Jahr: 2015

sicherheitswarnung

silvester. wie andere europäische großstädte auch, bittet wien, vor allem via untergrundmedien, man möge sich am silvestertag aus sicherheitsgründen des tragens mittelgroßer rucksäcke (sog. „city bags“) enthalten. mit stichprobenartigen kontrollen sei zu rechnen. missmutig, jedoch voll verständnis (oder, ehrlicher: umgekehrt) verschweißen wir die exquisiten mangalitzawürste paarweise und binden sie uns um die taille. dann wird der mantel angezogen und oben alles zugeschalt. mit zwei vom gleichen produzenten stammenden flaschen besten winzersekts in jeder hand machen wir uns auf zu den freunden. gleich geht alles los.

hereingeschneit

am weihnachtsabend 1965 schlug im englischen barwell ein meteorit ein. fünfzig jahre später kehrte ein großes stück des himmelskörpers für einen tag nach hause zurück.
derstandard.at

was für eine sinnige definition von heimat: wo du aufgeschlagen bist. und weihnachten, da gehört es sich aber wirklich, daheim vorbeizuschauen. oder, wie wir sagen: einaz’schneim.
mochma, komplett.

aal – butzemann (band 1)

das zehnbändige handwörterbuch des deutschen aberglaubens war tatsächlich so unversehrt und neuwertig, wie im internetten angebot behauptet, und der als spediteur einspringende freund hatte den beträchtlich schweren ziegel mit nur wenig murren die drei stockwerke hochgeschleppt, man trank kaffee und war fröhlich. ein gutes omen: um den aberglauben ist es, generell, recht gut bestellt.
was es aber damit auf sich hatte, dass band 7 neben band 3 in den schuber geschoben worden war, bedürfte einer gesonderten, bangen, untersuchung.

besuchsdiplomatisches

japanische sonde erreicht venus
orfon

gebannt warten wir auf den gegenbesuch. wobei erlaubt sein muss, die frage nach der prinzipiellen satisfaktionsfähigkeit japanischerseits zu stellen. ob es also erfolgversprechender gewesen wäre, den liebesplanet von einer französischen sonde erstbesuchen zu lassen.
wie lange dauert denn bitte so eine reise?

zu warm

in den herzen wirds warm
adventliche liedtextzeile

bitteschön, wir wären soviel gern viel viel wohltätiger, aber was sollen wir denn machen, wenn es gar so warm ist und der schnee nicht so leise rieselt, wie wirs für schöne brauchtum brauchen täterten? so gibts halt leider nur geringe umsätze an unseren mildtätigen punschstandln, und draufzahlen müssen wieder einmal die ärmsten unter uns, was wir nicht müde werden anzuprangern.
womit das auch einmal gesagt wäre, weil: an uns liegts ganz sicher nicht.

umkehrschluss

glück verlängert das leben nicht
orfon

jedoch: mit etwas glück hat man kein pech und wird z.b. nicht von einem herabfallenden ziegel erschlagen. oder von einem herabfallenden ziegel zwar getroffen, aber nicht erschlagen und lebt, sozusagen mit etwas pech, weiter.
es gibt süßwasserpolypen, die altern nicht und sterben nur bei unfällen, mit denen sie und die welt gesegnet ist, wie bekannt.

reich der gesundheit

arme sind öfter und länger krank
orfon

dazu ist bitte folgendes anzumerken (zum teil gespeist von persönlichem erfahrungswissen):

1) man vergesse nicht auf die beine. nach dem laufen etwa, wenn man nur, wenn überhaupt, für recht kurze zeit aufwärmt und hernach dehnt, kann es durchaus vorkommen, dass man sich eine zerrung im oberschenkel einfängt. so etwas kann sich über schmerzhafte wochen dehnen; merke: längere beine (auch solche von lügnern) sind länger krank.

2) als posaunist habe ich zwar grundsätzlich zwei gleichlange, der rechte aber unterscheidet sich vom linken durch zumindest fünf zentimeter größeren spielraum. so gesehen könnte man durchaus behaupten, einer meiner arme sei (wenn auch nicht öfter, so zumindest) länger; dass das allerdings krank sei, kann ich nicht bestätigen: es ist ein recht reversibler vorgang, und die fähigkeit zum längeren und alerteren aus- und einfahren (vlg. spielraum) bietet mir zudem beim zügigen musizieren etliche vorteile.

3) wenn es sich, wie sich beim nachlesen des artikels heraustellen musste, bei arme um den plural von der/die arme, mithin menschen in armut handelt, so kann man doch nur empfehlen, schlicht nicht arm zu sein oder vorzuhaben, es zu werden: so kann keinem was geschehen, und wir (wir alle!) erkranken fürderhin immer noch seltener und kürzer, bis wir alle, unheilbar gesund, dereinst dennoch des todes sein werden.

wir sind wahrlich alle ganz schön arm dran.

duo mondial?

bruno ganz bestätigt affäre mit romy schneider
orfon

ist aber hoffentlich schon ein zeitl her.

tendenz: steigend

adeles „25“ übertrifft alle erwartungen
orfon

26? oder gar 27? jedenfalls mehr als jene klimtische, die es lediglich zu gold gebracht hat.
… ad multos annos!

gingwer

nämlich: man nehme zwei brocken kandierten ingwers, genieße sie. hernach: ein schluck (z. b.) beefeater.

ein hochgenuss: die adventöse stillzeit kann kommen.

kohlomen

die virtuelle forelle
gedichtband, erwin einzinger

pjöngjang. eine internationale schlacht hat das nordkoreanische regime gewonnen: nordkoreanisches kimchi – das populäre, durch milchsäuregärung zubereitete koreanische kohlgericht – wird vermutlich von der unesco den prestigeträchtigen status eines immateriellen weltkulturerbes erhalten.
diepresse.com

ein land lässt seine leute verhungern. konsequent und irgendwie ehrlich erscheint also, dass es sein nationalgericht mit dem status immateriell international auf höchster ebene eben als virtuelle speise approbieren lässt. politische beobachter meinen: das regime wankt.

banalarm

alarmzustand bleibt
brüssel plant erste schritte zur normalität
orfon

so isses: irgendwann (recht schnell) wird der alarmzustand zur normalität.
gespannt verfolgen wir, wie sich die stadt der spitzenmacher verwandelt zu einer der haftelmacher.
haftelmacher, das sollen wir werden, alle.
es gilt, dringend, sich in unachtsamkeit zu üben.

wortschöpfer, tatmensch

seit annähernd zwei monaten weiß die welt von heute, dass stefan zweig zum „schauprangern“ neigte, also sich (z.b. im liechtensteinpark) exhibitionistisch präsentierte, habe ich gestern erfahren. 

zeitschichten klaffen auf. 

nos

nach der großen festivaleröffnung, in the gettogether. dezentrale erkenntnis: tiroler stehen bei tirolern, immer. und ausschließlich.
ost-? isch ein spezielles kapitel, woasch.

nlhp —> uhbpp?

man muss vom hickhack zum ruckzuck
erwin p.

vom vom zum zum
(…)
und zurück!
ernst j.

da will einer im ernst bundespräsident werden. und er weiß auch schon, wie’s geht.

abgefangen

im dichten nebel hat ein pkw-lenker in niederösterreich die kontrolle über seinen wagen verloren. er landete direkt in jenem kreisverkehr, in dem ein draken-kampfjet aufgestellt ist. der lenker beging fahrerflucht.
orfon

um weitere anfragen gleich im ansatz abzufangen: der abgelenkte (ex-)lenker dürfte das nebelige weite zu fuß gesucht haben und im raum tulln aufhältig sein. der fest mit dem boden der kreisverkehrlichen landesrealität verbundene ex-abfangjäger indes startet immer noch in permanenz.

nemesis divina?

ausweglos-unversöhnlich, wie mit voller protestantischer wucht, so hatte ihn das schicksal (wie man sagt) getroffen: ihm, der niemals etwas von niemandem vergessen hatte, dem großwebmeister der umfassenden intrige (wenn nicht zum eigenen vorteil, dann wenigstens zum verderben des anderen), war die welt abhanden gekommen, alles löste sich auf, dearchivierte. in lichten momenten konnte er einen noch einigermaßen zuordnen. und er war, so hieß es, milde und zufrieden geworden. eine art von erlösung, vielleicht: am ziel.
der ansporn für einen selber laute: erreiche diesen zustand ohne zu dementieren oder zumindest, wenn es denn sein muss, davor. und, bitte unbitter, mit niedrig dosierter galle.

poliglotti

umfrage: schweden sprechen am besten englisch
orfon

uns täte dann noch interessieren, wer denn am besten schwedisch spreche.
einmal, im urlaub, beim bed and breakfast (engl.), in der nähe von bassano del grappa, da waren die zwei kinder der quartiergeber (tadellose italiener, allesamt), die haben akzentfreies norwegisch gesprochen – und gesungen!

rindien

langstrecke. fliegen bedeutet aufnahme tendenziell stopfender nahrung als mittel zur zeitlichen fragmentierung: dann sind wir früher da. just beim eintritt in den indischen luftraum servieren die emirate nicht etwa linseneintopf, sondern beef tenderloin. irgenwie subtil.

atemlos

zusammenkunft in sachen künstlerische forschung. die allzu brilliant vortragende forschungskünstlerinnenmentorin gab den zuhörer*inne*n nicht eine atempause zum einhaken für eigene mit-gedanken. sie agierte nachgerade perfekt, wie die perfekte dampfwalze. natürlich braucht es perfekte dampfwalzen: zum dampfwalzen. aber kunst? – das wäre was anderes. man war einer ichkunstwerbeagentur aufgesessen, und so etwas liegt – nicht nur, sondern auch – am genau solche stromlinienopportunist*inn*en begünstigenden, ja verlangenden system. an den rädern, längst schon: creative directors, informationsdesigner. künstlerisches tun und denken aber bedarf des zulassens einer – unspekulativen – fragilität. in so einer zone gibt es keine dampfwalzen, kann es keine dampfwalzen geben: himmel bedeutet die unmöglichkeit von krähen.
sagt kafka, und der, als beamter, der muss es wissen.

physiotherapie, zeitgemäß?

hässliche kommentare über ihre schönen kurven, die im internet abgesondert wurden, setzten selena gomez zu. so sehr, dass die 23-jährige us-sängerin psychotherapie in anspruch nahm.
kleine zeitung

nun, leider kenne ich das fräulein gomez nicht, weder persönlich noch von angesicht. aber es wäre interessant zu erfahren, wie es sich bewerkstelligen lässt, dass man seine kurven im internet absondern kann, oder, je nachdem (mehrere lesarten erscheinen grammatikalisch zulässig), von anderen gar absondern lassen kann. wie gesagt, leider kenne ich das fräulein nicht, weder vor noch nach ihren stattgehabten absonderungen. aber vielleicht könnte es sich melden, ich bin (im auftrag zahlreicher präsumtiver klientinnen – aber auch klienten!) heftig interessiert. es tut sich da nämlich ein so sonderbares geschäftsmodell auf. einfach von daheim aus, wirklich sehr praktisch und bequem. das weitere kriegen wir dann schon noch hin.

