Und langsam werma wia ma san
Josef Hader
Besuche bei Freunden. Auch ich gehe auf die sechzig zu, sie sind’s schon, plus, teilweise siebzig minus, das Leben geht und geht dahin. Da sitzt man also, hat sich sehr (und zurecht) aufeinander gefreut, denn immer hat es – mit je stark unterschiedlicher Thematik – angeregte Gespräche gegeben, wir haben gelacht, waren sehr ernst, immer nah aneinander dran im Sein und wohlwollenden Einanderwahrnehmen. Einander, das wäre das Wörtchen, und du merkst, musst merken, dass der Dialog mehr und mehr zum monothematischen Monolog regrediert, sodass du anfängst Text zu reden, damit die äußere Form eines Gesprächs gewahrt bleibt.
Am Land, auf der Terrasse, da kommen gern die Vögel zu den für sie bereitgestellten Körndln, das ist ihnen auch im Sommer bequem, sind ja nicht blöd die Vögel, sehr lieb. Früher als es der Abend geböte geht man hinein, Dann können wir die Vögel besser beobachten. Ja gut, kleiner Themenwechsel, Zimmerbestaunung, aber bald schaut dein Gegenüber zunehmend stieren Blicks an dir vorbei ins Leere, hört nicht mehr zu, ertaubt regelrecht, ein paar Muskel an Unterschenkel und Unterarm spannen sich kurz an, lösen sich wieder, Augenzucken, mitten in deinen Satz, Jetzt ist er da, der Buntspecht, ruhig halten. Du weißt längst, die über Wochen perfektionierte Kameraüberwachung und ihre aufwendige Auswertung am Computer haben ergeben, dass es vier verschiedene sind, und der zerrupfte dazu, Weil wenn du nur kurz hinschaust, kannst du sie nicht so einfach unterscheiden, und die Mandln haben ja hinten diesen roten Fleck. Jetzt ist er weg, Ja, du hast dich zu schnell bewegt, aber er kommt sicher bald wieder. Später wird der Besuch (der Vögel; aber, wer weiß, meiner womöglich auch) in die Excel-Liste eingetragen, es ist eine andere als die mit den Daten der E-Bike-Touren (Route, Kilometer, Dauer, Wetter, Kleidung, allein oder, wenn zu zweit, mit wem, Stromverbrauch,…), Diesen Frühling waren es, obwohl er so kalt und nass war, schon mehr wie letztes Jahr, also wirklich, wer hätte sowas für möglich gehalten (…).
Damit sind die beiden Themen abgejausnet, und sie werden vorabendfüllend wiedergekäut, dazu die unanzweifelbaren Bilddokumentationen, mal Radl, mal Vogel. Irgendwann werden alle Daten metakombiniert. E-Birds, ganz sicher wird’s die einst geben, bald schon.
Anderntags kommen die Wölfe und die Bären dran, städterische Naturschutzromantik und wie es wirklich ist am Land. Das ist ganz sicher ein sehr ernstes Thema, und was weiß schon der (am Land, von anderen, arg testosteronverunsicherten E-Bikern auf ausgewiesen Wanderern vorbehaltenen Wiesenwegen raschheraus unflätig als ein solchiger beschimpfte) Städter von der wahren Natur und ihren Bedrohlichkeiten.
Noch weiter westwärts erwartet dich der akademische Heimatforscher mit seinem weltwichtig wuchtigen Themenbündel.
Zuhören, einfach zuhören. Du musst nicht auch noch zu allem eine Meinung haben, eine abgeschlossene gar.
(Es geht um die Würde.)