Postäsopische Fabel, mit Moral

1. April 2021

185 Schildkröten in Koffer auf Galapagos-Flughafen
orfon

Von den Galapagosinseln ist es überallhin zuerst einmal weit. Sieht man von den nur wenigen zu Gebote stehenden Raketen ab, so ist das Reisen mit dem Flugzeug die rascheste Art, um weite Distanzen zu überwinden. Zu diesem Zweck sind von den Reisenden gewisse, aufs erste als umständlich wahrgenommene, nichtsdestotrotz logistisch sinnvolle, ja notwendige Prozesse in Kauf zu nehmen. Zentrales Relais dafür ist das Einchecken, bei dem man sich, nach etlichen zuvor daheim oder sonstwo vorgenommenen Buchungsschritten, nun auch vor Ort legitimiert und als zum Reiseantritt bereit meldet. Bei dieser Gelegenheit darf man sämtliches Gepäck, das zu groß ist, um es in die Kabine mitzunehmen, dem System anvertrauen. Man erhält es am Zielflughafen in aller Regel unbeschädigt zurück. So langsam diese Prozeduren auch ablaufen mögen, sie folgen einer genau bemessenen logistischen Kalkulation, die es einem ermöglichen, nach dem Absolvieren von Pass- und Sicherheitskontrolle und dem mehr oder minder planvollen Abäsen aller vorgesehenen Zerstreuungen im Transitbereich doch noch rechtzeitig beim richtigen Flugzeug anzukommen und sich unter gelassener Rücksichtnahme auf die p.t. Mitreisenden ohne zu mogeln in der dem jeweiligen Sitzplatz zugewiesenen Boardingkategorie einzureihen, gemächlich die Passagierkabine zu betreten, das Handgepäck in der überkopf befindlichen Gepäckablage unterzubringen, sich niederzusetzen und den Sicherheitsgurt anzulegen; schwerere Stücke können auch unter dem Vordersitz verstaut werden, es sei denn, man hat, gegen Aufpreis, einen Platz bei den Notausgängen gebucht, da muss, was jeder einsieht, alles freibleiben. Auch bis das Flugzeug dann mit großem Gebraus abhebt, scheint alles eher langsam bis zäh vonstatten zu gehen. 

All diese Vorgänge und Abläufe werden, wie dargelegt, gemeinheitlich billigend in Kauf genommen, denn ab dem Moment, da wir in der Luft sind, wird alles buchstäblich überflügelt, tatsächlich ist das Fliegen mitsamt seinen unvermeidlich inkoorporierten Kriechtempoerfahrungen ab einer gewissen Distanz die schnellste Art, um von A nach B zu gelangen: Die quasi Brownschen Molekularbewegungen, welche die Prozesse vor dem Startvorgang und nach der Landung kennzeichnen, werden, je weiter man entlang der sprichwörtlichen Luftlinie fliegt, nach und nach annihiliert. Zuletzt steuern wir die grün markierte selbsttätige Schiebetür an, nichts zu verzollen nothing to declare nada que declarar.

Schildkröten, diese Igel der Antike, gelten als Synonym für pfiffige Langsamkeit. Man stelle sich den – nennen wir ihn – Reiseleiter vor, wie er mit seinen sageundschreibe 185 Schildkröten zum Flughafen kommt, um sämtliche dargelegten Legitimations- und Eincheckprozesse zu absolvieren: Bereits das Betreten des Terminalgebäudes, zumeinst durch eine zäh und unerbittlich mahlende Drehtür, stellt eine schier unüberwindliche Hürde dar – und zudem ein ärgerliches Hindernis für die anderen Flugpassagiere. Wer würde es ihm nun also verübeln, wenn er seine Obsorge über die kriechenden Tierchen an die in aller Regel so zuverlässig funktionierende Logistik auslagerte? Die anderen Reisenden jedenfalls dankten es ihm.

Und da ist es schon wieder, dieses unbedankte Paradoxon: Wir wissen nicht, was uns alles erspart bleibt, wenn sich alle an sinnvolle Unsancen halten, da ja die Mühen und Beschwernisse nunmal nicht eingetreten sind, die ihre Nichtbefolgung verursacht hätten. Dennoch wird – um im Bild zu bleiben – bei allem verständlichen Unmut, keinem Flugpassagier einfallen, bei der Regierung gegen eine vorgeblich unerträgliche Eincheckdiktatur auf die Straße zu gehen. 

(Ob und mit welchem Vakzin die trägen Tiere geimpft waren, ist nicht bekannt.)