falschnummer

6. Juli 2010

was für eine entsetzliche verhörsituation, in die er da geraten war. draußen war es schon hell aber merkwürdig vogelstill in diesem hohen talkessel, und sein traumzimmer war südöstlich gerichtet, hochsommer in jeder hinsicht, mit der hier gebietstypischen frische.
aber was für ein verhör? warum wollte da jemand beharrlich wiederholt fragend (bohrend, stetig wiederholend, sicher tausende male fragend, immer die gleiche frage) seine kontonummer wissen, und die frage wurde gestellt, als wäre ein mord geschehen und sie hätte natürlich gelautet: wo waren sie gestern abend zwischen einundzwanzig und dreiundzwanzig uhr?, und er hätte reinsten gewissens den in dieser causa harmlosen ort genannt, was auch überprüft hätte werden können (womit es sich gehabt hätte), aber in wirklichkeit wäre er gar nicht an diesem alibiort gewesen, wie sich herausstellen musste, was er allerdings selbst nicht geahnt hätte, jetzt aber wie da herauskommen?, wer war er oder war er ein anderer? – zum glück aber war das geträumte verhör ein harmloseres, wobei, nach der beharrlichkeit der immergleichen bohrfrage wie lautet ihre kontonummer? bzw., kurz: ihre kontonummer? dieser unbekannten autorität zu urteilen, war sie offenbar von weltbewegender (oder weltanhaltender?) wichtigkeit, er aber wiederholte stetig und immerdar ebenso unschuldigsten herzens laut die ziffern vier-eins-zwo-drei-null-eins-nullnull (das letzte nullnull immer im beschleunigten zeitmaß), was dem verhörpersonal wenig bis keinen eindruck machte, den nachdruck aber erhöhte. von zeit zu zeit kam jemand herein und flüsterte dem leitenden verhörer etwas ins ohr, dann ging wieder jemand hinaus, schlug die tür zu, was aber keinen türknall erzeugte. einmal musste sogar die glühbirne in der verhörschreibtischlampe gewechselt werden, es war aber keine glühbirne mehr da, also musste eine energiesparlampe mit ihrem kelvinkalten licht eingeschraubt werden, was das ganze – trotz der kurzen erholung – noch schlimmer machte, matter aber greller, ging es ihm durch den kopf, während er mantragleich sein vier-eins-zwo-drei-null-eins-nullnull (das letzte nullnull immer im beschleunigten zeitmaß) herunterbetete, und im aufwachen erst schoss ihm sein fehler augenaufschlagsaugenblicklich ein: vier-eins-zwo-drei-null-eins-nullnull war ja gar nicht seine kontonummer!, nein, die umsatzsteueridentifikationsnummer seines einpersonenunternehmens war es, und sofort wollte er zurück, den irrtum aufklären und alles hätte sich in wohlgefallen aufgelöst, seine peiniger wären mit einemmal immer schon die freundlichsten menschen gewesen, sodass keinem noch so hartgesottenen menschenrechtsbeobachter auch nur der hauch eines zweifels an ihrer beinah schon plüschtierhaften harmlosigkeit gekommen wäre, peinlich händeringend lächelnd hätte er dagestanden und alles gestanden, er hätte seine kontokarte gezückt und die korrekte nummer abgelesen, aber sprich nur ein wort – sonst bin ich gesund!, jetzt aber gab es kein zurück mehr, es war zu spät, zwei vor acht, was, wie er erbebend feststellen musste, exakt der finalen quersumme gepaart mit der anzahl der ziffern seiner so unseligen uid-nummer entsprach.
sechster juli. wie weiter altern?