Entkommen (19) – Dem Epigonentum (1)

26. Juli 2016

Natürlich will jeder kreative Mensch Neues, noch nicht da Gewesenes schaffen. Den meisten gelingt lediglich so noch nicht da Gewesenes, und das ist allerdings bereits allerhand: Wir entkommen nicht unseren Vorbildern, mögen wir uns ihrer bewusst bedienen, unbewusst oder qua Negation (ein Anrecht der emporstrebenden Jugend). Wenn schon, dann sind es ein paar Millimeter, und wenigen ist es vergönnt, dass just ihre paar Millimeter Umbrüche größeren Ausmaßes bedeuten oder auslösen – oftmals mit der Verzögerung einer nicht unbeträchtlichen Latenzzeit (Inkubation). Bleiben wir also bescheiden und bekennen wir uns freimütig zu unserem grundsätzlich unentrinnbaren Epigonentum. Wer sich hingegen seiner epochemachenden künstlerischen Eminenz völlig sicher ist und dabei aber bescheiden wirken will, rede sich selber klein, winke ab und schwafle in Künstlergesprächen von seinem zwergenhaften Riesenschulterstehen, „Mag mein Werk als hochgradig individuell gefeiert werden, ich sage Ihnen, es kann allerhöchstens poly-epigonal genannt werden.“ So ist allen geholfen, und der Künstler hat, zu seinem Staunen machenden Werk dazu, transdisziplinär ein neues, ehrliches Wort kreiert, voll eigenständig, ohne Vorläufer und mit etlichen populistischen Abkupferern und Umpfallern.
Nun wissen alle: Wir haben es mit einem Ganz Großen zu tun. Später wird man behaupten, dabei gewesen zu sein und sogleich die epochemachende Tragweite erkannt zu haben, damals im 16er-Jahr.
Anders gesagt: Dem Epigonentum ist nicht zu enkommen. Weder aktiv noch passiv.