Notizbüchl

18. Januar 2005

Es war letzten August. Ich war in Raabs an der Thaya und habe beim Blunznweltmeister Strohmer im Gasthaus Zur goldenen Krone gewohnt, ein Ambiente, bei dem ich mich in eine von Anna Viebrock ausgestattete Marthaler-Inszenierung versetzt fühlte. Die Wirtin hatte stark und fein geäderte Wangen, die wie Radieschen aussahen, wenn man sie frisch aus der Gartenerde zieht, oder wie eine frisch aufgeschnittene Rote Rübe; irgendwie erinnerten sie auch an Saumaisen, die Adern schienen ein Netz zu bilden, das ihre vollen Backen zusammen zu halten schien.
An diesem Wochenende im Spätsommer, es war Poetenfest, stellte ich mir knapp vor Geschäftschluss vor, dass es ganz nützlich sein könnte, so ein Notizbüchl zu besitzen, mir fallen nämlich immer wieder so Sachen ein, und die verfliegen manchmal, wenn ich sie nicht schnell skizziere. Also erstand ich ein hässliches Format-X DIN A6-Heft. Trotz des unerträglich bemühten jugendlichen Designs fanden schnell ein paar brauchbare Sätze ins bald schmuddelige vierzigseitige Heftlein. Das machte Mut, ich beschloss, mir bald ein feineres, inspirierenderes, nobel zurückhaltendes Notizbuch zu kaufen, am besten das klassische von Moleskine, das schon Bruce Chatwin oder Vincent van Gogh genutzt haben sollen. Geplant, umgesetzt, so ein schönes Büchl.
Seither habe ich exakt 4 (in Worten: vier) Seiten in dem für schnelle Gedanken viel zu edlen Bändchen beschrieben. Das Blunznbiachl aus Raabs aber ist heute, dicht beschrieben mit allerlei Ideen, Mitschriften und recht vielen recht banalen Alltagsinformationen, voll geschrieben. Bis ich wieder so eines finde, muss ich mit einem immer noch etwas zu eleganten roten Heft vorlieb nehmen, denn das schon angeschaffte und als nahtlose Fortsetzung gedachte karierte Sudelbuch hat mir meine Liebste entwendet: Sie will sich ihre schnellen Gedanken nämlich auch notieren. Dabei hat sie ein Handy, in das sie wie in ein Diktaphon hineinreden könnte.