Lieber Thomas Glavinic,

16. September 2006

es tut mir leid, aber ich habe es nicht weiter geschafft als bis Seite 188, dann habe ich, entgegen meinen sonstigen Prinzipien, kursorisch vorgeblättert, bis zum Schluss und Aus. Ihr Buch Die Arbeit der Nacht ist ein Lauf im Hamsterradl, voller ausgelutschter, reichlich vorhersehbarer Allgemeinplätze.

Den Kameramörder (atemlos!) und Wie man leben soll und selbst den jetzt von Ihnen selbstdistanzierend geschmähten Herrn Susi habe ich auf recht unterschiedliche Weise genossen und schätze darum Ihre Vielseitigkeit, sodass ich auch auf Carl Haffners Liebe zum Unentschieden gespannt bin, nicht zuletzt erprobt-zuverlässiger Fürsprecher wegen. (Ich kann es nicht fassen, wie Daniel Kehlmann mit seiner Empfehlung diesmal derart daneben hauen hat können.)
Die Arbeit der Nacht aber beleidigt die Intelligenz lesender Menschen (ganz abgesehen von seiner sprachlichen Dürftigkeit und diesem mangelhaften Lektorat). Ein Plot mit einer Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte-Verrückung aus dem über Nacht geschehenen Märchenhaft-Irrealen (im Gegensatz zur Wand aber leider ganzundgar poesielos) mit einer in seinen angeblich realistischen Konsequenzen derartig undurchdachten Wischiwaschi-Beliebigkeit ist nichts anderes als ein katastrophaler verlegerischer Irrläufer. Wenn es schon (das nur als Beispiel), wie sich bald herausstellt, nirgends mehr Menschen gibt, kein TV, Radio oder Internet, warum bitte gibt es dann Strom, Benzin, Wasser? Wohl nur, weil die Geschichte (ist es überhaupt eine?) damit von vorne herein zusammengebrochen wäre.

Was mich noch verärgert hat, waren die recht durchschaubaren Interviews mit diesen eintrainierten Sätzen, die über einen sich mental etwas angekränkelt gebenden Autor für das Buch interessieren sollten. All das (die Kampagne, mehr noch: Das Buch) wäre besser ausgeblieben. Wie gesagt, ich hoffe, dass Carl Haffner Ihren ramponierten Ruf wieder herstellen wird. Darauf aber will ich mich freuen (um positiv zu schließen).

Mit freundlichen Grüßen,

Bertl Mütter