ablegen

10. Mai 2020

Das Leben gilt für alle
José Saramago, Das Memorial

Die Eltern, wie sie nach und nach Gewohnheiten aufgeben, eigentlich hergeben: Das geht jetzt nicht mehr, dann das, und so weiter. Bei den Pensionistenausflügen sind sie schon seit gut drei Jahren nicht mehr dabei, es haben ja auch die Jungen übernommen, da können und wollen sie nicht mehr mithalten. Und Mörbisch sieht man ohnehin im Fernsehen besser, außerdem: seit der Serafin nicht mehr dabei ist, heißt es eh nichts mehr, aber nichts gegen diese Deutsche, die ja auch nicht mehr ist.

All dieses Aufgeben erinnert an das zuvor für unvorstellbar gehaltene Ablegen altersgemäßer (kindheitlicher; pubertärer; adolsezenter; …) Gewohnheiten, geborgen in der Sicherheit, dass auf jede eine Lebensphase begleitende Unabkömmlichkeit sogleich die nächste folgte, von der sie rest- und schmerzlos ersetzt wurde, bis zuletzt. Jetzt legen sie ab, mit dem – allerdings entscheidenden – Unterschied, dass keine neuen Wichtigkeiten hinzukommen.

Wie ein Eisbär auf seiner in den Klimawandel hinwegschmelzenden Eisscholle.

Es schmerzt, da zuzusehen, zugleich aber ist es folgerichtig. Und selber, die Eltern, sie scheinen’s gelassen zu nehmen: Wir sind ja nicht die einzigen.

Ja schon






[17.4.2020]