etwas epischer

Bertl Mütter
Posaune, Komposition, Text, Stimme

Wenn es ein gewöhnliches Flötenspiel gewesen wäre, würden wir wahrscheinlich bald weiter gegangen sein; denn es ist nichts seltenes, dass man auch noch spät in der Nacht aus irgend einem Hause unserer Stadt Musik hört; aber das Flötenspiel war so sonderbar, dass wir länger stehen blieben. Es war nicht ein ausgezeichnetes Spiel, es war nicht ganz stümperhaft, aber was die Aufmerksamkeit so erregte, war, dass es von allem abwich, was man gewöhnlich Musik nennt, und wie man sie lernt. Es hatte keine uns bekannte Weise zum Gegenstande, wahrscheinlich sprach der Spieler seine eigenen Gedanken aus, und wenn es auch nicht seine eigenen Gedanken waren, so gab er doch jedenfalls so viel hinzu, dass man es als solche betrachten konnte. Was am meisten reizte, war, dass, wenn er einen Gang angenommen und das Ohr verleitet hatte, mit zu gehen, immer etwas anderes kam, als was man erwartete, und das Recht hatte, zu erwarten, so dass man stets von vorne anfangen und mitgehen musste, und endlich in eine Verwirrung geriet, die man beinahe irrsinnig hätte nennen können.
Adalbert Stifter, Turmalin (1853)

Klaus Fritsch sieht Bertl Mütter in den Katakomben des Stephansdoms

Geboren 1965 in Steyr. Im Zentrum seiner musikalischen Arbeit steht das Solospiel, das sich auf vertraute gleichwie entferntere Traditionen bezieht. Bertl Mütter spielt aber auch gerne in (kleineren) Ensembles, wenn auf einander gehört wird. Aktuell etwa das Trio 90YA mit Ewald Oberleitner (b) und Gerhard Laber (perc). Duos gibt es mit Florian Berner (vc), Miki Skuta (p), Matthias Loibner (drehleier) und Christoph Cech (p). Seine Affinität zur Literatur führte zu künstlerischen Begegnungen mit u.a. H.C. Artmann, Franzobel, Josef Haslinger, Ernst Jandl, Gert Jonke und Angela Krauß. Mütter leitet gerne auch Workshops für improvisierte Musik (SPIELEN!)1. Um seine Kompositionen und Spielanweisungen adäquat realisieren zu können, leitet er als primus inter pares Dr. Mütter’s Ensemble der Radikalen Mitte (ERM). Ein gewisser Zug zum Gesamtkunstwerk ist in LOGORATORIUM, OPERAN – Übers Entkommen oder dsudl2 erkennbar. Er komponiert gerne auch für andere, jedoch nicht für die Schublade, in die seine Musik nun einmal nicht passen mag3.

Mütter hat die Musik. Die ist so sehr seine, dass es für die, die sich darauf einlassen, zunächst nichts intellektuell zu verstehen gibt. Das ist die nächste Schicht, und dann folgen die anderen, vielfältige. Allein zu erkennen – zu erahnen –, dass diese sind, genügt, um in Mütters Musik eintreten zu können. Sie ist wie ein Raum, der sich um einen legt, der umfängt und zugleich befreit. Seltsam das.
Michaela Haibl

Jemand hat Bertl Mütter einmal den ›großen österreichischen Posaunenindividualisten‹ genannt. Nun, es ist so, dass er es versteht, das Publikum mit seiner Musik zu bannen, improvisierend und (nach-)komponierend: Im Wiener Konzerthaus hat er 2001 Schubert:Winterreise:Mütter ›einem vorerst irritierten, dann umso begeisterteren Publikum‹ präsentiert. Nach der akklamierten Solo-CD parlando (2004) folgte 2005 muetters muellerin. Für die styriarte wurde 2006 muetters dichters liebe (nach schumann nach heine) aufbereitet, und 2010 folgten die mütterkinderlieder (nachmahler) zu Mahlers Kindertotenliedern. 2020 hat er in seinen aus|cul|ta|tio|nes dem menschenleeren Wiener Stephansdom von ganz unten bis ganz oben ›berückend intime‹ Klänge abgehört.

Ein paar Stipendien vom Staat (Ö; 2002, 2005), im Namen Anton Bruckners (OÖ; 2003) und Weberns (Mittersill; 2003) sowie zum Promovieren (Kunstuni Graz). Seit 2014 lädt der Doctor artium in seine Schule des Staunens, u.a. ins Wiener Konzerthaus. 2016 präsentierte er das Musiktheater »OPERAN! Übers Entkommen«. 2021 hat er für Wien Modern das »LOGORATORIUM« erfunden und im Literaturmuseum Wien als musikalisches Stationentheater präsentiert. 2024 war ihm die Erstellung des Brucknerbriefings4 – schon aus Reverenzgründen – ein dringliches Bedürfnis. Mittlerweile ist er auch in ein Alter gekommen, in dem man ihn mit (undotierten) Ehrenpreisen dekoriert, zuletzt: Kärntner Kulturvogel 2023; im Mai 2024 wurde ihm ventiliert, es seien amtswegig erste Schritte eingeleitet worden, ihn demnächst mit einem weiteren auszuzeichnen. Mehr darf derweil nicht verraten werden – bleiben Sie dran!

Bereits seit 2004 führt Bertl Mütter das Mütterlog5. Außerdem verfasst er Kolumnen und Essays auf einschlägig weltwichtichen Publikationskanälen. Ansonsten enthält er sich generell jedweder sozialmedialer Aktivitäten.

Bertl Mütter lebt als freischaffender Musiker, Komponist und Schriftsteller in Wien, Steyr und unterwegs. Sein indertat exklusives Schagerl-Instrument ist das MUT!HORN-SL.

Schauen – und hören! – wir weiter.

  1. Im akademischen Bereich, aber auch für Laien!
  2. »das schwere und das leichte«
  3. Siehe dazu meine generellen Anstellungen zur Schublade
  4. Briefe & Posaunentöne von, über & Anton Bruckner
  5. Bis 2014 und seit 2020 täglich(!).