Binnensorgen

9. März 2020

Zwei deutsche Passagiere des Kreuzfahrtschiffs »Aida Aura« könnten mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sein. Das Schiff mit rund 1.200 Passagieren lag Dienstagfrüh im Hafen der norwegischen Küstenstadt Haugesund.
kurier.at

Lassen wir uns diese Meldung zunächst einmal schön langsam auf der Zunge zergehen, in seinen so wertzuschätzenden Einzelheiten. In der Folge danke ich Ihnen, wenn Sie mir gewähren, dass ich mir meine Topoi nicht in ihrer arithmetischen Reihenfolge, sondern nach ihrem Insaugspringfaktor vornehme, so übervoll (wie vermutlich das Aida-Schiff mit seinen neuartigen Viren) schwappt alles herein.

In Norwegen, so west-nord-ost-weit-groß das Land auch sein mag, muss man sich beim Zoomen auf der Landkarte (so macht man das mittlerweile, und des öfteren erwischt man sich, diese Aufzwickbewegung auch, völlig unnütz, auf konventionellem Papier zu versuchen, und sieht das jemand anderer, macht man eine die Verlegenheit auflösende Suppenwürfelzerbröselgeste) einigermaßen anstrengen, eine Stadt oder auch nur größere Ansiedlung aufzuspüren, die nicht an seiner (Norwegens) darmzottengleich multipelst aus- bzw. eingefältelten (also alles andere als einfältigen) Küste liegt. Bei persönlicher Recherche taucht mir, immerhin, zuerst das irgendwie Sinnliches verheißende Geilo auf. Nun, dass ein Schiff in einer Küstenstadt anlegt und eben nicht in einem (etwa geiloischen) Binnenland, das musste bitte schon erwähnt werden, danke für die knallharte Faktenrecherche! Und stellen Sie sich aber vor, nicht nur in einer Küstenstadt, sondern noch dazu im Hafen dieser Küstenstadt, allerhand aber auch!

Zum Kreuzzug gegen das Virus aus dem fernen Osten: Schade, dass es in einer heutzutage mit wenig Religiösem assoziierbaren Weltgegend designt wurde. Käme es etwa aus dem arabischen Raum, es ließe sich, in bester Tradition, besser dagegen ziehen. So ist es lediglich ein sich im Voraus ergebendes Zukreuzekriechen. Immerhin und sinnigerweise war ja Aida dereinst eine schlussendlich mit eingemauerte (also isolierte) Königstochter aus Äthiopien im Nordosten Afrikas (seit 1993 ein Binnenstaat). Außerdem ist Aida eine mittlerweile international – auch in den arabischen Raum – expandierende Wiener Café- und Konditoreikette, sowas wie »the McDonald’s of the konditorei«, den Namen hat der Gründer, ein Opernliebhaber, von Verdis Werk genommen, Tosca, ein gleichermaßen final letaler Name (Sprung von der Engelsburg, Italien!), hatte seinerzeit (1913) das Nachsehen, Klammer zu.

Ermüdet nun vom vielen Assoziieren (ein eigener Virus, ich sag’s Ihnen) möchte ich schlussendlich dem Kapitän (oder ist’s eine Kapitänin, warum nicht – speziell wenn’s ums Anlandgehendürfen geht, besitzen da kämpferische Frauen erwiesenermaßen bewundernswerte moralische Stärke, Courage, ja!) meine Hochachtung aussprechen, dass er mit dem Städtchen Haugesund eine dem Namen nach hochkompetente Anlegestelle gewählt hat. Wenn auch über die Methoden der Gesundmachung (Heilung?) eine zeitgemäßere, humanere Methode gewählt werden sollte, als sein Name implizieren mag. Aber ist human noch zeitgemäß? War es es je?

(Warum mir jetzt ausgerechnet der Name Waltraud Klasnic einfällt? – Lesen Sie Josef Haslingers Mein Fall.)

[3.3.2020]