Schule des Staunens 6.8

23. Februar 2015

Etwas Wunderbares ist mir widerfahren. Ich ward entrückt in den siebenten Himmel. Dort saßen alle Götter versammelt. Aus besonderer Gnade wurde mir die Gunst gewährt, einen Wunsch zu tun. „Willst du“, sprach Merkur, „willst du Jugend oder Schönheit oder Macht oder ein langes Leben oder das schönste Mädchen oder eine andere Herrlichkeit von den vielen, die wir in der Kramkiste haben, so wähle, jedoch nur eines.“ Ich war einen Augenblick unschlüssig, dann wandte ich mich mit folgenden Worten an die Götter: Hochverehrte Zeitgenossen, eines wähle ich, dass ich immer die Lacher auf meiner Seite haben möge. Da war auch nicht ein Gott, der ein Wort erwiderte, hingegen fingen sie alle an zu lachen. Daraus schloss ich, dass meine Bitte erfüllt sei, und fand, dass die Götter verstanden, sich mit Geschmack auszudrücken; denn es wäre ja doch unpassend gewesen, ernsthaft zu antworten: Es sei dir gewährt.

Sören Kierkegaard: ad se ipsum, in: Entweder – Oder (aus dem Dänischen von Heinrich Fauteck); entnommen dem äußerst empfehlenswerten (weil in der Tat vergnüglichen) Bändchen „Kierkegaard zum Vergnügen“, Reclam, Stuttgart, 2013. (S. 25)