volksweise

schnelle gletscher graben tiefer
orfon

nur ganz selten gelingen schlagzeilen, die das zeug haben, in den allgemeinen sprachgebrauch („volksschatz deutscher haussprüche“) aufgenommen zu werden. „schnelle gletscher graben tiefer“ ist von solchem format, weil sich sein primärer gehalt abstrahieren lässt, und damit ist die formulierung tauglich für den alltagsgebrauch. ich stelle „schnelle gletscher graben tiefer“ jetzt schon in eine reihe mit allzeitklassikern wie „lügen haben kurze beine“ oder „die liebe ist ein seltsames spiel“.
dass es eine sentenz ähnlich weit (zugegeben, höher hinauf noch) gebracht hat, ist schon über zehn jahre her. gedenken wir des 20. april 2005, als es in der bild-zeitung – in genialischer verwendung des rhetorischen stilmittels totum pro parte – hieß: „wir sind papst!“

maranatha (4)

gefängnis ist pleite
kurier

jetzt reißt auch noch, so die meldung, das personal-management ein loch ins budget. da nützt nicht einmal das ansich naheliegendste für unternehmen im konkurs (zusperren), etwas.
jedoch, so der populäre wille, eingesperrt muss werden. was also tun? ein prekärer zirkelschluss.
wir brauchen einen messias.

erdig vorausahnend

miss earth besucht wien
orfon

alles was ist, endet.
ein düstrer tag dämmert den göttern:
dir rat‘ ich, meide den ring!

erda, in: richard wagner, das rheingold (v1684ff)

davor, jedenfalls: dunkle, in die tiefe absteigende posaunenstöße, dass selbst einem gott das schaudern kommen kann.

bruno by leo

„sag einmal zehnmal kirski!“
„kirski. kirski. kirski. kirski. kirski. kirski. kirski. kirski. kirski. kirski.“
„wie heißt der österreichische bundespräsident?“
„kreisky.“
„falsch, kirchschläger.“

ähnlich, allerdings ohne fehlleistungspointe, funktionierte ca. 1978 in der schulpause die aufforderung, zehnmal hintereinander „hirsch heißt mein vater“ zu sagen. wieder eingefallen sind mir diese vexierspiele, wie ich folgende zeile gelesen habe (hier pur und völlig kontextlos wiedergegeben):
„beschrieb kreise, trank whisky und schwieg. redete“

unweigerlich auf kreisky kommt man vor allem deshalb, weil, hinter der whiskyumkreisenden engführungsassonanz just „schwieg. redete“ steht.

rhythmus, das ist mehr (viel mehr) als plump ablaufende vierviertelbeats.

bestellen sie, in ihrer persönlichen buchandlung, „ins licht“ von leopold federmair. (die zitierte zeile findet sich auf seite 108.)

Schule des Staunens 14.2

ATACAMA, ein Vortrag klingender Gedanken Aus der Schule des Staunens

Stille – Einschwingen (auf Es) – Stille
Fasten – Bruckner, zum Beispiel (plumper Bauernbleampü)
… Nachwelt? Abregnen?
von der Kugelgestalt der Zeit
dieser nabokovsche Lichtspalt
Zählen (mit besonderem Augenmerk auf die lateinische Welt; chronologisch und im historischen Präsens); nebst einer Fußnote über Bruckners unbewusst höchste Lust
Wüste … Landschaft … W e i  t   e    .     .       .
„So nah am Wasser und doch so arm an Wasser“ (Humboldt)
ἐρημίτης, Wüstenbewohner
im Kreis (Gerücht)
quirlig (dünnt aus, ins Unermessliche)
dixit Nabokov, scripsit Lucretius (De Rerum Natura)
von der Geschwindigkeit des Lichts
Supermoon (Es-Dur)
Mondkartoffel, Schädelkonfekt
irreprehensibilis

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Am 19. Juli 2015 bot die Platane No. 00652 reichlich Schutz vor der sengenden Sonne, auch wehte ein angenehm kühlender Wind durch ihre Blätter. Nachts kann man hier, wenn man sich auf den freien Rasen begibt, gut die Sterne sehen. Bitte also nicht vergessen:

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Wer will, kann sich den Vortrag vom 19. Juli 2015 hier herunterladen:

https://muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix72dpi/download_pdf_button.jpg

Schule des Staunens 14.1

Sonntag, 19. Juli 2015
Viktring (A), Schulpark, Platane No. 00652
ATACAMA [UA]
Bertl Mütter, Mut- und Wunderhorn, Stimme; Konzept; Komposition

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So stand es geschrieben:

Man könnte seine Musik als Slow Food für die Ohren bezeichnen. Wenn Bertl Mütter – einsam, nicht allein – am Podium steht und seine Instrumente hörbar beatmet, ist dies – zugleich! – karg und üppig, opulent gar, zuweilen. Für das Festival NEUE WELTEN, das sich dieses Jahr Lateinamerika widmet, begibt sich Bertl Mütter assoziativ in die trockenste Wüste, die zugleich nachts die lichtloseste Landschaft der Welt ist, von wo aus sich der unverfälschteste Blick ins Weltall werfen lässt. (Das Weltall, weniger noch als Wüste, buchstäblich beinah nichts.)

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Fragen tauchen auf: Jene nach dem Blick aus dem Weltall zu uns auf dieser Welt, der Erde. Oder jene nach den Sprachen: Einem Exoterrestrier müssten sie sehr ähnlich, ununterscheidbar eigentlich, erscheinen. Als promovierter künstlerisch Forschender weiß Bertl Mütter, dass es Aufgabe der Kunst ist, Fragen zu stellen – Antworten gibt es schon allzu viele. Allzu einfache.

bratschenmatt

nach langer krankheit, jedoch „unfassbar plötzlich“ sei er verstorben. was für eine noble, distanz wahrende umschreibung für die finale verzweiflungstat eines mit seinem klang so berührenden musikers.

50

zum eckigrunden geburtstag gilt: das leben in ordnung bringen, besser noch: ordnung ins leben bringen!

ein erster versuch – beel mrrtttü (bzw. beeeh mrrrtttü) – erweist sich als wenig hilfreich.

als zweiten versuch stelle ich mir die frage: wer war immer schon da?

• dick & doof
• hans moser & theo lingen
• peter alexander & gunter philipp
• neil & louis armstrong
• kreisky, breschnew & hugo portisch
• heinz conrads & alfred böhm
• …

(ab einem gewissen alter explodiert alles ins unermessliche: man ist akkulturiert, angekommen.)

das betulich-peinliche erforschen, wann jetzt wer in mein leben getreten ist, ich erspar’s mir und euch. keiner muss sich einordnend eintragen in einem bereitliegenden ordner mit jahresregister, gar ein möglichst konkretes datum dazu schreiben, sei es rekonstruiert oder geschätzt. auch die rekonstruktion der ersten begegnung, erinnerung oder gar einschätzung bleibe ausgespart, für immer.

weiter, froh und munter, nichts mehr.

Schule des Staunens 11.2

Das Manuskript meines Vortrags, den ich am 20. Mai 2015 gehalten habe, können Sie sich hier besorgen: https://muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix72dpi/download_pdf_button.jpg

Schule des Staunens 13.2

Mit der Präsentation meiner mütterkinderlieder am 7. Juni 2015 ist meine subaltern staunende Tätigkeit im Wiener Konzerthaus, das mir in dieser Saison die großartige Gelegenheit geboten hat, anhand ausgewählter Werke und Sujets poetisch-musikalische Untersuchungen in vivo und coram publico vorzunehmen, für diese Spielzeit zu Ende gegangen. Allen, die zum Gelingen beigetragen haben, möchte ich meinen tief empfundenen Dank aussprechen, zuallererst aber Ihnen, verehrtes Publikum.

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Ich darf Ihnen versichern: Für Staunende gibt es kein Staunende!

Weiter

Staunen, das ist nämlich viel mehr als nur wahrnehmen.

evolutionär obenauf

„es ist einfach geil, dass wir heute das ding in der hose haben!“ so, noch völlig im taumel, bricht es aus dem siegreichen barcelona-tormann, der, im gegensatz zu seinem der turiner jugend angehörigen kollegialen kontrahenten, nur einmal hinter sich greifen musste und ansonsten das ganze spiel vor seinen beinen hatte, sich von zeit zu zeit wohlig kratzen konnte, die dinge richten, eben platz machen, für das, kollektive, ding an sich, das so geil ist, es schlussendlich in der hose zu haben. 
den anderen indes, ihnen bleibet nur, auf dem rasen auszuspucken, vergeblich. 

Schule des Staunens 13.1

Sonntag, 7. Juni 2015, 18.00
Wiener Konzerthaus (A)
, Schubert-Saal
Schule des Staunens – Vorspiel
mütterkinderlieder (nachmahler)

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In den mütterkinderliedern nähert sich Bertl Mütter dem Klangkosmos Gustav Mahlers: Die nah am Vorbild musizierten Kindertotenlieder konterkariert er dabei improvisatorisch mit mahlerschem Material, vor allem aus den (scheinbar) heiteren Wunderhornliedern. Dichte Musik, Mahlerharz, bis ins Schweigen.

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„die bühne bestand aus einem zweiertisch in einem sehr kleinen griechischen restaurant neben dem cafà© museum am wiener karlsplatz, die aufführung fand 1994 statt. ich hatte bertl mütter kennenlernen wollen, einen der spannendsten musiker und performer der stadt, und noch beim ersten retsina entdeckten wir, dass wir beide die musik von gustav mahler liebten. wir bestritten das gespräch, indem wir uns unsere lieblingsstellen vorsangen, und mit einem mal hatte bertl den halben ersten satz der fünften im alleingang gesungen: hauptstimmen, nebenstimmen, holz, streicher, blech, alles wurde lebendig in meinen ohren, ein vollständiger orchesterklang in der kehle dieses lausbuben aus steyr.

(…)

die „mütterkinderlieder“ sind ausdruck einer großen liebe zur musik mahlers. und schon vor sechzehn jahren war mir beim griechen deutlich geworden, dass mütter nicht teilen will, dass er seine liebe ganz für sich allein haben will. so sind wir liebende. deshalb spielt er den zyklus allein. deshalb ersinnt er intermezzi, in denen er den ganzen mahler in den arm nimmt.“

christoph becher, 2010

______________________________

Das Konzert, dem ich meine mütterkinderlieder zur vertiefenden Vorbereitung voranstelle, beginnt um 19.30 im Großen Saal.

Interpreten

Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Orchester
Matthias Goerne, Bariton
Emmanuel Krivine, Dirigent

Programm
Anton Webern
Passacaglia d-moll op. 1 für Orchester (1908)
Gustav Mahler
Kindertotenlieder für eine Singstimme und Orchester (1901-1904)
***
Richard Strauss
Also sprach Zarathustra. Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche op. 30 (1896)

Schule des Staunens 12.2

Die am  21. Mai 2015 vom RSO unter Cornelius Meister aufgeführte 9. Mahler war nicht nur für mich eines der aufwühlendesten je erlebten Konzertereignisse. Kathartisch nachgerade. Namentlich im ersten und vierten Satz war es nahezu unerträglich zu erleben, wie die Bindungsenergie zwischen den Molekülen nicht mehr recht zu halten schien. Diese Welt von gestern, sie musste zusammenkrachen, und Mahler hat es, nunja, gewusst.

abschreckeffekt (unbewiesen)

wiener ampelpärchen bleiben hängen
orfon

was für eine subtile spielweise der ansonsten doch recht dumpf sich gebärdenden landläufigen homophobie!

Schule des Staunens 12.1

Donnerstag, 21. Mai 2015, ca. 20.00
Wiener Konzerthaus (A)
, Schubert-Saal
Schule des Staunens – Pausenintervention
Auflösung – Ablösung
Übers Hinauskommen

Gäste: Sascha Hois & Leonhard Paul, Posaune

104 Jahre und drei Tage nach Mahlers Tod, und Sterben bedeutet zuallererst nichts mitnehmen können (wohin auch? womit denn?), erforschen wir zwei letztlich komplementäre Strategien der Auflösung: Einstimmiges und komplexe Verwebungen von Klanglinien.

