Wozu man früher dem Liessmanne das Mikrophon hinhielt (oder hat er es zu sich herangezogen?), dass er sich dazu rasch und klug äußere, dazu befrägt man seit einiger Zeit die recht denk- und redegewandte Philosophin Hirn. Wir wollen es unterlassen, nachzurecherchieren, ob es sich dabei um ihren bürgerlich ererbt- bzw. erheirateten oder einen – klug oder nicht, das sei dahingestellt – Nom de Guerre handelt, das Lisz indes dürfte eine selbstgewählte Kurz- oder, je nachdem, im Freundeskreis dereinst vergebene Koseform sein, und wirklich, die ununterlassbare Kurzrecherche hat die Vornamen Elisabeth und Katharina geoffenbart, da ist es klar, dass sie nicht ihren schönen Zweitnamen Katharina, wie das etwa in den USA üblich wäre, mit K. zwischen das Elisabeth (oder: Lisz) und Hirn platzieren mag, es ergäbe unzulässig-dümmliche Schnellschlüsse. Zurück, reden wir wieder über Lisz Hirn, der man das Mikrophon hinhält. Auffällig, und das allein sei der Grund, warum ich ihr, ich geb’s zu, nicht gerne zuhören mag, nicht zuzuhören vermag, auffällig ist der Stress, den sie beim Reden ausstrahlt, als drohte ihren Emanationen der unmittelbare Entzug des Mikrophons, aber es ist eine klare Interview- oder sogar devote Wortspendesituation, kein Politiker einer anderen Partei, auch kein Precht will ihr ins Wort fallen, sie hätte alle Zeit, ihre Gedanken auszubreiten, es kommt aber ein dichter Strahl daher, wie aus einem Feuerwehrschlauch, als hätte sie sich selbst die Vorgabe gemacht, eine gewisse Silbenanzahl pro Sekunde zu liefern und diesen Weltrekord vor jedem neuen Mikrophon noch einmal überbieten zu müssen, ihre zweifellos brillianten Gedanken scheinen sich überholen zu wollen, es ist ein einziger amorph daherkommender Sprachbetonschwall, der die Zuhörenden abriegeln lässt, und wann bitte atmet die kluge Frau denn, bei einem Beistrich erlaubt sie es sich nicht, und es handelt sich um diesbezüglich ungeschnittene Aufnahmen, die sie da im Radio bringen, kein technisch beschleunigtes Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker (m/d/w sagen sie nicht, es ist keine Zeit, die Geld ist), was für eine Begabung, und bedenkt man erst, dass das Hirn zum Arbeiten viel Luft braucht, bräuchte, was da noch drin ist, drin wäre, ich empfehle jedenfalls, ihre Bücher zu erwerben und sie aber in langsamem Tempo zu studieren, wahre Philosophie verlangt danach, es lohnt, und wir wollen jetzt aber endlich tief durchatmen, ruckzuck!
Sein und Haben
23. September 2022