Spezialinsekt

2. August 2006

Außer acht lassend, dass die Natur (jedenfalls was den Makrokosmos betraf, wie man unlängst herausgefunden hatte) wohl die Kugel, nicht aber das Rad erfunden hatte, beobachtete er die Libelle mit dem konstruktionsanalytischen Blick eines Ingenieurs; sie hatte sich in den mit Stuck verzierten großen Konferenzsaal, in welchem die Probe stattfand, an jenem möglicherweise gewitterschwangeren Sommernachmittag verirrt, kreiste panisch ums künstliche Licht und wollte, obwohl alle Fenster geöffnet waren, nicht und nicht hinausfinden. Libellen, deren Männchen sich bei der Paarung am Kopf des Weibchens festkrallen, sodass es vorkommen kann, dass sie ganze Stücke herausreißen, was für das Überleben der Partnerin keine gute Prognose bedeutet, Libellen, das waren so etwas wie insektoide Helikopter, Hubschrauber mit vier noch technologisch-innovativ nachzuempfindenden Schwirrrotoren, halt ohne Halt gebenden kleinen Stabilisierungspropeller hinten, wie bemerkt, aufgrund der Nichtraderfindung seitens der Natur. Trotz ihres ruckartigen Fluges mit seinen unvermittelten Halten (gerade dann, wenn sie besonders panisch schien, pflegte sie plötzlich auf unbestimmte Zeit auszuruhen, völlig ansatzlos) stellte er sich vor, wie es wäre, in so einer Passagierlibelle mitzufliegen, es müsste phantastisch sein, nicht zuletzt wegen der Gedankenkraft, die man aufbringen musste, sich so etwas vorzustellen, stellte er sich vor.
Irgendwie fühlte er sich plötzlich wie Leonardo da Vinci.