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Es ist mir eine besondere Freude, zwei von mir verehrte Meister ihres (ich darf sagen: unseres) Instruments als Gäste begrüßen zu dürfen: Sascha Hois, den phänomenalen Soloposaunisten des RSO und meinen, hmm, alten Kumpel Leonhard Paul, der wesentlich mehr noch ist als der Weiße Clown bei Mnozil Brass.

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Wir werden aber weder phänomenal noch clownmäßig agieren, sondern schlicht einen Versuch übers An-der-Welt-Zerbröseln und Wieder-Zusammenkommen (verändert, wie das nun einmal ist, wenn es einen zerbröselt hat) unternehmen. Ein ölig verzogener, quasi gregorianischer Choral (nach Jimmy Giuffres cry, want) und eine kristalline Stelle im ersten Satz der Neunten, misterioso (wo alles auseinanderzufallen droht) sind die Pole unseres Stücks.

Spätestens seit 1908/09 wissen wir ja: die Schwerkraft ist längst nicht mehr das, was sie einmal war. Und die Posaune, selbst im Trio gespielt, sie ist ein leises Instrument, voller Ahnungen. Bis dorthin, wo nichts mehr weht.

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Worum es also im Konzert geht (meine Behauptung: siehe Überschrift), das ab 19.30 im Großen Saal stattfindet, darüber werden wir voraushörend unsere Instrumente befragen.

Interpreten

ORF Radio-Symphonie-Orchester Wien
Hilary Hahn, Violine
Cornelius Meister, Dirigent

Werke
Max Bruch
: Fantasie unter freier Benützung schottischer Volksmelodien Es-Dur op. 46 für Violine
 und Orchester „Schottische Fantasie“ (1880)
***
Gustav Mahler
: Symphonie Nr. 9 (1908-1909)

before – after

nacktfotos: schuldirektor steht hinter lehrer
orfon (vormittags)

nacktfotos: schuldirektor steht zu lehrer
orfon (nachmittags)

danke, wir haben verstanden, und es ist ja auch bitte recht so. wie der direktor nun allerdings zum/hinterm lehrer steht, das täte uns aber schon auch interessieren. weil österreich ist bekannt dafür, dass die leute, gerade solche in leitenden funktionen, was anderes sagen als sie dann tatsächlich tun. oftmals sogar das gegenteil.

wie denn bitte auch sonst?

ein unbekannter hat in der nacht auf heute ein schnitzellokal in klagenfurt überfallen. als waffe verwendete der täter vermutlich einen elektroschocker. die sofort eingeleitete alarmfahndung verlief negativ. der überfallene filialleiter ist schockiert.
orfon

der zweifellos bemitleidenswerte klagenfurter schnitzellokalfilialleiter hat, da hat ihm niemand etwas vorzuwerfen, zu hundert prozent adäquat reagiert. durchunddurch authentisch nachgerade.
die post ihrerseits, so dürfen wir zur gleichen zeit erfahren, schützt ihre briefe austragenden mitarbeiter mit hundekeks.

Schule des Staunens 11.1

Mittwoch, 20. Mai 2015, 21.30
Wiener Konzerthaus (A)
, Buffet Mozart-Saal
Schule des Staunens – Nachspiel
stimmhaft
Zur Abbildung der menschlichen Stimme im Instrumentalklang

„Kein Instrument gleicht derart der menschlichen Stimme wie (…).“ – Bläser wähnen sich bei einer solchen Ergänzungsaufgabe gerne im Vorteil. Aber Imitation, das ist doch etwas fürs Varietà©, künstlerisch jedoch meist ein Missverständnis. Wie aber lässt sich das in der Stimme sich äußernde Wesen eines Menschen im Klang abbilden; wer weiß, Seele gar?

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/Gray956.png

Blasmusik, wie sie hierzulande als künstlerischer Breitensport mit ästhetisch zumeist recht beschränktem Horizont geübt wird, sie braucht Windkraft! Dass diese Windkraft, die prononciert zur Hervorbringung Neuer Musik eingesetzt wird, sich eine Kapelle nennt, stimmt mich optimistisch und vorfreudig auf vielfältig sinnliche Hörgenüsse.

Die frisch erlebten Klänge werden wohl unvermeidlich spontanen Eingang finden müssen in meine Anstellungen.

Jetzt – bin ich gespannt! (Ernst Jandl)
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Das Konzert, das mir ausreichender Vorwand für meinen Vortrag samt Posaune ist, ereignet sich um 19.30 im Mozart-Saal.

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Interpreten
Windkraft – Kapelle für Neue Musik
Marcus Weiss, Saxophon
Manuel de Roo, E-Gitarre
Kasper de Roo, Dirigent

Werke
Edgard Varà¨se: Intà©grales (1924-25)
Georg Friedrich Haas:
… über den Atem, die Stille und die Zerbrechlichkeit …. Versuch (1994)
Arturo Fuentes: In der Luft (2014)
***
Johannes Maria Staud:
Violent Incidents (Hommage à  Bruce Nauman) (2005-2006)
Iannis Xenakis: Akrata (1964-1965)
Giacinto Scelsi: I presagi (1958)

Schule des Staunens 10.4

Warum kann es kein Bruckner gewidmetes Konfekt von überregionaler Bedeutung geben? Wir müssen jetzt konfektmäßig natürlich fair bleiben: auch Schubert wird von den Großzuckerbäckern bis heute ignoriert (selbst vom Demel!); streng genommen hat es letztlich nur Mozart geschafft. Die »Bach Würfel« sind eine kühl kalkulierte Erfindung des Jahres 1985, von derselben Salzburger Konditorei Fürst, von der auch die »Original Salzburger Mozartkugel« stammt; dass deren großer Konkurrent aus Bad Reichenhall, die Paul Reber GmbH & Co KG, sich jüngst erst durch eine nichts weniger als unwürdig zu bezeichnende geschmäcklerische Gender-Anbiederei, die »Constanze Mozart-Kugel« (etwas süßer umhüllt als die klassische Mozart-Kugel1) selbst disqualifiziert hat, sei hier nur nebenbei erwähnt. Zurück. Weder Schubert, Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Mahler oder Wagner gar, haben es geschafft ins Schokoladenland. Und das »Webern-Zigarrl« aus Mittersill kann wohl nur als zynische Entgleisung eines örtlichen Zuckerbäckers (er wirbt ansonsten mit »Tauerngipfeln«) bezeichnet werden. Seien wir also froh, dass es kein Brucknerkonfekt gibt, denn was könnte das auch sein? Eine Marzipan-Kartoffel, die auf seinen oftmals recht kahl dargestellten Schädel rekurriert? Man könnte sie, und das wäre doch stimmig, plastilinanalog je nach Bedarf verformen. Wie sich ja auch Bruckner immer wieder verbogen hat, gemeint hat, sich verbiegen zu müssen. Angeblich.

Schule des Staunens 10.3

Warum man wohl die Nägel der großen Zehe (der Daumenzehe) soviel seltener schneiden muss, als jene der anderen (vier Stück, pro Fuß, gemeinhin*)? Ob es sich hier um ein ähnliches Täuschungsphänomen handelt wie die so beliebte übergroße Wahrnehmung des Vollmonds beim Aufgehen, knapp am Horizont, davor sich abzeichnend eine großstädtische Silhouette, und allen gehen die Mäuler auf vor Staunen: ein Supermoon! Steht so ein Himmelsereignis bevor, wird man von den heute gängigen Informationsmedien ausreichend vorenthusiasmiert, als gäbe es nichts wichtigeres zu berichten, und das wird wohl auch wahr so sein. Oder täuscht man sich – und uns? Gegen derartige Ablenkungen empfehle ich, an einem solchen Abend Bruckner zu hören.

Bruckners Schädel indes (war er in Steyr, so wurde er von Sepp Stöger, dem dichtenden Friseur, gewartet) war eine Mondkartoffel, wie sie ein zwei Tage vor oder nach der Fülle erscheint. Mond, täuschendes Licht.

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* Dass Marilyn Monroe polydaktil gewesen sei, ist ein bis heute sich haltendes hartnäckiges Gerücht, aber nicht mehr.

Schule des Staunens 10.2

Bruckners Biographie steht im Banne der Anekdotalität, man könnte sogar von einem Anekdotalitarismus sprechen. Nämlich: es reiht sich Klischee an Klischee. Angebliche Charaktereigenschaften werden uns da überliefert: der Tölpel, der Bauernbleampl, der unterwürfige Kerzerlschlucker, immer zumindest eine Nummer zu groß angezogen, schlampert noch dazu. Die Zeitgenossen, sie haben ihn allesamt verkannt und wahrlich Wagner nur war sein Genie bewusst.

Das ist bitte alles falsch! … Wie aber jede falsche Überlieferung kristallisiert sie entlang eines wahren Kerns. Ab dort jedoch wuchert es aus. … In der Tat hatte Bruckner größte Mühe, sein musikalisches Werk vor fremder Einflussnahme zu behüten, zu verteidigen. Er ging dabei keinesfalls immer geschickt vor und musste in Kauf nehmen, dass diejenigen, die von der Größe seiner Kunst nichts begriffen hatten, in seinen privaten Angewohnheiten wühlten. So ist das, bis heute. Gut zwei Drittel der doch recht umfangreichen Bruckner-Bibliographie handeln unnötigerweise von den Merkwürdigkeiten, insbesondere dem äußeren Erscheinungsbild und Gehabe eines angeblich kindlichen Mannes. Bruckners Charakter wird uns also hauptsächlich über mehr oder weniger verbürgte Anekdoten überliefert, weniger bis kaum in persönlichen Zeugnissen. Es gibt auch kein von ihm formuliertes musikästhetisches Programm, und seine Allgemeinbildung muss denn auch als recht marginal angesehen werden. So einer kann kein satisfaktionsfähiger Gesprächspartner für Meister Wagner sein! Einzig seine – vorbildlich edierten – Briefe sind neben den Partituren (die er, nicht blöd, in ihrer Originalgestalt der heutigen Nationalbibliothek vermacht hat) beredtes Quellmaterial; die Briefe bieten vor allem auch aufgrund gewisser darin unleugbar zutage tretender Schrulligkeiten recht vergnüglich (aber bitte nicht schadenfroh!) zu lesende Informationen über Bruckner, den Menschen, Bruckner den Typen, Bruckner, den (Eigenzitat:) Kampl.

Fritz von Uhdes (1848–1911) Gemälde „Das Abendmahl Christi“ aus dem Jahr 1886 zeigt ganz links am Kopfende der Tafel Anton Bruckner, als Jünger mit Blickkontakt zu Jesus. Bruckner, der, so Uhde, Hauptapostel. … Ob er sich wohl getraut hätte, Ihn um glaubensvollzugsbezügliche Erleichterungen zu bitten? Weil, war sein spontaner Ausruf, als er von der ihm zugedachten Rolle im Gemälde erfuhr, auch: „Jå, bin i denn a Jud‘?“, so hat er doch, sich einkriegend wohl, in herausbrechender Frömmigkeit auf seine zweifellose Unwürdigkeit hingewiesen, in so einer ehrenden Rolle abgebildet zu werden, und so gehört sich das ja bitteschön auch. (Mehr zur Nichtswürdigkeit als Lebenshaltung weiter unten.)

Zur Physiognomie Bruckners gibt es, ausgehend von den traditionsstiftenden Nekrologen im Oktober 1896, zwei parallel laufende Linien, die ihm einerseits Imperatorenprofil, andererseits einen Bauernschädel bescheinigen. Die Neue Freie Presse wusste gar, dass es an Kaiser Claudius gemahnte, diesem Kampl.

