I was made Miss Rheingold though I never touch beer
Eartha Kitt, I Wanna Be Evil
Mime war ein mürrischer Zwerg
Richard Wagner, Götterdämmerung
Witze zu erklären ist eine denkbar undankbare Aufgabe. Also muss ich ausholen.
Wagner, der nach Nero (und ein paar Pharaonen) größte Gesamtkunstwerker, wer wäre er wohl in seinen Werken? Allzuoft werden Tristan, aber auch Wotan, Sachs und Stolzing, wohl auch Tannhäuser, ganz sicher nicht Lohengrin genannt. Bleiben wir beim Rheingold, das nur so von göttlichem Personal, aber auch untergeordnetem Personal (nibelungische Zwerge) und zwei Menschen (von Riesen impersoniert) wimmelt: Wir kommen nicht draus, es ist schlicht die falsche Fragestellung. Spätestens, wenn dann die Urmutter Erda aus Hebebühnenerdentiefen emporhydraulisiert wird, um Wotan zu warnen, vom verfluchten Ring abzulassen, übernasert es auch der Gebannteste, dass das nicht ganz in echt so sein kann, und außerdem sind wir ja katholisch oder zumindest christgläubig. Bei Thomas Bernhard ist es einfacher, ihm werden die monologischen Zeterer zugeordnet, und Vladimir Nabokov, diesem herrlichen Scheusal, wird, je nach Übelwollen, mit dem Monster Humbert Humbert oderaber dem unbeholfen entwurzelten Timofey Pavlovich Pnin gleichgesetzt. Aber sehen Sie, auch das dürfen wir nicht verwechseln: Autor ist Autor, Rolle ist Rolle und dargestellte Person (oder Ich-Erzähler) ist dargestellte Person (oder Ich-Erzähler). Nennen wir es die Blut-Hirn-Schranke allen Erzählens: Ohne ihre Anerkenntnis gibt es kein Theater.
Unsere Gesellschaft ist regrediert, ein zunehmend empörungsbereites Publikum will dieses Faktum nicht wahrhaben und reagiert auf Dargebotenes gleichermaßen gleichsetzerisch, wie in der Kindheit beim Kasperltheater. Aber sehen Sie, auch damals haben wir, wenn der Vorhang zugezogen war und wir die Puppen sehen, oft gar selber in die Hand nehmen durften, den Unterschied erfahren, und keiner hat dem Krokodildarsteller die idente Krokodilexistenz unterstellt. Im Theater, der Zauber, ohja!
Unlängst sitze ich in der Oper, Proszeniumsloge links, erste Reihe, Platz 3: Ich war der der Bühne drittnächste Mensch, undzwar einzigundallein, weil ich, man gab ›Rheingold‹, der Freund Mimes war. Aber, so werden Sie sogleich einwenden, wie kann man nur ein Freund dieses Fieslings sein: Kann man ihn auch zwischendurch ein kleinwenig mögen, letztlich ist es voll nachvollziehbar, dass Siegfried ihn beseitigen muss – wir sind im Märchen, und hätte Mime ihn nach dem Drachenmord erschlagen, wäre auch nicht viel gewonnen gewesen, kein 3. Akt, keine Götterdämmerung, stattdessen ein migränebrüllender Hohlraum.
Sie haben es längst bemerkt: Natürlich bin (oder war) ich nicht mit Mime befreundet, das geht auch aus gewissen anderen Gründen nicht, sondern, erraten, mit dem Darsteller des Mime, Matthäus Schmidlechner, was für ein grandioser Sängerdarsteller, nebenbei gesagt.
Neben mir saß die Mutter von Erda.1
(Das war jetzt auch schon, kurzschließend zur Überschrift, der Witz.)