WinterMütter 2005

1. Dezember 2005

Liebe MBA,

Winterdienst
(Koblenz Hauptbahnhof, 10. Juni 2005)

… still wird es also dieser Tage, das tut auch einmal ganz gut, 2005 war nämlich schon viel los, äußerlich (Meilen in der Luft, Kilometer am Boden) wie innerlich (MenschenMusik). Im Dezember nehme ich nur noch die CD zu Mütters Müllerin auf (ich räume ein: das ist auch nicht gerade nichts). So sei dieser MütterBrief genutzte Gelegenheit, einmal nicht von meinen künstlerischen Aktivitäten zu erzählen, auf meiner Homepage erfahren Sie ohnehin genug darüber).

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Ich komme ja, das ist bekannt, aus der schönen alten Eisen- und Christkindlrührseligkeitsstadt Steyr. Am Tabor war, so lange man glaubte, sie zu brauchen, die Trollmann-Kaserne (Asylsuchende lassen sie dort jetzt nicht hin; obwohl, es wäre schon schön eingezäunt; diese Menschen mit dem dunklen Blick aus Augen, die Unbequemes sehen mussten – wovon wir bitte jetzt nicht reden wollen -, passen nämlich sowas von nicht in die Lichtinsdunkelpropaganda unserer Spendenweltmeisternation, wir haben ja auch arme Leute, zweifellos). Gegenüber gibt es das Altersheim, ganz in der Nähe (und durchaus praktisch) den Friedhof; und dahinter, an der Geländekante, mit herrlichem Blick auf die Stadt, das Taborresti (so hat es immer geheißen, und nach jeder ministrierten Leich durfte ich dort hin; neuerdings trägt es, neu übernommen, für die noch Diesseitigen sehr genussreich, ein zweites Hauberl). Freitag Nachmittag kauft ganz Steyr im Tabor-Einkaufscenter ein und möbelt sich samstags beim Leiner auf.
Allianz für Kinder, Logo Logo Spendengütesiegel
Mittendrin aber steht das Friedensdorf. Von ihm will ich diesmal erzählen. Und kann es aber nicht. Es ist nämlich ein Dorf ohne Ortstafel, ja ohne Häuser, besteht es doch nur aus einem Türschild samt Büro. Trotzdem aber ist es keineswegs virtuell: Es wird überall dort errichtet, wo Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten medizinische Behandlung (sofort, langfristig und mit Nachbetreuung) brauchen. Die Schwerpunktländer sind Afghanistan, Albanien und Angola. Mit Unterstützung zahlreicher Naturaldienstleister (Fluglinien, Konsulate, Krankenhäuser, Gastfamilien, …) werden vor Ort untersuchte Kinder zur oft lebensrettenden Behandlung nachÖsterreich geflogen, hier operiert und nachbetreut und wieder nach Hause zu ihren Familien gebracht. Eine, und das ist auch (nicht zuletzt wegen der Lokalisationsmissverständnisse, Stichwort: SOS) der ab 1. Jänner 2006 geänderte Name, umfassende Allianz für Kinder. Selbstverständlich schon längst mit dem österreichischen Spendegütesiegel, und das kriegt nicht ein jeder; die 262 peinlichen Fragen haben bei Licht ins Dunkel für das Jahr 2005 etwa bis knapp vor Weihnachten auf ihre – dann doch (selbstverständlich problemlose) Beantwortung warten müssen.
Nicht verkneifen will ich mir einen Seitenhieb auf die beliebten Society-Charity-Veranstaltungen, wo man sich gerne zu (fraglos hochlöblichen) Wohltätigkeitszwecken sehen lassen kann. Wenn die Durchführung eines Fun-Events das gut Zwanzigfache (wodurch wird das bitte finanziert?) von dem kostet, was dann auf dem, bitte lieb in die Kamera lächeln, Spendenscheck oben steht (und das Geld monatelang nicht überwiesen wird), stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, bzw. wer ist wem Mittel zu welchem Zweck? Würde eine NPO (non profit organisation) eine derartige Relation zwischen Verwaltungsaufwand und tatsächlich dem Spendenzweck zuführbaren Mitteln aufweisen, jeder Geschäftsführer säße sofort im Häfm. In Steyr arbeiten sie jedenfalls sehr direkt; dass Michael Schodermayr und Thomas Wöhrer samt kleinem Team kaum Zeit zum, damit verglichen, unaufwändigen Wunschpunschtrinken bis zum Wohltätigkeitsrausch haben, müsste ich eigentlich gar nicht mehr anmerken.
Bitte informieren Sie sich auf der einschlägigen Homepage der Allianz für Kinder, rufen Sie an (07252-80263) und vor allem: Spenden Sie.

Ich schließe meinen Kreis zur oben geschilderten Umgebung in Steyr-Tabor: Im Sinne der Lebenden bitte ich, von weihnachtlichen Kranz- und Blumenspenden abzusehen, sondern die dafür vorgesehenen Beträge der Allianz für Kinder, Konto 27.300, Raika St. Ulrich, BLZ 34543 zu spenden.

Nachsatz: Jeder Euro, der bis 31. Dezember mit dem Vermerk WinterMütterBrief (oder kurz: WMB) eingeht, wird von mir (bis zum – hoffentlich überschrittenen – Zehnfachen meiner monatlichen Spende) verdoppelt. Versprochen.

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Ehe ich mich Mit den besten Wünschen für heuer verabschiede, will ich versuchen, wieder leichter (keinesfalls aber unernst) zu werden. Adalbert Stifter soll mir dabei helfen:
Wir müssen hier bemerken: welch ein rätselhaftes, unbeschreibliches, geheimnisreiches, lockendes Ding ist die Zukunft, wenn wir noch nicht in ihr sind – wie schnell und unbegriffen rauscht sie als Gegenwart davon – und wie klar, verbraucht und wesenlos liegt sie dann als Vergangenheit da!
(A. S., Der Hagestolz, 1844)
In diesem Sinn: Meine bald gegenwärtigen (etc.) Termine (viele sind das momentan nicht, ich erinnere an die Illustration ganz oben) finden Sie wie immer in meiner Terminvorschau.
Und was vorbei ist, ist vorbei, es liegt, wir haben es eben gelernt, verbraucht und wesenlos da, nachzulesen genau da.

In der Zwischenzeit (= sog. Gegenwart) ein schönes Leben, vor, während und nach Weihnachten. Und im Neuen Jahr. Und so weiter.

Mit den besten Wünschen,

Bertl, 40.

Bertl Mütter