Schule des Staunens 10.1.2

Zählen (22.4.)

Heute, am 22. April, ist, da es sich um kein Schaltjahr handelt, der 112. Tag des Jahres. 2-2-4 – 1-1-2 — ist das nicht schön? Immanuel Kant wäre 301, Lenin 145, Vladimir Vladimirowitsch Nabokov 116, Kathleen Ferrier 103, Yehudi Menuhin 99 und Charles Mingus – God must be a Boogie Man – rüstige 93. Weiters gratulieren wir Jack Nicholson zum 78er und Fußballzauberer Kakà¡ zum 33er*. Der 21. April vermerkt keinen für meine Zwecke nennenswerten Todestag. Zwei Jahrestage: Exakt 102 Jahre weniger einem Tag vor Einführung des deutschen Kampfhundeeinführungsverbotes wurde in Karlsruhe der Verein für Deutsche Schäferhunde gegründet, von Menschen. Und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika begeht den Tag der Schöpfung – es scheint sich um einen Jahrestag zu handeln; meine zugegeben nicht sehr erschöpfenden Recherchen konnten mir keine näheren Informationen liefern, ob es sich um ein rundes Jubiläum handelt, auch nicht, was wir uns darunter vorzustellen hätten.

Dreinreden (22.4.)

Was für einen Unfrieden das Dreinreden doch da und dort stiften kann: Jack Nicholsons Dämonie kann so in keinem Drehbuch stehen. Man hat nicht vermocht, ihn einzubremsen. Und wenn es doch geschieht (überm Kuckucksnest), zu wem wohl helfen wir!? … Kakà¡ ist uns bekannt als Fußballzauberer. Da halten sich ebensolche Lehrlinge besser fern. … Kathleen Ferriers (oder auch Julius Patzaks) eigenwilliger Klang, wäre er geglättet (homogenisiert) worden, wer erinnerte sich heute noch an sie? … Wie läsen sich Nabokovs Bücher, müssten sie ohne diesen süffisant geschliffenen Spott auskommen? … Und wie hörten sich gewisse Aufnahmen des Charles Mingus Workshop an, hätte er nicht bei gewissen Gelegenheiten, zur Intensivierung des Ausdrucks, einen geladenen Revolver dabei gehabt: Seine Leute spielten buchstäblich um ihr Leben! Und es ist ja eh nichts passiert. (…)

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* Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die Summe der beiden Schallplattenumdrehungsgeschwindigkeiten (33 bzw. 45) die Grammophondrehzahl 78 ergibt? Das kann doch bitte kein Zufall sein!

Schule des Staunens 10.1.1

Zählen (21.4.)

Heute, am 21. April, begehen wir, da es sich um kein Schaltjahr handelt, den exakt 111. Tag des Jahres. Anthony Quinn wäre Hundert. Geboren wurde er in Chihuahua, jener Stadt, die auch der kleinsten Hunderasse ihren Namen gegeben hat; vor allem im 18. Jahrhundert wurden diese possierlichen, oftmals aber recht affektierten Tierchen von ihren Damen zur privaten erotischen Belustigung eingesetzt, weshalb sie nicht umsonst recht treffend Schoßhündchen genannt werden. Anthony Quinn seinerseits spielt in seinen Filmen vielfach (manchmal auch sympathisch) scheiternde. Josef Meinrad, ein großer bescheidener, wäre bereits 102. Seit 873 Jahren tot ist Petrus Abaelardus, und in zwei Jahren sind es auch schon wieder 900 Jahre, dass man ihn, im Spätsommer seines Lebens, entmannt hat, ein Attentat im August war’s. Mark Twain ist 105 und Willi Boskovsky, der Jahreseröffnungsstehgeiger meiner Kindheit, auch schon wieder 24 Jahre tot; Nina Simone verstarb vor einem Dutzend Jahren. Festlich stimmt uns, dass auf den Tag genau heute vor 2.768 Jahren Rom auf sieben Hügeln gegründet wurde, während es exakt 2.600 Jahre später, am 21. April 1847, in Berlin zur Kartoffelrevolution gekommen ist, die man sich ersparen hätte können, hätte man das neophytische Nachtschattengewächs nicht aus Südamerika über die Kanarischen Inseln bis nach Europa gebracht. 1847 dann sind die Kartoffelpreise gleich einmal sprunghaft angestiegen, was den Leuten in Berlin nicht recht war. 1847, diese Zahl wollen wir uns merken. Nebenbei: 1847 ist, als Primzahl, eine Zahl für Singles. Bruckner muss sich, als einer, der nur wenig von seinem Leben mit anderen teilen durfte (wollte er je überhaupt?), oftmals wie eine Primzahl vorgekommen sein; 1847 war er, so ein Zufall, primzahlige 23 Jahre alt. … Um den historischen Exkurs abzuschließen: Im Jahr 2001 wurde, am Vorabend des 102. Jahrestags der Gründung des Vereins für Deutsche Schäferhunde (in Karlsruhe war das), das Kampfhundeeinführverbot eingeführt. Aber wer bitte würde denn sowas sich oder gar jemand anderem antun? Ich finde, Schoßhündchen wie etwa Chihuahuas reichen da völlig zufriedenstellend.

[Bruckner, der arme Teufel, hatte bis ins hohe Alter eine derartige Angst vor Pollutionen, (ungewollte) Selbstbefleckungen, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als eine spezielle Sanitärunterwäsche (Gummiunterhosen) zu tragen.]

[Als wärs die Vorsehung selbst, erreicht uns am 22. April 2015 diese Meldung: „Promisternchen Paris Hilton (34) trauert um ihr Schoßhündchen Tinkerbell. ‹Mein Herz ist gebrochen. Ich bin so traurig und am Boden zerstört›. (…) Sie habe 14 tolle Jahre mit dem Hund verbracht, der an Altersschwäche verendet sei.“ … just am hundertsten Geburtsfest des Chihuahuagebornen. Das kann kein Zufall sein! – Quelle: orf.at]

Dreinreden (21.4.)

Was für einen Unfrieden das Dreinreden doch da und dort stiften kann: Hat nicht Romulus recht gehabt, sich vom gleichfalls wolfsmilchgesäugten Mauerspringer Remus nicht verhöhen zu lassen? … Hätte doch Heloises Onkel Fulbert dem Abaelard seine Freundin gelassen und sich besser selber kastriert! … Und wieviel schöne Sirtaki-Poesie liegt nicht in der ingeniösen Ingenieursbeharrlichkeit eines Alexis Zorbas, sodass ihm seine Materialseilbahn bei der – ähh – Jungfernfahrt derart grandios zusammenkrachen kann, dass wir uns, mit ihm und ermuntert von ihm, aus tiefstem Herzen freuen dürfen!?

strampelnde stampede, strampelende

die beamten mussten einem der tobenden sogar eine fußfessel anlegen. (…) anschließend gab es eine anzeige auf freiem fuß.
kurier.at

strampelnden beinen kommen angelegte fußfessel nicht ungelegen, und es ist tobende. umgekehrt haben freie organe freie füße zu haben, um gefesselte tobende auf freiem fuß anzeigen zu können.
womit wir auch das aufgezeigt hätten.

Schule des Staunens 10.1

Mittwoch, 21. April 2015, 18.30
Donnerstag, 22. April 2015, 18.30

Wiener Konzerthaus (A)
, Berio-Saal
Schule des Staunens
dreinreden
Über künstlerische Autonomie. Und Konfekt.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a4/Anton_bruckner.jpg

Warum gibt es kein Bruckner gewidmetes Konfekt? Was könnte so etwas sein? Eine Marzipan-Kartoffel, die auf seinen oftmals recht kahl dargestellten Schädel rekurriert? Man könnte sie, das wäre doch irgendwie stimmig, plastilinanalog je nach Bedarf verformen. Wie ja auch Bruckner gemeint hat, sich verbiegen zu müssen. – Gehen wir Heutigen ihmgemäß um mit Bruckners erratisch-monolithischer Genialität? Was meinen wir eigentlich besser zu wissen – und woher denn, bitte?

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Die beiden Konzerte (Dienstag/Mittwoch), auf die ich mich (derart und ganz anders) mit meiner Posaune samt Stimme erzählend implizit/explizit beziehen werde, beginnen jeweils um 19.30 im Großen Saal.

Interpreten
Wiener Symphoniker, Orchester
Christian Tetzlaff, Violine
Robin Ticciati, Dirigent

Werke
Robert Schumann: Konzert für Violine und Orchester d-moll, WoO 1 (1853)
***

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104 „Romantische“ (1878-80)


palin-

besitzer bekommt eulen aus „harry potter“-filmen zurück
orfon

geben sie dem herrn also seine nachtaktiven vögel zurück, herzlichen glückwunsch auch. jetzt: wie beschlagnahmt man uhus? (wie man sie zurückgibt ist ja wohl klar: umgekehrt.)

Schule des Staunens 9.2

Nicht ein einziges Paar Dias aus Ostpolen wurde gezeigt. Jedoch: Mit den Ortsnamen wurde Schabernack getrieben, sei es im lepschigen (lepschischen?) Ortsnamenlied („Maid aus Wulkaprodersdorf“) oder in meiner Gelegenheitskomposition „verborte. geographisch-erotische sonate“, deren in diesem speziellen Zusammenhang entscheidende Teile wir in einer Spontaneinstudierung zur Aufführung brachten; beeindruckend die Blattlesekapacità¦t der drei sehr geschätzten Herrn.

Danke auch der Dame am Balkon für ihre beherzte Mitwirkung.

Schule des Staunens 9.1

Freitag, 27. März 2015, 19.30
Wiener Konzerthaus (A)
, Mozart-Saal (Konzertintervention)
Schule des Staunens zu Gast beim Trio Lepschi!
Buenos Dias
(bass erstaunt, mehr oder weniger)

Weise, wahrlich weise, das sind sie, die Herren vom Trio Lepschi, und dieses Trio ist in der Tat mehr als die Summe seiner Teile, noch dazu heute, im Mozartssal, da nämlich befinden sie sich, einer Vorhersage auf ihrer offiziellen Internetrepräsentanz gemäß, auf nichts weniger als „am kulturellen Zenit.“ Indem ich da mitmache, vollziehen wir, ergodessen, die Quadratur des – ääh – Trios.
Ob sich ein vorbeifliegendes Hineinplumpsen oder ein hineinplumpsendes Vorbeifliegen ereignen wird, wird sich weisen.

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Das Konzert, in das ich mich also, mit Posaune und Stimme, mehr oder weniger störend, zu integrieren zu trachten vorzugeben gedenke, beginnt, wie verkündet, um 19.30 im Mozart-Saal.

Interpreten
Trio Lepschi, Trio
Stefan Slupetzky, Gesang, Säge
Martin Zrost, Gesang, Gitarre, Klarinetten
Tomas Slupetzky, Gesang, Gitarre

Vielleicht werden auch ein paar Dias aus Ostpolen gezeigt. Als gesichert gilt: Am Schluss ist auch für Staunende Staunende. Aber nein, das Staunen geht weiter, endlos.

… oder halbleer

nach einschätzung von experten gebe es hoffnung, dass die schäden geringer seien als befürchtet.
orfon

nach einschätzung von experten gebe es befürchtungen, dass die schäden größer seien als erhofft.
nofro

das leben, mit all seinen beschädigungen, es ist ein ständiges dazwischen. hoffen wir also das schlimmste und befürchten wir nur das allerbeste!

