In der Volksschule Am Plenklberg gingen ja nicht nur wir Arbeiterkinder. Walters Vater war geschieden und Ingenieur im Werk, und der Vater von Oliver war gar Vorstandsdirektor. Sie wohnten in einer Direktionsvilla am Rand von Münichholz, wo die Gablerstraße diese Kurve gemacht hat, gleich nach dem Ledigenheim.
Oliver war rothaarig, dick und patschert (ich war auch nicht gerade eine Sportskanone, aber gegen ihn war ich Hans Krankl). Hätte er nicht so unerreichbar ausgefinkelte Spielsachen für apokalyptische Weltraumschlachten gehabt, ich wäre nie zu ihm zum Spielen gegangen, einmal korrumpierten mich die echten Raumschiffmodelle und das Deutsche Fernsehen doch. Aber eigentlich war es dann so fad, dass ich nie wieder bei ihm war und lieber wieder mit Hala meine proletarischeren, erdgebundenen Mätschi-Abenteuer erlebte.
Olivers Eltern waren schon recht alt, er war Nachzügler, und er war wirklich widerlich. Wann immer sich Gelegenheit bot (und er fand etliche), benahm er sich genau so obergescheit wie sein einziger mir damals bekannter Namensvetter, der bei uns damals nur Dick hieß.
Zum Beispiel: Italien, das waren für mich immer Sonne, Sand, Meer und ausschließlich Spaghetti, und ich wusste, wovon ich sprach, waren wir doch jedes Jahr die ersten beiden Ferienwochen in Caorle. Oliver (sein Familienname war unpassendster Weise Herzig) jedoch trumpfte süffisant (ein Wort, das für seine vorstehenden Mauszähne erfunden wurde) mit Pizza auf, dabei markierte er das i mit einem deutlich höheren Sprechton, der beinahe wie Mäusepiepsen klang. (Ich sollte die belegten Germfladen erst mit etwa vierzehn Jahren persönlich kennen lernen.) Fehlte nur noch, dass er über Brunello referierte, während unser familäres Weinwissen maximal bis zu den Tschianti-Korbflaschen reichte.
Und, wir befinden uns immer noch in der Volksschule, gefragt nach seinem Lieblingsbuch, kam mit unvergleichlich arrogantem Ton (so, wie ich das aus diversen Laurel & Hardy-Filmen kannte) der für uns völlig unverständliche Begriff Kischonn. Weil er so wunderbar ironisch ist, erklärte er uns noch ungefragt und seine Beliebtheit nicht gerade in neue Höhen treibend.
Wenn das der selige Ephraim (oder die beste Ehefrau von allen) gewusst hätte.