatzibaby) zermürbt hat, sodass dieser schon (völlig zurecht) empört das Studio verlassen will, schließlich durch Zurückrudern zum Sir und wollen Sie uns bitte jetzt von Ihren neuesten Film erzählen den Gast noch einmal beschwichtigt, der hebt an, aber kaum hat er den ersten Satz zur Hälfte gesagt, würgt ihn der Moderator (was für ein schöner Wortsinn!, moderator – Leiter, Lenker; der das gehörige Maß Anwendende, Helfer) ab mit diesem berühmten (siehe Überschrift).
Es ist zum Niederknien. Herrlich, großartig.

Sonntag

Seit einem Monat nun täglich, das Straßenbild an wirklich jedem Schilderstangl hervorkragend gestaltend vor allem samstags und sonntags, penetrierteÖsterreichÖsterreich. Um 50 cent konnte man sich diese unerträglich bunte Tageszeitung, bei der die Schauer (es ist eine andere, die eine für Leser ist) das Gefühl haben sollten, jetzt aber wirklich Alles Wichtige erfahren zu haben, undzwar exklusiv und völlig geheim noch.
Österreich, du hastÖstereich gerade noch gefehlt, dachte er sich an diesem Wahltag.

orange /4 und aus

Was die Kürbisse betraf, so fiel ihm – ein Kulturverfall, soviel war sicher – die Überwucherung einer wachsenden Zahl von Geschäftsauslagen mit oranger Ausrüstung zum korrekten Begehen des Überzwanzigjährigen völlig unverständlichen und also ganzundgar unsympathischen Halloweenfestes, welches ja nach panischen Marketingattacken erst in einem Monat hereinzubrechen drohte: Ausgehöhlte orange Köpfe, die einem das Fürchten lehren wollten.
So gesehen hatte die Stadt (und über verzweigte Filialnetze das ganze Land) ihre herbstliche Dekoration gerade zur rechten Zeit verpasst bekommen.
Dann aber bitte wirklich Schluss damit.

orange /3

Ja, richtig, die mit zunehmender Reife baazwoach (oö: sehrsehr weich) werdende tomatengroße Kaki hatte er noch vergessen.

In Ostasien, so informierte er sich umgehend, ist die Haupterntezeit für die Kakis in den Monaten Oktober und November. Die Bäume haben dann bereits alle Blätter verloren.

orange /2

Die Größenabfolge oranger Früchte verlief vom oft riesenhaften Kürbis über die Orange und Mandarine (beide oft kernlos gezüchtet und also nicht in der Lage sich selbst zu vermehren) bis zu den gnomhaften Kumquats.

Dann gab es noch die knackigen Karotten, diese waren in der braunen Erde daheim.

orange /1

Trotzdem der Herbst bereits begonnen hatte, konnte er nur mit einem Leiberl bekleidet außer Haus gehen. Am Morgen hatte er sich unwillkürlich ein oranges T-Shirt mit dem aufgenähten Markennamenszug Boss aus der Paxschranklade gezogen und es sich, da er gleichzeitig die Radionachrichten hörte, letztlich nicht ganz ohne Häme übergezogen.

Waidmannsheil (ziemlich kursiv)

Der Hase schießt mit etwas Schrot
Den Hasenjäger etwas tot.

(Horst Eckert, aka Janosch)

Preise beim Kleinkaliberschießen der Schützengesellschft Wildalpen vom 8.-10. September 2006: Neben diversen Abschüssen (Hirsch III, 2x Gams, Wildschwein samt Wildpret etc.) gibt es Kipplaufstutzen, Motorsäge, Staubsauger. Dazu noch sonstige wertvolle Sachpreise.

Ich hätte gerne einmal alles.

(Mit etwas Schrot sollte das gelingen.)

gottgewollt

Dieser Lehrer (für den Erzbischof Lefebvre gerade noch nicht zu links war) wurde Jahre später angesehener Vizebürgermeister einer kleinen Gemeinde im Umland, und in dieser Zeit hungerte sich die Tochter einer, wie man gutachterlich feststellte, strafunmündigen Gemeindebürgerin in religiösem Wahn zu Tode; der (nicht) behandelnde Arzt wurde freigesprochen, ein Sozialarbeiter streng bestraft, dann wurde nicht mehr über diese tragische Geschichte geredet. Eine Recherche über im Ort vorhandene religiöse Eiferer und Privatgelehrte wurde nicht angestellt, wozu denn auch, das ist doch harmlos, solange es christlich ist und also gottgewollt; und besser, als wenn die jungen Leute nur Blödsinn im Kopf haben. Es mag ausschließlich daran liegen, dass es schon einen Wallfahrtsort in der unmittelbaren Nähe gab, dass der heimatverbundene Lodenprophet nicht heilsvermehrend initiativ wurde. Vielleicht aber würde er nur ein paar Jahre zuwarten, bis zugehörige Wunderzeichen einen neuen Gnadenort erstehen ließen. Dann könnte man endlich den Namen des Ortes, der einem Raubtier entlehnt war, in Lämmern umbenennen. Und er könnte, pensioniert, Bürgermeister und Kultwächter in einem werden.

Biologie /3

Schließlich hatten sie auch noch ein ganzes Jahr einen gehabt, der mit biblischem (allerdings gestutzten) Bart wissenschaftlich gesicherte Beweise für die Fundstätte der Arche Noah vorlegte, dazu erbauliche Vorträge über stigmatisierte Mystikerinnen, die sich nur von Hostien ernährten und die gesamte Zukunft der Welt (bis zum Jüngsten Tag) in dicken Büchern niederschrieben; zu dieser Zeit kannte die Welt noch kein erworbenes Immunschwächesyndrom, aber er hätte sicherlich taugliche Vorschläge parat gehabt, wie man sein Blut rein zu halten habe in dieser keinerlei Evolution sich verdankenden Schöpfungswelt.

(morgen: gottgewollt)