Um dreiviertel zehn erst war er aufgewacht, schnellschnell duschen, das Frühstück noch erwischen. Die Stube fand er leer, nur auf einem Tisch war ein Korb mit Semmeln, davor ein dicker Porzellanteller mit dem, was er das österreichische Gastronomiefrühstück nachÖNORM (1971) nannte: einpapierlter Butterquader, Plastikhonig, Plastikmarmelade, Leberaufstrich in Aluminium. Gleich würde die hornhäutige Wirtin mit dem Zuspätblick die Teekanne herstellen, die man nur mit einem Topfhandschuh anfassen konnte, weil das Wasser zuallererst den Griff aufgeheizt hatte, was zur Folge hatte, dass der ausgerauchte Teefixsackerltee (Assam Ceylon Blend) bestenfalls lauwarm war.
Guten Morgen, rief er ohne weitere Erwartung ins Leere, morgen, echote ein Gast hinter seinem zweiten Bier, sonst herrschte Ruhe. Er drehte noch eine Runde im Saal und schritt dann wieder zügig zur Treppe, nur rasch zurück ins Zimmer und, jawohl, es war genug Bewegung, der Verdauungsapparat war angeworfen, der Frühstückszweck erfüllt; andere, dachte er, müssen, um gesellschaftsfähig zu werden, jeden Tag eine Stunde früher aufstehen, umständlich starken Kaffee trinken und drei Zigaretten rauchen, alles auf den lichten Magen. So gesehen war ihm dieÖNORM 1971 ein ausreichend erleichternder Segen, stellte er sich vor.
kalorienfrei
4. Dezember 2006