ÜberBegabung
Es ist doch so: Wenn einer es geschafft hat dranzubleiben, vom Künsteln zu leben, gar als eigene künstlerische Persönlichkeit durchzugehen, bei dem muss doch von allem Anfange an für Alle eine Außerordentliche Begabung Clar1 erkennbar gewesen sein.
Die Umstände meiner Kindheit und Jugend haben indes wenig davon preisgegeben, sodass – ich habe leider dafür Beweise2 – ich mich bis heute für einen im handelsüblichen Sinn kaum begabten Musiker halten muss, und mittlerweile komme ich auch ganz gut zurecht damit.
Wohl wurde dem Volksschulkind eine gewisse Musikalität zugesprochen, aber das bedeutete nichts besonderes, ich hatte halt einen schönen Stimmklang, dazu eine natürliche Intonationssicherheit. Es war da aber niemand, der etwas damit anfangen oder daraus machen hätte können, und wie die Florianer Sängerknaben ihren Talentescout3 auch an der Volksschule Am Plenklberg vorbeischauen haben lassen, hat meine Mutter abgewunken, wenn ich zu den Sängerknaben käme, würde ich dort doch nur um meine Kindheit gebracht4. Das war’s dann für die Volksschule. In der schmucklosen Betonkirche von Steyr-Münichholz5 habe ich glockenhell und vielsprachig6 »Hallelu, hallelu, hallelu, halleluja«, »Siehe wir kommen kommen mit Jauchzen« und »Die Erde ist schön« gesungen (später, reifer, dann den sagenhaften Lyrikerguss »Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer«), und mit den stets dreistimmigen7 Sternsingern war ich auch unterwegs, während Toni Innauer im Schneetreiben vom Bergisel gesprungen ist, mit Traumnoten.
Erst in der Ersten Gym konnte ich in die Musikschule, Blockflöte, da bin ich nicht extra aufgefallen; auch nicht, als ich, meiner wulstigen Lippen wegen, dem mir völlig unbekannten Tenorhorn zugeführt wurde.8 In der Stadtkapelle war auch der Etlinger Reinhard der klar bessere – kein Wunder, sein Vater, der Etlinger Sepp war schließlich (neben dem Schuhgeschäft in Garsten) auch Hornlehrer, namentlich die ›Oberon‹-Ouverture hat er mit sicherem und wunderbar ruhigem Ton anheben lassen, der Rest hat sich dann für die ganze Kapelle quasi von selbst gespielt.
Eine wichtige Weichenstellung war, nach sechs Jahren Tenorhorn, der Umstieg zur Posaune, beim gleichen Lehrer, vor allem aber, dass ich bereits drei Wochen danach (März ’82 muss es gewesen sein) beim Ennsthaler den Melem9 getroffen habe, wir sind z’red’t wor’n, er hat mir von ihrer Jazzband erzählt, vielleicht könnten sie mich brauchen. So habe ich mitgemacht, erstmals ohne die korrigierende Kontrolle durch meinen Lehrer. Ganz ehrlich, auch dort bin ich nicht extra aufgefallen. Aber ich habe die Band organisiert (ein Name10 musste her!) und aufs Podium gejagt. Aufgrund einer gewissen Exotik11 und eines unleugbaren Skurrilitätsfaktors brachten wir es bis zu einer Single und, als Krönung, einer LP.12
Das war es dann aber auch. Wir zerstreuten uns, aber nicht ganz, denn für die Wahl meines Studienortes war ausschlaggebend, dass Melem (der Bassist) und Petermandl (Trompetermandl) nach Graz gezogen waren, naive Vorstellungen, die Band könne so zusammenbleiben. Schneckn. Ich ging zur Aufnahmsprüfung für Posaune, scheiterte komplett. Immerhin, in dem Jahr, da ich Theologie studierte, konnte ich bei der Bigband vom Konservatorium und schließlich bei der zweiten Bigband der berühmten ›Jazzak‹ mitmachen, bin dort allerdings13 nicht extra aufgefallen, und warum auch.