Schule des Staunens 8.6

(Zur musikalischen Gestaltung dieser Schule des Staunens)

einmotorisch (quasi neunzylindrisch) nenne ich mein klangliches Leitmotiv, gespielt auf der Basstrompete. Es rekurriert auf die Aufnahme der Baden-Badener Erstfassung (Berliner Funkchor und -orchester, Dirigent: Hermann Scherchen, 18.3.1930). Bei „Der Flieger spricht mit seinem Motor“ unterlegt dabei ein tremolierendes Ostinato (Kontrafagott? Sarrusophon?) das eigentlich komponierte rezitativische Singen, und es soll wohl den Motor imaginieren. Da nun der Motor von Lindberghs Flugzeug, dem (Brecht übersetzt konsequent) Geist von Saint Louis, ein 9-Zylinder-Sternmotor (Wright J-5C Whirlwind, 223 PS) war, lag mir diese (konsequent künstlerisch billige) Assoziation nahe. Und da es so ist, dass meine Basstrompete (wir haben sie das Wunderhorn genannt) über drei Ventile verfügt, stelle ich alles daran, diese Drei mit virtuosestem Spiel zu potenzieren.

Da ich, analog zum berühmten Flieger, an der Entwicklung meines Instruments persönlich beteiligt war, schwinge ich mich auf und behaupte vollmundig: ICH BIN LINDBERGH!*

Den Ausklang bildet mein Stück sich finden, es handelt von zwei Tönen. Man stelle sich den Punkt am Horizont vor, der sich nähert und schließlich eins wird mit dem Boden:

Wenn er ankommt, wird ein Punkt erscheinen am Himmel und größer werden und ein Flugzeug sein und er wird herankommen und auf der Wiese wird herauskommen ein Mann. Wir werden ihn erkennen, wir werden ihn erkennen nach dem Bild in der Zeitung, das vor ihm herüberkam.

(Für diesmal also ein Happy End.)

(Achja?)

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* Gilt lediglich für den Abend des 6. März 2015 und allein in diesem Aspekt. Vgl. auch: Stanley Kubrick: Spartacus (1960) und, davon abgeleitet, Kubrick: Lolita (1962), sowie: Monty Python’s Life of Brian (1979).

Schule des Staunens 8.5

(Nachgestellte Gedanken)

Es taucht die Frage auf, wie so originelle und humorbegabte Komponisten wie Kurt Weill (Ich sage nur Dreigroschenoper – Siehst du den Mond über Soho?) oder Paul Hindemith überhaupt in die Lage kommen mussten, so, nunja, witzlos, bierernst und völlig ironiefrei zu agieren. Erwähnt sei etwa Hindemiths Travestie von Richard Wagners „Ouvertüre zum ‚Fliegenden Holländer‘, wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt“, es ist ein Stück für Streichquartett (entstanden 1925), und wahrlich ein gelungenes Musterbeispiel der doch recht problematischen Disziplin Humor in der Musik. Kierkegaard bemerkt zum Humor, recht treffend, dass dieser immer durch Pathos gegengewichtet sein muss, und das gilt natürlich umgekehrt auch, Pathos ohne Abfederung im Humor ist etwas Hölzernes, aus Sperrholz, nachgerade (sage ich, Blechbläser). Hindemith übrigens hat sich selber immer gerne einen Musikanten genannt (berichtet uns Carl Zuckmayer in seiner Autobiographie), und das ist doch ein sympathischer Zug in unserer nicht ganz vor Dünkeln gefeiten Zunft.

Ich frage mich auch, ob die Kunst der Zeit der Weimarer Republik überall so eckig, ungeschlacht und so derart nicht zum Warmwerden sein musste, stelle die Frage in den Raum, man belehre mich. Wie schaut es mit dem Bauhaus aus? War dieser Zeit ein derartig übermächtigs Vorauswissen der herannahmenden und bald hereinbrechenden Katastrophe eingeschrieben? Als gäbe es rein gar nichts zu lachen beim Tanzen am vulkanischen Abgrund. Alles Anthrazit.

Schule des Staunens 8.4

Bert Brecht war ein Technikbegeisterter der ersten Stunde und wusste das auch für seine Interessen anzuwenden. Mit seinem Werbegedicht „Singende Steyrwagen“ hatte er sich 1927 gar den luxuriösen Sechszylinder Steyr Typ XII erdichtet und hielt in der Folge kapitalismuskritische Bissigkeiten („Fordschritt“) etwas im Zaum – wohl, um sich keine Nachteile im Feilschen um weitere gesponserte Autos einzuhandeln:

Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen
Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz.

(Unwillkürlich fällt einem bei derartigen Zeilen Marinettis gewalt- und kriegsverherrlichendes futuristisches Manifest von 1909 ein.) Für Brecht gewinnt die Fahrt in so einem technischen Wunderwerk symbolische Qualität: Da sind wir ganz nah auch beim Lindberghflug. Die mythologisierende Personalisierung von Flugzeug, Motor (auch des Nebels, Schnees, der Stadt New York, …) erscheinen mir allzu holzschnittartig-bedrückend und schnüren mir den Hals ein. In eine seltsam alttestamentarisch-prophetische Sphäre gar taucht er die Spekulationen der französischen Zeitungen über diesen Flieger, der da kommt:

Auf unsern Kontinent zu, seit mehr als vierundzwanzig Stunden, fliegt ein Mann. Wenn er ankommt, wird ein Punkt erscheinen am Himmel und größer werden und ein Flugzeug sein und er wird herankommen und auf der Wiese wird herauskommen ein Mann. Wir werden ihn erkennen, wir werden ihn erkennen nach dem Bild in der Zeitung, das vor ihm herüberkam. Aber wir fürchten, er kommt nicht. Die Stürme werden ihn ins Meer werfen, sein Motor wird nicht durchhalten, er selber wird den Weg zu uns nicht finden. Also darum glauben wir: wir werden ihn nicht sehen.

Die Furcht, er komme nicht, verweist vielleicht auch auf Brechts eigene Unfallerfahrungen. Nämlich bereits am 20. Mai 1929 weicht er einem auf seiner Spur entgegenkommenden, einen LKW überholenden Rowdy geistesgegenwärtig aus, indem er in den Straßengraben lenkt und den Wagen an einem Baum zum Stehen bringt – nur „unbedeutende Verletzungen“, verfasst in der Folge möglicherweise selber (unter dem Namen A. Stöcker) einen kuriosen Unfallbericht*, der in ein Lob des Steyr-Wagens mündet – und bekommt tatsächlich einen neuen!

http://www.bonn-space.de/schrott/gifs/brecht8.jpg

Einem anderen Großen, Italo Svevo (eig.: Ettore Schmitz), kostet ein ähnlicher Unfall (regennasse Fahrbahn, Baum, …) im September 1928 das Leben. Seine Witwe Livia Veneziani Schmitz erinnert sich, er sei nach dem Autounfall an dem Schock, den sein Herz nicht ertrug, gestorben. Der sterbende Svevo, als man ihm am Tage nach dem Unfall das Rauchen verwehrte: „Das wäre wirklich die letzte Zigarette.“

_________________________
* Ein lehrreicher Autounfall, in: Uhu. Das Monatsmagazin. Berlin, 1929 (S. 62-65).

Schule des Staunens 8.3

Zurück zum Werk. Nach der Baden-Badener Erstfassung vom 27. Juli 1929, einem seltsamen Gemeinschaftsprojekt mit Paul Hindemith, wurde bereits am 5. Dezember 1929 die revidierte Fassung des Lindberghflugs (mit ausschließlich Musik von Kurt Weill) uraufgeführt und in der Folge publiziert – wodurch aus der Radiomusik eine Art weltliches Oratorium wurde. Schließlich hat Bert Brecht 1950 (knapp vor Weills Tod, von diesem aber nicht mehr sanktioniert) den Text dahingegen geändert, als er Lindberghs Namen völlig eliminiert, bis zur Titeländerung in Der Ozeanflug. Und er verfasst eine Vorrede:

An die Veranstalter und Hörer des Lindberghflugs: Hier hört ihr den Bericht über den ersten Ozeanflug im Mai 1927. Ein junger Mensch vollführte ihn. Er triumphierte über Sturm, Eis und gefräßige Wasser. Dennoch sei sein Name ausgemerzt. Denn, der sich zurecht fand über weglosen Wassern, verlor sich im Sumpf unserer Städte. Sturm und Eis besiegten ihn nicht, aber der Mitmensch besiegte ihn: Ein Jahrzehnt Ruhm und Reichtum, und der Unselige zeigte den Hitler-Schlächtern das Fliegen mit tödlichen Bomben. Darum sei sein Name ausgemerzt. Ihr aber, seid gewarnt: Nicht Mut, noch Kenntnis von Motoren und Seekarten tragen den Asozialen ins Heldenlied.

Schule des Staunens 8.2

Ich eröffne mit Lichtenberg vs. Lindbergh:

„Die Welt muss noch nicht sehr alt sein, weil die Menschen noch nicht fliegen können.“
Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher [D 404] (ca. 1773/75)

Wir alle sind hier (also im Großen Saal) wegen eines Irrtums: Die original intendierte Hörsituation wäre ja jene daheim vor dem Radioapparat. In seinem Film Radio Days (1987) hat Woody Allen ein eindrückliches Stimmungsbild gegeben, wie sich in jener Zeit die Menschen bei wichtigen Ereignissen vor den Radiogeräten versammelt haben, er bringt natürlich auch die legendäre Ausstrahlung von War of the Worlds vom 30. Oktober 1938, dem Vorabend von Halloween. Allen bildet aber nicht die oft erzählte Massenpanik (die ja eher Legende denn historische Tatsache ist) ab, nein, bei ihm verhaut die inszenierte Live-Übertragung der fiktiven Marsianerattacke der unverheirateten Tante ein erotisches Techtelmechtel im Auto.

Charles Lindbergh seinerseits war um diese Zeit schon längst ein gestürzter Engel. Über Hitler sagt er: „Er ist zweifelsohne ein großer Mann und hat, wie ich glaube, viel für das deutsche Volk getan.“ Im Oktober 1938 nimmt er bei einem Empfang in der amerikanischen Botschaft in Berlin den Deutschen Adlerorden aus den Händen von Generalfeldmarschall Hermann Göring entgegen. Nach dem Überfall Deutschlands auf Polen schreibt er in sein Tagebuch: „Wir müssen uns schützen gegen den Angriff fremder Heere und gegen die Auflösung durch fremde Rassen (…) und gegen das Eindringen minderwertigen Blutes.“ Die Beherrschung der Luftfahrtstechnologie betrachtet er als „eines jener unschätzbaren Besitztümer, die der weißen Rasse angesichts einer anschwellenden See aus Gelb, Schwarz und Braun überhaupt das Leben ermöglichen.“ Er spricht bei Massenversammlungen des isolationistischen und offen antisemitischen, rassistischen America First Committe (AFC). Für Innenminister Harold Ickes ist Charles Lindbergh der „amerikanische Nazisympathisant Nummer eins“. Ich nenne ihn einen Moralikarus. 

In Plot against Amerika hat Philip Roth eine düstere Retrovision erstellt, indem er aus der Perspektive des kleinen jüdischen Buben Philip Roth aus Newark, N.J., erzählt, wie es damals war, als Lindbergh, bis knapp vor den Angriff der Japaner auf Pearl Harbour (7. Dezember 1941), Präsident der Vereinigten Staaten war – und dann spurlos verschwand. Mitsamt seinem Flugzeug, versteht sich. 

