schweißen

13. Januar 2005

Wie ich neulich in Meidling in den Zug gestiegen bin, hatte ich Glück und fand schnell ein nur mit einer freundlichen älteren Dame besetztes Abteil. Nachdem ich meine Habseligkeiten verstaut, den Mantel ausgezogen und mich mit diesem zufriedenen Ausatmer auf den nicht zu weich gepolsterten Sessel fallen hatte lassen, verging keine halbe Minute. und ein Herr etwa meines Alters mit kärntner Dialekt fragte is do no(ch) a blazzele frei? – Aber selbstverständlich, bei zwei Passagieren im 6er-Abteil.
Ich ahnte den Fehler, als er die Schwelle der Glasschiebetür nur leicht überragte: der sauber und etwas zu korrekt gekleidete Fahrgast, der mit seinen schmalzig glänzenden schwarzen Haaren keineswegs ungepflegt wirkte, und der in seiner Hand ein erbauliches Bändchen hielt (Titel etwa: Gnade des Glaubens), verbreitete augenblicklich einen gnadenlos stechenden Geruch, der es mir unmöglich machte, länger im Abteil zu bleiben. Fluchtartig verließ ich die streng riechende Kammer und fand Asyl bei einem Schüler, der nur bis Wiener Neustadt fuhr, diesmal hatte ich Glück.
Spontan fallen mir zwei Personen ein, denen ich in meiner späteren Jugend bzw. in der Studentenzeit begegnet bin, beide waren sie katholische Priester, und sie hatten beide dieses ölig schillernde und süßelnde Lächeln (die Lippen etwas zu stark auf einander gepresst). Besonders der neue Kaplan in Münichholz fiel mir als recht verklemmte Natur auf, denn vor jeder unter achtzigjährigen Frau, mit der er sprach, musste er recht ungustiös in eines seiner in allen Talaröffnungen darauf wartendes zerknittertes Stofftaschentuch schleimen. Wir haben uns damals lustig gemacht über den armen Kerl, den ein unbarmherziges Reinheits- und Moralideal zwang, jegliche körperliche (um nicht zu sagen: sexuelle) Empfindung als Sünde wider den rechten Glauben unbarmherzig zu verdammen. Für Pater K. war das Rotzen der Fluchtweg; dazukamen recht fette Haare und ein unnatürlich gesteigerter Bartwuchs, dem offenbar auch nicht mit mehrmaligem Rasieren beizukommen war, immer schmalzten die Bartstoppeln hervor. Sein unerbittlicher Schweißgeruch trug sicher auch dazu bei, dass Pater K. bei uns Jugendlichen sich leider nicht wirklich beliebt machen konnte (und er bemühte sich ebenso redlich wie umsonst, locker auf uns zu wirken). Zugegeben, die Latte nach dem charismatischen und von mir jetzt noch sehr respektierten Pater G. lag hoch; aber auch den hat das System auf dem Gewissen, wie ich heute weiß. Wie es überhaupt wenige katholische Geistliche zu geben scheint (ich kenne ein paar!), deren Pertsönlichkeit vom vorgegebenen System hochgradig gestört und zerstört wird. Das ist sehr schade, und es richtet immer noch viel Schaden an.
Ich erinnere an den großen Viktor Rogy, der zu Zeiten der Roten Lasche eine passende Postkarte mit folgendem Satz bedrucken ließ: Ich empfehle dem Papst: Heirate!