Meine Professionalisierung14 setzte erst mit der Annahme15 des ersten Einberufungsbefehls16 ein: In diesem Jahr beim Bundesheer habe ich geübt als wie, musste ich doch sehen, um wieviel weiter die meisten anderen waren, die oftmals aus dem Musikgymnasium kamen. Und ich hatte eine impulsive, mich engagiert fördernde Lehrerin.17 Schließlich habe ich die Aufnahmsprüfung an der ›Jazzak‹ bestanden, allerdings, wie sich herausstellte, nur weil man für den Hochschulbetrieb (Bigband…) Posaunisten brauchte, ganz sicher nicht, weil man mir eine extra Begabung bescheinigen wollte oder konnte. Der Klassik-Professor18 hat mir denn auch gleich in meiner ersten Unterrichtsstunde hineingerieben, dass er mich nur genommen habe, weil er mich nehmen habe müssen, da ich auch Jazz mache, und wenn ich nicht fleißig sei, werfe er mich wieder hinaus. Was für ein ermutigender Start.
Das Studium ist dann doch irgendwie seinen vorgezeichneten Weg gegangen. Etwas in mir wollte sich individuieren, und ich fand – sosehr man sich in dieser stockkonservativen Institution auch sie zu behindern bemühen mochte – Auswege für Eigenes. Meine Karriere19 ist also eine aufgrund Originalität, nicht aus musikhandwerklich angepasstem Können. Bei einem Probespiel20 o. dergl. wäre an eine zweite Runde nicht im mindesten zu denken gewesen, und irgendwann war das ja auch wurscht so.
Ich hoffe nun, hier mit der Mär vom autständing Tälänt ein für alle Mal aufräumen gekonnt zu haben – Talent nämlich reicht beiweitem nicht. Was mich dann aber doch amüsiert, ist, wenn mir mein Freund Leonhard erzählt, wie ratlos seine Studierenden sind, wenn die Rede auf meine Posaunistenperson kommt.
(Hier endet dieses etwas elliptische Bekenntnis. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.)
- ABC
- Ein kleiner Verweis auf einen meiner Schlüsseltexte von Franz Kafka, die ›Forschungen eines Hundes‹.
- 1972 oder 73 hat das sicherlich anders geheißen.
- So muss ich auch von keinerlei für katholische Internate typischen Brechungen berichten. Historische Erkenntnisse legen nahe, dass ich ihnen davongekommen bin.
- Ein katholischer Flakturm; mittlerweile gelten Bauwerke des Brutalismus ja als schick.
- Praise ye the Lord! / Tumsifuni! / Kiittäkää häraa! / Doxa theou! / Gloire au Seigneur! (sprich: gloar o senjör) / Hambelleld omua! / Alla bòa! / Rumishenyi! / (∞) /
- laut, falsch und mit Begeisterung
- Es ist so: Ich habe mir mein Instrument nicht ausgesucht, es war umgekehrt! (Die Posaune war lediglich Konsequenz des Tenorhorns.)
- … musikalisch grundausgebildet bei den Florianer Sängerknaben. Er habe Glück gehabt, sein Präfekt habe sich (meine Worte) einer größern Sünde schuldig gemacht, der heimlichen Liebe zu einem Weibe.
- ›Gardenschlauch Jazzband‹ – zwei Videodokumente finden sich im Giftkübel.
- Wer bitte sollte sich – Anfang der 80er-Jahre! – schon für eine hart am Rande ihrer musikalischen Möglichkeiten herummarodierende Dixielandband interessieren?! – Gitarren und lange Haare waren angesagt, alles andere galt als verzopft.
- Bei KOCH-Records!
- Ich wiederhole mich.
- … ein großes Wort!
- Als Student hätte man mir bequem Aufschub gewährt.
- »Militääär—musikkk!!!«
- Irene Doss – siehe Reverenzen.
- Ich habe ihn zeit meines Studiums kein einziges Mal Posaune spielen erlebt; sein Name sei gnädig verschwiegen.
- Was ist das eigentlich, eine Karriere? Was wäre das?
- Sowas gäbe es auch für Bigbands, mittlerweile.