Schule des Staunens 8.1

Freitag, 6. März 2015, ca. 20.15
Wiener Konzerthaus (A)
, Wotruba-Salon
Schule des Staunens
Lindbergh, Moralikarus

Schon ein merkwürdiges Genre, diese uns heute recht bildungshaft-betulich klingende Radiomusik. Was für eine wertvolle, seltene Gelegenheit, so etwas einmal im Konzert erleben zu dürfen! Wobei, eigentlich sollten wir uns das ja zuhause vor den Empfangsgeräten anhören, uns, wie sich das für eine Schuloper gehört, mit dem sich recht holzschnittartig präsentierenden Ich-Erzähler identifizieren, ein Rollenspiel, wie die Kinder. Und dann ist dieser Lindbergh so gefallen, ein regelrechter Moralikarus, dass ihn Brecht schlussendlich 1950 aus dem Werk eliminiert, „ausgemerzt“ hat…

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/Bourget-statue.jpg

Dem Fliegen und dem Fallen will ich mich also widmen, natürlich – sonst kann es kein Fallen geben – abschweifen, vom Kurs abkommen, zu Woody Allens „Radio Days“, Orson Welles inszenierter Massenverunsicherung bei der Ausstrahlung seiner Bearbeitung von H.G. Wells‘ „War of the Worlds“; und auf die düstere Retrovision von Philip Roth verweisen, der aus eigenem Erleben aus jener Zeit berichtet, in der Charles Lindbergh amerikanischer Präsident war. Und vielleicht dann noch mit Kafka in die südlichen Länder: „Längst schon verlangt es mich dorthin zu reisen und nur mangels Storchflügel habe ich es bisher unterlassen.“

______________________________

Das Konzert auf das ich mich (derart und ganz anders) mit meinem Muthorn samt Stimme erzählend implizit/explizit beziehen werde, beginnt um 19.30 im Großen Saal.

Interpreten
ORF-Radio-Symphonierorchester Wien, Orchester
Rebeca Olvera, Sopran
Tara Venditti, Mezzosopran
Herbert Lippert, Tenor
Rainer Trost, Tenor
Sebastian Noack, Bariton
Nathan Berg, Bassbariton

Armin Wolf, Sprecher
Wiener Singakademie, Chor
Ernst Theis, Dirigent

Werke
„Radiomusiken“ von Kurt Weill

The Ballad of Magna Carta / Cantata (1940)
Down in the Valley / Folk-opera in einem Akt (1948)    

***
Der Lindberghflug / Der Ozeanflug
Radiolehrstück mit Texten von Bertolt Brecht (1929)

Schule des Staunens 7.3

Wer Musik macht, muss imaginieren. Wir sind doch Luftbaumeister, indem wir eben die Luft zum Schwingen bringen (und möglichst dann auch die Herzen, wie es so schön heißt). Dafür aber benötigen wir den Willen zur Resonanz. Und den darf ich nicht penetrieren.

Ein Parsifal-Vorspiel etwa, das nicht imaginieren will, was da alles noch passiert, welcher innerliche und äußerliche Prozess den involvierten Personen noch bevorsteht, sondern das lediglich abgespielt wird, als wärs ein Konzertstück, muss deplaà§iert wirken, als ziemlich redundante Abfolge von zwei, drei holzschnittartig verzahnten Motiven – und dafür aber wäre es mehrfach zu lange und so es ist ein Missverständnis, es auf einen Konzertspielplan zu setzen: Man verfertige besser stattdessen ein Potpurri der beliebtesten Melodien (einen Director’s Digest, gewissermaßen), in dem dann auch nicht der recht effektvolle zweite Akt fehlen muss, und schreite, instantly, binnen zwölf, fünfzehn Minuten zur Erlösung dem Erlöser.

Das wäre ehrlicher gewesen. Tut mir leid.

(Die Symphoniker aber können nichts dafür; zumindest nicht im Konzert selber.)

Schule des Staunens 7.2

Staunen, wenn man dann das Bezugskonzert besucht hat, lässt einen manchmal auch, wie ein Orchester in der Lage ist, zusammen zu spielen, obwohl ihnen jemand vorsteht, der einen Dirigenten lediglich darstellt, indes aber keiner ist. Ich ziehe meinen Hut vor den Wiener Symphonikern. Natürlich kann es so nicht wirklich zur Interpretation eines Werkes kommen. Das Verhindern des Auseinanderfallens eines so komplexen Gebildes, wie es nun einmal ein Orchester bzw. ein Orchesterwerk ist, kann man aber auch schon als respektable Leistung bezeichnen. Respekt auch dem Konzertmeister Florian Zwiauer, wie er seine Aufgabe umsichtig – und aber ohne irgendjemanden zu desavouieren – wahrgenommen hat. So konnten alle das Gesicht wahren. Der irregeleitet-irreleitende Dirigentedarsteller konnte ja seines nicht verlieren; zumindest dem Publikum gegenüber nicht, dem er ja, und das ist kein Vorwurf, den Rücken kehrte.

Schule des Staunens 6.9

In einem Theater geschah es, dass die Kulissen Feuer fingen. Hanswurst erschien, um das Publikum davon zu unterrichten. Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte; er wiederholte es; man jubelte noch mehr. So, denke ich, wird die Welt zugrunde gehn unter dem allgemeinen Jubel witziger Köpfe, die da glauben, es sei ein »Witz«.

Sören Kierkegaard, in: Entweder – Oder (aus dem Dänischen von Heinrich Fauteck); entnommen dem äußerst empfehlenswerten (weil in der Tat vergnüglichen) Bändchen »Kierkegaard zum Vergnügen«, Reclam, Stuttgart, 2013. (S. 26)

Schule des Staunens 6.8

Etwas Wunderbares ist mir widerfahren. Ich ward entrückt in den siebenten Himmel. Dort saßen alle Götter versammelt. Aus besonderer Gnade wurde mir die Gunst gewährt, einen Wunsch zu tun. „Willst du“, sprach Merkur, „willst du Jugend oder Schönheit oder Macht oder ein langes Leben oder das schönste Mädchen oder eine andere Herrlichkeit von den vielen, die wir in der Kramkiste haben, so wähle, jedoch nur eines.“ Ich war einen Augenblick unschlüssig, dann wandte ich mich mit folgenden Worten an die Götter: Hochverehrte Zeitgenossen, eines wähle ich, dass ich immer die Lacher auf meiner Seite haben möge. Da war auch nicht ein Gott, der ein Wort erwiderte, hingegen fingen sie alle an zu lachen. Daraus schloss ich, dass meine Bitte erfüllt sei, und fand, dass die Götter verstanden, sich mit Geschmack auszudrücken; denn es wäre ja doch unpassend gewesen, ernsthaft zu antworten: Es sei dir gewährt.

Sören Kierkegaard: ad se ipsum, in: Entweder – Oder (aus dem Dänischen von Heinrich Fauteck); entnommen dem äußerst empfehlenswerten (weil in der Tat vergnüglichen) Bändchen „Kierkegaard zum Vergnügen“, Reclam, Stuttgart, 2013. (S. 25)

empirischer befund /2

ich schrieb: „hören sie ives‘ vierte symphonie, den 2. satz. das erklärt etliches.“
hier setze ich fort, nämlich: es wird im übrigen ives gerne kauzigkeit attestiert (valentin: dem sowieso). jedoch: nehmen sie sich vor kauzigkeitsattestierern in acht. allzuleicht ist es, aufs erste verstörend-schrullig erscheinendes mit dem verdikt der kauzigkeit abzutun und so zu verhindern, es näher an sich (und die eigene, pardon, kauzigkeit) heranzulassen. was für genüsse und, großes wort: erkenntnisgewinne einem doch beständig durch die – selber immer unkauzigen – krallen, pardon: finger rieseln!
ich will mir das nicht entgehen lassen, passiv nicht und aktiv erst recht nicht, elabà¦Ä!

Schule des Staunens 7.1

Donnerstag, 26. Februar 2015, 18.30
Freitag, 27. Februar 2015, 18.30
Wiener Konzerthaus (A)
, Schönberg-Saal
Schule des Staunens
Dialog über die Tumbheit (und den Toren)
Gäste: Atanas Dinovski und Paul Schuberth, Akkordeon

http://www.muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix500px/duedt.jpg

Jawohl, es geht um die Torheit. Warm und rein. Ist ja aufgelegt, wenn das Parsifal-Vorspiel kommt, und, als beschließende Klammer und gewissermaßen nachgereichte Vorbedingung, die Reformationssymphonie, in der Mendelssohn mit dem gleichen Klang-Logo hantiert wie später Wagner. Aufgelegt ist auch, dass ich bei dieser Gelegenheit Atanas Dinovski und Paul Schuberth einladen will, mein Stück DÜDT [tilt] für Akkordeonduo zu spielen. Es sei Folie für allerlei Anstellungen über die Torheit, und ich werde wohl moderierend eingreifen, wir werden Einblicke geben in die Werkstatt des Schreibens und Erarbeitens, um hernach ein jeder, als fröhlicher Tor, so klug als wie zuvor sein zu dürfen, wollen wir offen hoffen.

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Die beiden Konzerte (Donnerstag/Freitag) auf die wir uns (derart und ganz anders) mit zwei Akkordeons, sowie der unvermeidlichen Posaune samt Stimme erzählend implizit/explizit beziehen, beginnen jeweils um 19.30 im Großen Saal.

Interpreten
Wiener Symphoniker, Orchester
James Ehnes, Violine
Mark Elder, Dirigent

Werke
Richard Wagner: Vorspiel zu „Parsifal“
Benjamin Britten: Konzert für Violine und Orchester d-moll op. 15    

***
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Symphonie Nr. 5 D-Dur op. 107 „Zur Feier der Kirchen-Reformation“

empirischer befund /1

zum beispiel kaffee. oder erdnüsse. erdnüsse werden anderswo anderswie geröstet als anderswo. das mag jetzt wie das valentin-karlstädtische curiosum von den fremden unter fremden klingen. aber so ist es.
(hören sie ives‘ vierte symphonie, 2. satz. das erklärt etliches.)

Schule des Staunens 6.7

Nach-Nachtrag bzw. GENERELL GILT:

„Dass die wichtigsten Dinge durch Röhren in der Welt ausgerichtet werden.“

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher [C 250]

Schule des Staunens 6.6

(Materialien, eingewoben in meine Schule des Staunens am 9. bzw. 10. Februar 2015 im Wiener Konzerthaus)

Damit wir uns verstehen – wir verstehen uns; wir verstehen uns immer; immer, wenn wir sagen „wir verstehen uns“, verstehen wir uns, haben uns schon immer verstanden, verstanden?! – MNOZIL, das sind keine blöden Blechtrotteln. Sie sind ja auch meine Freunde und Kollegen. Wer etwa ein Streichquartett, also den dritten Satz des dritten, von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch, sich so herrichtet, wie wir das eben gehört haben* (nach dem Pas de deux-Adagio aus dem dritten Akt von Aram Chatschaturjans Ballett Spartakus, bekannt aus Rundfunk und Fernsehen** und vom Trio Lepschi, dort mit singender Säge), den kann man nicht für ganz blöd halten. – „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“*** – Denken die sich wohl, und bei mir kommt so etwas sehr gut an, darf ich Ihnen verraten. Dass sie das Stückl dabei etwas gekürzt haben und von d-moll/F-Dur nach c-moll/Es-Dur transponiert haben – geschenkt!

NACHTRAG
Das perfekte Ei dauert in Wien, so habe ich im Radio gehört, laut der unverzichtbaren Applikation „Die perfekte Eieruhr“ exakt 4 Minuten 33. Ob das der John Cage gewusst hat?

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* Es war wohl der bekennende Schostakowitschoholiker Gerhard Füssl.

** Die Onedin-Linie lief ab ca. 1972 im ORF, etwa 85 Folgen lang. Bis heute kann ich mir nicht vorstellen, warum man sich das ansehen soll; nur Das Haus am Eaton Place war noch fader (52 Episoden).

