vorfriedhofslärm, reflektiert

16. Juni 2012

gang zum briefkasten – wie eine polarexpedition.
lars gustafsson, der tod eines bienenzüchters

im mondschein, auf den gräbern
hockt eine wild-gespenstische gestalt
ein aff ist’s!
hört ihr, wie sein heulen hinausgellt
in den süßen duft des lebens!
hans bethge, das trinklied vom jammer der erde
(adaptiert von gustav mahler)

nach langem arbeiten war es ein spätes niederlegen geworden. aber dann, urplötzlich und früh in der früh (früher jedenfalls als die täglich kurz vorbeitollenden schulkinder), gellte es herab, unsichtbar hinter den planken des bergwärtigen gartens, aber akustisch gnadenlos tadellos gespiegelt von der friedhofsmauer, hatte sich eine gruppe prustender frauen eingefunden und in regelmäßigen schwällen fanden sie alles zum lachen, ein permanentes losprusten, sodass an schlaf nicht mehr zu denken war. jetzt, rätsel, was konnte der grund sein für diesen allzufröhlichen morgenlärm? war ein historisch inszeniertes begräbnis zu erwarten, zu dem man klageweiber eingeladen hatte, die sich durch das zuweilen an exzessives lachyoga erinnerde kudern mittels dieser gewissermaßen inversen emotionslaute auf umso ausdauernderes heulen, haareausreißen und zähneknirschen einstimmten, vergleichbar einem tiefen kiel, den ein segelschiff mit hohem mast benötigt? je länger das kudern an- bzw., treffender, ausdauerte, umso größer und schauerlicher musste das bald anlandende totenschiff sein, dessen kiel die weiber hysterischer, immer noch hysterischer befestigten.
als um zehn uhr immer noch keine begräbnisglocken läuteten, das gellen weiterhin von der friedhofsseite herabschwoll, ging er hinaus und wollte nachsehen, die recherche sollte, als gang zum briefkasten getarnt, so unauffällig wie möglich verlaufen.
die expedition endete bevor sie beginnen konnte, nämlich bereits ein stockwerk tiefer: die nachbarin hatte die hofseitigen fenster offen gelassen, als ihre freundinnen sie frühmorgens so fröhlich überfielen, und, so das handgeschriebene plakat, das sie neben der wohnungstür an die wand geklebt hatten, anlässlich ihres vierziger’s würden sie heute nicht mehr aufhören mit dem feiern, bis es kracht.
wir gratulieren.