Inkubatur

25. März 2020

(Allgemeine Anmerkung)

Zu einer möglicherweise erwartbaren Tagesaktualität im Mütterlog: Da ich diesen Aschermittwoch (der 26. Februar war’s) das mütterlog als tägliches Medium einer über Ostern hinaus zu haltenden quasipermanenten Fastenpredigt wieder etabliert habe, war klar, dass ich einen gewissen Beitragspolster im Voraus verfassen müsse, damit mir keine unnötige Eile des Textverfassenmüssens knapp vor Mitternacht drohe. Das kann zur Folge haben, dass zum Zeitpunkt ihres Verfassens der aktuellen Lage entsprechende Texte im Verlauf ihrer Inkubationszeit (bis zu ca. 14 Tage) an Brisanz gewinnen, oder aber auch, dass sie von einer exponentiell galoppierenden Weltrealität rechts überholt werden.

Nehmen Sie also die jeweils erscheinenden Beiträge insbesondere der Rubrik wir sind virus als Beleg, wie sehr sich der einmal niedergeschriebene Augenschein von erst später zum Ausbruch Gelangendem unterscheiden muss, in seinen Einschätzungen, im Grad seiner Lässigkeit und seines Spotts. Beim Erscheinen sind wir alle um einiges klüger oder zumindest faktenwissender geworden. Aber keiner von uns hat es schon immer gewusst, und als Künstler darf man sich da auch nicht klüger darstellen als man ist. Oder, wie es Slavoj Žižek in einem Kommentar in der NZZ ausdrückt: »Die Antwort kennen allein die Historiker der Zukunft.«

Sie sehen: Ich stehe zu dieser zeitlich bedingten Zweigestalt meiner Fastenpredigten. Sie mögen uns auch das Prinzip Inkubationszeit anschaulich vermitteln, auf dass wir die tauglichst möglichen Schlüsse daraus ziehen. Zu beschönigen gibt es sowieso nichts.

[15.3.2020]