Zugluft

3. Mai 2023

Im Leichenzug1. Der nachfolgende, in Echtzeit gehaltene fernschriftliche Dialog ist typographisch saramagoanalog umgesetzt.

Es rapst herein, extrem rapst es herein, vorgelb, Vorgelb, also noch so grünlich und noch nicht knallgelb?, Nein, nur der Rapsgeruch, intensiver Rapsgeruch, trotz Regen, man kann noch nicht ahnen, welches Feld bald schon gelb sein wird, Dass es sogar zu riechen ist im Zug … behalt dieses schöne Wort vorgelb bitte … vorgelbes Riechen. Das ist wahre Synästhetik…

Leider (oder: zum Glück) nein. Der Rapsriecher hatte nur die bald mit dem Geruch einhergehende Gelbe der nachmalig sichtbar offenbaren Rapsfelder entlang der Bahn antizipiert, ein Vorgang schlichten Erfahrungswissens. Aber immerhin.

Man sagt, Geruchserinnerungen bleiben am längsten in uns, bis zuletzt.

  1. In Österreich wird ein Leichenbegängnis kurz Leiche, genannt. Als Leichenzug würde zuallererst der Kondukt, das gemeinschaftliche Hinausziehen von der Kirche zum Friedhof, wo der Sarg der Erde übergeben wird, bzw., heute zunehmend, die Urne in ihre Nische gestellt oder zur Verrottung in das ihr zugewiesene Rasenstück gebettet wird. Die Leerstände auf den Friedhöfen häufen sich hierzulande, aber das ist wirklich eine andere Geschichte. Jetzt aber: Ein Leichenzug kann auch der Zug sein, in dem jemand sitzt, der zu einer Leiche (s.o.) fährt.