*** Johann Wolfgang Goethe: Faust I (Vorspiel auf dem Theater) [1808]

blaugrau? graublau?

wer tauben füttert, füttert ratten
magistratsweisheit (deutscher sprachraum)

auf der insel im süden. die tauben, hier zugleich kanarienvögel, sie fliegen alert wie falken und gurren sympathy for the devil.
gomerisches gelächter? mir graut es.

Schule des Staunens 6.5

(Materialien, eingewoben in meine Schule des Staunens am 9. bzw. 10. Februar 2015 im Wiener Konzerthaus)

„Bedenken Sie, meine Damen und Herren Blechbläser, was Ihr Instrument alles von Ihnen zu erleiden hat. Im Grunde genommen wird so ein Blechblasinstrument während des Spielens von ihnen pausenlos vollgespuckt. Sie bemerken es ja selbst, wenn Sie den Schalltrichter ihres Instrumentes nach dem Konzert über dem Konzertpodium ausschütteln und ausleeren. Die Konzertpodien der ganzen Welt sind vom ausgeschütteten Speichel der Blechbläser überall richtiggehend gebeizt. Das können Sie, wenn Sie den Boden genauer anschauen, überprüfen. Und bei den meisten Blechbläsern vieler Orchester habe ich den Eindruck, dass die Instrumente von ihnen weniger gespielt als genotzüchtigt werden. Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, ob Sie das auch wünschenswert fänden, wenn jemand sie zum Mund führt – sie mundeinwärts vollspuckt, dann nachblasend das vollgespuckte weiter durchstößt, nur damit auf ihrer anderen Seite irgendein Ton herauskommt?“

Gert Jonke, Chorphantasie (2003)

traumflug

da bist du also, beabsichtigt (es war ein früher start), mit reiseaugenbinde (beidseitig, nicht modell pirat) und von der stirn letztlich herabrutschender, mithin aufgesetzter lesebrille eingeschlafen. im nachsinnen beim aufdämmern wunderst du dich, dass dein traum (eig. sind es immer träume, mehrzahl) trotzdem nicht scharf war, auch nicht ganz in der nähe (was interessant gewesen wäre, möglicherweise, es verschwimmt einem ja alles allzu schnell), sondern mehr so waberig, wie das durch die zugestopften ohren dringende turbinengeräusch (eig. sind es turbinengeräusche, mehrzahl: es handelt sich um ein regelrechtes geräuschgemisch, welches einen vorwärtstreibt). derart gedämft (sediert, im wörtlichen sinn: das reisesitzmöbel, mit wenig verstellbarer rückenlehne) stellt sich die frage, was nun mit den anderen sinnen angestellt wird, in zehn kilometern höhe, und wie das sein wird, herunten dann wieder.
wärmer, hinwärts. hehe.

Schule des Staunens 6.4

(Materialien, eingewoben in meine Schule des Staunens am 9. bzw. 10. Februar 2015 im Wiener Konzerthaus)

Kann ein Pferd lachen?

Ein angesehener Psychologe hat den Satz niedergeschrieben: „… denn das Tier kennt kein Lachen und Lächeln.“

Das ermutigt mich zu erzählen, daß ich einmal ein Pferd lachen gesehn habe. Ich dachte bisher, das könne man alle Tage behaupten, und getraute mich nicht, Aufhebens davon zu machen; aber wenn es etwas so Kostbares ist, will ich gern ausführlich sein.

Also es war vor dem Krieg; es könnte ja sein, daß seither die Pferde nicht mehr lachen. Das Pferd war an einen Schilfzaun angebunden, der einen kleinen Hof umgrenzte. Die Sonne schien. Der Himmel war dunkelblau. Die Luft äußerst milde, obwohl man Februar schrieb. Und im Gegensatz zu diesem göttlichen Komfort fehlte aller menschliche: Mit einem Wort, ich befand mich bei Rom, auf einem Landweg vor den Toren, an der Grenze zwischen den bescheidenen Ausläufern der Stadt und der beginnenden bäuerlichen Campagna.

Auch das Pferd war ein Campagnapferd: jung und zierlich, von dem wohlgeformten kleinen Schlag, der nichts Ponyartiges hat, auf dem ein großer Reiter aber aussieht, wie ein Erwachsener auf einem Puppenstühlchen. Es wurde von einem lustigen Burschen gestriegelt, die Sonne schien ihm aufs Fell, und in den Achseln war es kitzlig. Nun hat ein Pferd sozusagen vier Achseln und ist darum vielleicht doppelt so kitzlig wie der Mensch. Außerdem schien aber dieses Pferd auch noch je eine besonders empfindliche Stelle an der Innenseite der Schenkel zu haben, und jedesmal wenn es dort berührt wurde, konnte es sich vor Lachen nicht halten.

Schon wenn sich der Striegel von weitem näherte, legte es die Ohren zurück, wurde unruhig, wollte mit dem Maul hinfahren und entblößte, wenn es das nicht konnte, die Zähne. Der Striegel aber marschierte lustig weiter, Strich vor Strich, und die Lippen gaben nun immer mehr das Gebiß frei, indes sich die Ohren immer weiter zurücklegten und das Pferdchen von einem Bein auf das andere trat.
Und plötzlich begann es zu lachen. Es fletschte die Zähne. Es suchte mit der Schnauze den Burschen, der es kitzelte, so heftig es konnte, wegzustoßen; in der gleichen Weise, wie das eine Bauernmagd mit der Hand tut, und ohne daß es nach ihm gebissen hätte. Es trachtete auch, sich zu drehen und ihn mit dem ganzen Körper fortzudrängen. Aber der Knecht blieb im Vorteil. Und wenn er mit dem Striegel in der Nähe der Achsel anlangte, hielt es das Pferd in keiner Weise mehr aus; es wand sich auf den Beinen, schauderte am ganzen Leib und zog das Fleisch von den Zähnen zurück, so weit es nur konnte. Es benahm sich dann sekundenlang genau so wie ein Mensch, den man dermaßen kitzelt, daß er nicht mehr lachen kann.

Der gelehrte Zweifler wird einwenden, daß es dann eben doch nicht hat lachen können. Darauf ist ihm zu antworten, daß dies insofern richtig sei, als der von beiden, der jedesmal vor Lachen wieherte, der Stallbursche war. Das scheint in der Tat nur ein menschliches Vermögen zu sein, vor Lachen wiehern zu können. Aber trotzdem spielten die beiden sichtlich in Übereinstimmung, und sobald sie wieder von vorn begannen, konnte gar kein Zweifel daran bestehen, daß auch das Pferd lachen wollte und schon auf das wartete, was kommen werde.

So schränkt sich der gelehrte Zweifel an der Fähigkeit des Tieres darauf ein, daß es nicht über Witze zu lachen vermag.

Das aber ist dem Pferd nicht immer zu verübeln.

Robert Musil, Nachlaß zu Lebzeiten (1936)

Schule des Staunens 6.3

(Materialien, eingewoben in meine Schule des Staunens am 9. bzw. 10. Februar 2015 im Wiener Konzerthaus)

Kafkas Freund Max Brod berichtet, wie dieser beim Vorlesen des ersten Kapitels des Romans „Der Proceß“ so schallend gelacht hat, dass er die Lesung immer wieder unterbrechen musste. Das Fatale an Kafkas visionären Karikaturen der frühmodernen Gegenwart war ihre Präzision: die Unbestechlichkeit der Beobachtung und die Originalität und Wucht der Übertreibungen.

Das Tierwerden ist die Potenz jener Komik, die eine Verkleidung oder ein Kostüm hervorbringt. Das Tier ist der radikale Clown: die existenziellste Form der Verkleidung.

Kafka ahnte, dass der in ihm präsente Ernst alle Heiterkeit überschatten könnte. „Ich kann auch lachen, Felice, zweifle nicht daran“, schreibt er 1913 in einem Brief, „ich bin sogar als großer Lacher bekannt.“ Stolz erzählt er seiner Geliebten, wie er seinen Vorgesetzten während einer ernsten Zeremonie von Lachkrämpfen geschüttelt jeder Autorität beraubte. Dem Präsident kam gar nicht „die Möglichkeit der Respektlosigkeit vor seiner Person“, Kafka und seinen Kollegen aber schon.
„Natürlich lachte ich dann, da ich nun schon einmal im Gange war, nicht mehr bloß über die gegenwärtigen Späßchen, sondern auch über die vergangenen und die zukünftigen und über alle zusammen, und kein Mensch wusste mehr, worüber ich eigentlich lache.“ Es ist dieses libertäre, respektlose Lachen, das in Kafkas Werk nie verstummt ist.

„Wie heißt du denn?“ fragt man ihn. „Odradek“, sagt er. „Und wo wohnst du?“ „Unbestimmter Wohnsitz“, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende.

Aus: Die Sorge des Hausvaters

Schule des Staunens 6.2

(Materialien, eingewoben in meine Schule des Staunens am 9. bzw. 10. Februar 2015 im Wiener Konzerthaus)

„Das Zweckwidrige als der Hauptanlass des Lachens: zweckwidrige Bewegung, Formen, Farben. Demnach fiel die Geburt des Lachens in die Zeit, da die Menschen sich ihrer Zwecke bewusst wurden. […] Man lacht, wenn einer beim Gehen fällt — d.h. über die zweckwidrige Bewegung der Beine; diese fasst man zuerst auf. Nicht über den Gefallenen lacht man, sondern über das Fallen. Man lacht über einen Hut, den der Wind fortträgt; entweder als phantastische Natur, weil ein Hut nicht zum Fliegen bestimmt ist, oder als Phantast, weil das Fliegende statt Flügeln die zweckwidrige Form eines Hutes besitzt. Außerdem belustigt einen der Betroffene, wenn er plötzlich zu laufen beginnt; eben ging er vielleicht noch langsam und sicher seinem Ziel zu. Man gewöhnt sich an seinen Lauf; da streckt er die Hand nach dem Hut aus; der fliegt davon, der Mann torkelt; man lacht wieder; statt zu erreichen, was er wollte, bewegt er sich sinnlos. Zugleich fliegt noch immer der Hut; je öfter er schnappt, je hartnäckiger der Hut Vogel bleibt, je häufiger der Anlass sich wiederholt, umso mehr lacht man. Bis das Ereignis zu einem System wird, zu einer bestimmten Anzahl von Versuchen, deren einer gelingen wird. Sobald man sich das Spiel so denkt, vergisst man zu lachen. — Die Ereignisse haben einen Zweck bekommen. Sie bedeuten einem nicht mehr als die tausend Zwecke tausend anderer.“

Elias Canetti, aus dem Nachlass (1932)

Siehe, insbesondere, hier.

Schule des Staunens 6.1

Dienstag, 9. Februar 2015, ca. 20.15
Wiener Konzerthaus (A),
Schubert-Saal
Dienstag, 10. Februar 2015, ca. 20.15

Wiener Konzerthaus (A),
Mozart-Saal
Schule des Staunens – Pausenintervention
Dummes, lustiges Blech?
Ad: Mnozil Brass

„Kennen Sie eine lustige Musik? Ich nicht.“ Soll Schubert gesagt haben. Der Februar aber, der ist schon ein lustiger Monat! Und Mnozil, das sind ja überhaupt die lustigsten, die man sich vorstellen kann … OBACHT! … Wir (hier bin ich besonders stolz aufs gemeinschaftliche Wir), wir mögen zwar vom Blech sein, aber blöd sind wir deswegen noch lange nicht; zumindest nicht durchgängig. Wir werden aber nicht zum Gegenbeweis antreten; denn möglicherweise handelt es sich um eine falsch gestellte Frage.

https://muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix500px/nosax.jpg

Mnozil, damit das auch für die allerletzten Skeptiker oder Falschverstehenwoller klar ist, das ist nicht Comedy, das ist Clownkunst auf der allerhöchsten Stufe. Die dreifache Affirmation „YES, YES, YES!“ darf also getrost als Geste des Understatement verstanden werden.

https://muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix500px/mnozilyesyesyes.jpg

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Die beiden Konzerte (Montag/Dienstag) auf die ich mich erzählend implizit/explizit beziehen werde, beginnen jeweils um 19.30 im Großen Saal. Und sie sind längst schon ausverkauft, was auch sonst.

