Die Schuld ist immer zweifellos
Franz Kafka, In der Strafkolonie
Ich bin schlagfertig. Aber mit Verzögerung.
Will heißen: Wohl stehen mir geschliffen pointierte Repliken zu Gebote, sie fallen mir jedoch eher (erst) beim Schreiben ein.
Einmal etwa, es muss gut zwanzig Jahren her sein, als ich in den pittoresken Ötschergräben naturanteilig badete und mich ein vorbeikommender Wanderer (ein sog. Älterer Herr; vermutlich damals so alt wie ich beim erinnernden Verfassen dieser Zeilen) zur Rede stellte – was ich mir einbilde, wie denn das wäre, wenn da kleine Kinder vorbeikämen und einen nackten! Mann!! sehen!!! müssten –, da konnte ich ihm, arglos wie ein Kind, keine taugliche Antwort entgegenschicken, sondern ich ignorierte ihn und tauchte unter, da zog er weiter.
Später kam es mir, dass ich ihm raten hätte sollen, dass er, wenn es so sei, dass er beim Anblick eines nackten Mannes an kleine Kinder denken müsse, sich dringend psychologischer bzw. psychotherapeutischer Hilfe versichern möge.
Mittlerweile sind wir beträchtlich weiter. Wir sehen in der Ferne einen nackten Menschen und sind sogleich, wie uns später eingefallen sein wird (Verzug dramatisiert, die Angst, sich zu äußern, und bis uns das herbeizuredende, da inexistente Autoritätsverhältnis eingefallen ist, braucht es auch seine Zeit), Opfer eines vorsätzlichen Übergriffs geworden. Die Meldung erfolgt an der höchstverfügbaren Stelle, und auch Zeugen werden rasch gefunden und nicht verlegen sein, den Sachverhalt zu bestätigen. Der ahnungs- und arglose Naturist ist einmal angepatzt, und den Teufel wird er tun, sich zu rechtfertigen, wolln wir ihm raten, es verengte lediglich die Schlinge. Aus ist es mit dem Baden, das sowieso längst schon: Nicht nur Kinder – so süß sie dabei sein mögen – werden mit dem Bade ausgeschüttet.
(Kind ist übrigens damals keines vorbeigekommen.)