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13. Februar 2007

je müder / ich bin / umso lieber / bin ich / in wien
Ernst Jandl

Nun war er also zurück aus der Spätaufsteherstadt in diesem Spätaufsteherland, wo selbst das Morgenlicht später daherkam, weil es es sich gemütlich machen zu wollen schien.

In seinem Land wurde der wissenschaftlich belegten Tatsache, dass es volkswirtschaftlich weitaus vorteilhafter wäre, den Arbeitstag später, so gegen 9.00 Uhr, zu beginnen, einzigundallein deshalb nicht nachgekommen, weil die entscheidenden Posten in Gewerkschaft und Industrie aus einem teufelskreisenden Grund von militanten Frühaufstehern usurpiert waren, und die würden sich hüten zuzulassen, dass gewisse Sitzungen erst dann begännen, wenn die (ohnehin in diesen Regionen dünn gesäten) Gemütlichaufstehenwoller auch ihre volle Reaktionsschärfe erreicht hätten, wo kämen wir auch hin.

Er aber, müde und aber lokalbewusst, hatte sich den Radio (sic!) in bester Absicht heute früh aufgedreht und konnte so zwei Morgenjournale (eines davon mit ausführlicher Kulturberichterstattung), eine gründliche Programmvorschau (eig. -horch), zwanzig Minuten angeblich am Morgen so wohltuender Barockmusik (er bezweifelte das), eine Sendung über Menschen, Moden, Lebenskunst, Nachrichten in englischer und französischer Sprache, ein ganzes, mit süßelnden Kommentaren durchsetztes Pasticcio (dem Moderator mussten, bei gleichzeitiger Gebetshaltung, die Mundwinkel von einem helnweinschen Klemmapparat nach oben gezogen worden sein), und, im Heraufdämmern, von Drachenhöhlen, Wildfrauen und Riesen im Schlaf (mit einigen wenigen Bewußtseinsinseln) konsumieren.
Ausgerechnet beim Radiokolleg (das Thema diese Woche: In Morpheus‘ Armen) hielt es ihn nicht mehr, ab in die Dusche. Aber die Sendung wurde ja am Abend wiederholt, er könnte sie sich dann im Bett anhorchen, jawohl.