Interpreten
Mnozil Brass, Ensemble
Thomas Gansch, Trompete, Flügelhorn
Roman Rindberger, Trompete, Flügelhorn
Robert Rother, Trompete, Flügelhorn
Leonhard Paul, Posaune, Basstrompete
Gerhard Füßl, Posaune
Zoltan Kiss, Posaune
Wilfried Brandstötter, Tuba

Werk/Programm
„YES, YES, YES!“ (UA)

selber schuld

die schuld ist immer zweifellos
franz kafka

wenns zu lichtmess stürmt und schneit
ist der frühling nimmer weit
bauernregel zum tag

klima: wetter schuld an falschen prognosen
orfon

ja genau, und die frauen mit den kurzen röcken, die sind auch selber schuld, wenn man sie begrapscht. und die karikaturisten, wenn man sie abschlachtet, und da reden wir noch gar nicht von den walen.

(schön wärs)

mit pkw gegen betonmauer – zwei verletzte
orfon

(1) pkw
(2) betonmauer

(wir wünschen rasche genesung. besinnung inklusive.)

wig who?

there are known knowns: there are things we know that we know.
there are known unknowns: that ist to say there are things that we know we don’t know.
but there are also unknown unknowns: there are things we do not know that we don’t know.
and each year we discover a few more of those unknown unknowns.
donald rrumsfeld

wigald boning und seine frau haben sich getrennt
orfon

tja, ich hab nicht einmal gewusst, dass sie beisammen waren. (vgl. d.r.)
nichtfernseher, das ist wie antialkoholoker oder ungläubiger: eine definition ex negativo, wobei du als in eine (oder in eine schnittmenge) dieser gesellschaftschichten gehörende person nicht auch nur irgendeine schlüssigkeit erkennen kannst, weshalb dich über die nichtzugehörigkeit zu einer für dich irrelevanten, weil durch ein völlig bei den haaren herbeigezogenes unterscheidungsmerkmal sich konstituierenden gruppe definieren musst. man sagt ja auch nicht: nichtflügler oder: flossenloser. (bei menschen)

dies in betracht gezogen habend bin ich, was herrn boning und seine frau betrifft, selbstredend nach kürzester recherche voll im bilde. allen also alles gute und: kopf hoch!

Schule des Staunens 5.3

Wie bereits unter Punkt 5.2 verlautet, nannte sich mein Vortrag, den ich im Anschluss an das begeisternde Konzert des Ensembles vivante am 20. Jänner 2015 im Berio-Saal gehalten habe, „bienenfleißig Anstellungen über eine zweifelhafte Tugend“.  Da es sich um einen voll ausgewachsenen und liebevoll-komplex componà®rten Text handelt, erspare ich Ihnen und mir, hier weitere Teaser anzubringen, sondern ich stelle lieber gleich das komplette Manuskript zur privaten Verfügung. Ecco:

https://muetter.at/cms/fileadmin/user_upload/pix72dpi/download_pdf_button.jpg

Fleißig, immer fleißig: So gefällt uns das.

Und danke für den Konzerthaus-Honig. (Bilder und entsprechende Erläuterungen folgen.)

verbindlich verbunden

pacta sunt servanda
juristische grundregel

derart fordernd, wie ein sich seiner marktmacht voll bewusster konsument (an der grenze zur präpotenz), wie der zweite bass des rechts aufgestellten chors in bibers „missa salisburgensis“ sein „et expecto resurrectionem mortuorum“ singt: wenn ich dieser drangeglaubte gott wär, hüten tät ich mich, das nicht einzulösen. wolln wir hoffen, dass er weiß, wies geht.

Schule des Staunens 5.2

Dienstag, 20. Jänner 2015, ca. 21.30
Wiener Konzerthaus (A),
Berio-Saal
Schule des Staunens – Nachspiel
bienenfleißig – Anstellungen über eine zweifelhafte Tugend

… so ungefähr werde ich am kommenden Dienstag nach dem Kapsberger-Konzert von vivante im Berio-Saal loslegen.

Oisdaun [säuselnd]:

„Meine Damen und Herren, schön, dass Sie zur Schule des Staunens in den Berio-Saal gefunden haben. Ich eröffne meinen Vortrag einfallslos und faul mit dem einschlägigen Eintrag zum Thema (Fleiß, nicht Bienen) in der verdienstreichen Online-Enzyklopädie Wikipedia:

Das Wort Fleiß stammt von dem germanischen Wort Kampfeseifer (oder Streit) ab und bedeutet arbeitsame Zielstrebigkeit. Fleiß gilt als so genannte bürgerliche Tugend.
Seit einigen Jahrzehnten wird das Wort (nicht unbedingt die Eigenschaft) – im Rahmen einer generellen Ablehnung „bürgerlicher“ Sekundärtugenden – auch negativ konnotiert. Obwohl Fleiß als Eigenschaft sowohl privat als auch im Beruf zweifellos geschätzt wird, spielt man sie manchmal gegen andere Gaben, die teilweise konträr liegen (wie Intelligenz oder Spontaneität) aus. Dagegen sind ähnliche Wörter (aber auch des Fleißes wichtigste Bestandteile wie „arbeitsam“ oder „zielstrebig“) von diesem Wandel im Sprachgebrauch weniger betroffen.
Vielfach wird diese leicht abwertende Sicht von Fleiß mit „Bravheit“ assoziiert, in Schule oder Gruppen auch mit „Angepasstheit“. Dennoch ist diese Art der arbeitenden oder lernenden Beharrlichkeit auch in der Wissenschaft notwendig, wo der Fleiß nicht durch Intelligenz „ersetzbar“ ist. Fleiß bedeutet hier nicht nur, sich durch manche wissenschaftliche Durststrecke hindurch zu arbeiten, sondern auch das eigene Verstehen durch zielstrebiges Lernen zu fördern. Dazu kann z. B. auch manche wiederholende Tätigkeit gehören – wie das Auswendiglernen von Wendungen, Gedichten oder Formeln. Das Einprägen wichtiger Basiskenntnisse lässt sich nicht immer durch pures Verstehenwollen ersetzen, das in unserer Zeit meist höher im Kurs steht als Fleiß.

Soweit Wikipedia. Als Illustration dort dient übrigens eine „Darstellung von Fleiß in einem Glasfenster im Münchner Rathaus“. Sie raten richtig: Wir sehen einen Bienenkorb, fast, als wäre er von Wilhelm Busch gezeichnet. Zu Busch später.“

… etliche hervorragend Fleißige jedenfalls werden uns begegnen. Die Frage, ob wir paradigmatisch faule Künstler (Compositöre gar) kennen, werde ich auch stellen. Und den populären, vielschreibenden Dichter, den ich aber für faul halte: Den Teufel werde ich tun, ihn beim Namen zu nennen.

Sodala Schluss: Mehr verrate ich jetzt nicht.

Schule des Staunens 5.1

Dienstag, 20. Jänner 2015, ca. 21.30
Wiener Konzerthaus (A), Berio-Saal
Schule des Staunens – Nachspiel
bienenfleißig

Mir gefällt nämlich das Wort bienenfleißig, und eine oberflächliche Vorausrecherche zum Barberini-Papst Urban VIII. auf Wikipedia hat mich zusätzlich neugierig gemacht. Was man doch alles mit Fleiß zusammentragen kann, als Bienenzüchter. Komplementär dazu muss mir Lars Gustafssons »Tod eines Bienenzüchters« einfallen, ein Buch, für das man ein Leben lang dankbar sein kann (Haushofers »Die Wand« gehört auch dazu). Vielleicht ziehen überhaupt die Bienen durch meine Betrachtungen, schwänzeltänzelnd und bienenfleißig selbst mitten im kalten Winter.

Mir gefällt zudem, dass der Bienenzuchtverein Sulzbach-Rosenberg in der schönen Oberpfalz sowohl Bildnis als auch Bienenwappen Urbans VIII. auf seiner Homepage als Teil seiner Identität präsentiert. Dass aber Kapsberger niemals deutsch gesprochen haben dürfte, enttäuscht mich schon ein wenig.


Urban VIII. verwandte große Summen für bauliche Maßnahmen in Rom, wovon heute noch die allgegenwärtigen Bienen seines Wappens zeugen, die Arbeit, Sparsamkeit und Süße symbolisieren. Am 18. November 1626 weihte er nach 120 Jahren Bauzeit den Petersdom ein. Dass er für Berninis Altarbaldachin über dem Grab des Petrus vom Pantheon die noch vorhandene Bronzeverkleidung entfernen und einschmelzen ließ, ist eine von ihm selbst lancierte Legende, um aufkommende Kritik abzufangen; vielmehr wurde die Bronze für Kanonen verwendet. Auch viele andere antike Baudenkmäler litten unter seinen Baumaßnahmen. So gab er das Kolosseum in Rom als Steinbruch frei, so dass noch heute in Rom das lateinische Sprichwort umgeht: »Quod non fecerunt Barbari, fecerunt Barberini« – »Was die Barbaren nicht schafften, schafften die Barberini«. Er ließ die Engelsburg verstärken und mit modernen Kanonen ausrüsten. Das südöstlich von Rom gelegene Castel Gandolfo wählte er zu seiner Sommerresidenz.
wikipedia (14.10.2014)


Das Konzert, auf das ich mich (derart und ganz anders) mit Posaune und Stimme erzählend implizit/explizit beziehe, beginnt um 19.30 im Mozart-Saal. Mein Beitrag geschieht diesmal als Nachspiel, und wir werden sehen, ob ich da auch Protagonisten von vivante begrüßen darf.

Liebe am Hof des Bienenkönigs

Wie fleißige Bienen sollen Künstler und Wissenschaftler Papst Urban VIII. alias Maffeo Barberini in Rom umschwärmt haben, der die Bienen im Wappen trug, die noch heute die gedrehten Säulen des von Gian Lorenzo Bernini gestalteten Hochaltars des Petersdoms bevölkern. Geschaffen wurden sie aus Kupfer des antiken Pantheons, weshalb man die aristokratisch herrschende Papstfamilie der Barberini mit den Barbaren gleichsetzte. Und auch in Liebesbelangen war der päpstliche Hofstaat nicht zimperlich. Davon handelt auch die aus dem Barberini-Umkreis überlieferte Musik von Giovanni Girolamo Kapsperger, die Amor profano und sacro in allen ihren Ausprägungen besingt, von der Schönheit der Geliebten ebenso schwärmt wie sie über das Leid des Liebenden klagt oder, geistlich geläutert, in zerknirschte Reue versinkt und Gott inbrünstig um Vergebung anfleht.

Interpreten
vivante, Ensemble
Tore Tom Denys & Erik Leidal, Tenöre
Christopher Dickie, Theorbe, Barockgitarre, Colascione
Anne Marie Dragosits, Cembalo, Orgel
Daniel Pilz, Viola da Gamba, Barockgitarre
Reinhild Waldek, Barockharfe, Blockflöte

Werke
Giovanni Girolamo Kapsberger (ca. 1581–1651)