(Nachtrag zur Gästeseife, aber jetzt!)
Herr Spitzl, man ahnt es schon, hatte keinen Vornamen. Dafür verfügte er über mezzo-mix-braunes, feinst gewelltes, transparentes (keinesfalls als schütter zu bezeichnendes) Haar; hätte man ihn gefragt, ob er es töne (oder gar färbe), er hätte eine solche Unterstellung genau so entrüstet zurückgewiesen, wie der Deutsche Bundeskanzler oder Gerhard Rühm dies völlig zu recht zu tun pflegen. Und geduftet hat er; Herr Spitzl war ein sehr gepflegter, schlanker Herr. Ein Herr, eben.
Seinen Namen, stelle ich mir vor, hatte er von seinen Fingern, besser, Fingerspitzln (Kuppen kann ich mir bei ihm keine vorstellen), denn er richtete die Köpfe der Buben (die auf seinem Pumpsitz unwillkürlich zu strammen Knaben mutierten), mit festen, beinahe schmerzenden, wenn ich es mir genau überlege: schraubzwingengleichen Fingern millimetergenau ein, bevor er ihnen mit Schere und seinem am Genick wohlig schaudern machenden, brummenden Elektroscherer zu Leibe rückte. Bewegen war strengstens verboten, (flaches) Atmen erlaubt. Zum Abschluss versteifte man sich ohnehin unwillkürlich von selbst und hielt den Atem ganz an, denn da rückte er dir mit seinem ausgeklappten Rasiermesser zu Leibe, das er vorher am karmesinroten Abziehriemen schärfte, dabei summte oder pfiff er ein Liedchen durch seine gespitzten Lippen: seine weberknechtbeinchenlangen Finger massierten dir scheinbar beiläufig ein paar Tropfen Rasierwasser seiner persönlichen Duftnote in den Nacken, dann kratzte er den ungezogenen Flaum von deiner Knabenhaut ab, aufwärts vom Krepppapierkragen, brrr.
War er dann, am Ende der Behandlung (Herr Spitzl war gewissermaßen der Zahnarzt für die Haare), mit dir zufrieden (und du selber hattest einen steifen Hals, der bis ins Steißbein ausstrahlte), gab es eine pastellfarbene, linsenförmige Gästeseife als Belohnung, danke Herr Spitzl.
Sonst hat uns Herrr Spitzl nicht angerührt, und auch auf der Straße hat er uns nicht gekannt; obwohl, zurück gegrüßt hat er schon.
(morgen: Herr Bürstl)