Briefe & Posaunentöne von, über & Anton Bruckner1
Bertl Mütter, Lesung mit Posaune
Ich glaube, die Bruckner-Briefe beziehen ihren Reiz, eine merkwürdige unfreiwillige literarische Qualität und eine gewisse Komik durch die bürokratische Auflistung des Alltäglichen.
Karin Fleischanderl an Bertl Mütter, um Leopoldi 2023
Bruckner aus seinen Briefen2, und ein paar an ihn; erstaunlicherweise hat er selber kaum was aufgehoben. Es ist ein ständiges Ringen um zumindest minimal erträgliche Lebensbedingungen, die er beeindruckend planvoll rein für die Entwicklung seiner Kunst beansprucht, erstaunlich eloquent und (beinahe3) völlig inkongruent mit dem so unselig forterzählten Dictum »Bruckner, ein einfältiger Mensch, halb Genie, halb Trottel«4. Brucknerbriefing erzählt, gliedernd unterbrochen von signalartigen posaunistischen Aneignungen, über Bruckners Entwicklung vom Hilfslehrer, konsequent studierenden Orgelvirtuosen und Improvisator zum letztlich breit akklamierten Großkomponisten, dem es – entgegen dem Bedürfnis seiner Zeit nach Genies5 – nie um seine Person zu tun war, sondern einzigundallein um die Perfektionierung seines eminenten Talents in seinem Werk. Die populäre Reduktion auf Bruckner als einen merkwürdigen Kauz greift da nicht nur zu kurz, sondern völlig daneben.
Brucknerbriefing ist keine philologisch aufbereitete Informationsveranstaltung mit Musikumrahmung, es bietet vielmehr eine Bruckner-Essenz, gegliedert wie folgt:
0. Teil: Bruckner und…: (jeweiliger Ort bzw. Anlass)6
1. Teil: »Hochwohlgeborner, hochverehrtester Herr Hofkapellmeister!« – Anreden (staccato)
2. Teil: »Ich habe hier gar keinen Menschen, dem ich mein Herz öffnen dürfte« – Klagen
3. Teil: »Der Gefertigte wiederholt ehrfurchtsvollst seine unterthänigste Bitte« – Bitten
4. Teil: »Ich habe nur die mündlichen Urteile von den Sachkundigen in einer Weise für mich, worüber die Bescheidenheit mir zu schweigen gebietet« – Erstaunliches Selbstbewusstsein und Netzwerkarbeit
5. Teil: »Danke Dir für das herrliche Fleisch.« – Dank
6. Teil: »Aufs tiefste ergriffen und im höchsten Gefühl der Freude« – Zwei Briefe an König Ludwig II. von Bayern
7. Teil: »Indem ich mich Ihrer ferneren Huld und Gnade empfehle« – Schlussklauseln (1852–1886; staccato)
8. Teil: »Dr Anton Bruckner küßt Frl Helene herzlichst die schönen Händchen für Ihre Liebenswürdigkeit« – Schlussklauseln (1887–1896; legato)
9. Teil: »Winter-Reisekappe aus schwarzer Wolle verloren.« – Zwei specielle Curiosa
10. Teil: »hochllebwolf!« – Finales
TonAnTon, eine trombonautische Bruckner-Immersion, rundet (ehklar, eiernd) das Brucknerbriefing sinnlich ab.
NB: Wer sich das Vortragsmanuskript der Steyrer Uraufführung zu Gemüthe führen will, kann es sich hier (submissest, stricte zu deroselbig höchstprivathem Gebrauche; kostenfrei für den Empfänger) gerne herunterladen.
Uraufführung
Samstag, 18. Mai 2018
Steyr, Stadtpfarrhof (Garten) und Pfarrkirche zum Hl. Ägidius & Koloman
Literaturtage Steyr (Matinée)
Hier schuf Dr. Anton Bruckner in den Ferienmonaten der Jahre 1886-1894 seine letzten großen Werke.
Seinem Ehrenmitgliede: Der M.G.V. »Kränzchen«
Gedenktafel am Stadtpfarrhof Steyr (1908)
(…) Einen extragroß aufgezoomten Steyr-Schwerpunkt mit dem Material zu machen, das sollten wir nicht bedienen; dennoch sind natürlich gewisse Steyr-Bezüge zu servieren, weil es sind da schon einige Gustostückerl unter Bruckners Briefen.
Bertl Mütter an Karin Fleischanderl, um Leopoldi 2023
Uraufführungsnotiz
Der selbst ausgewiesenen Steyrkennern kaum bekannte Garten des Pfarrhofs der gotischen Stadtpfarrkirche Steyr war bis kurz vor dem ersten Brucknerbriefing noch eine regelrechte Gstättn, aber sie haben ihn rechtzeitig so herausgeputzt, dass er sich für eine weitere kulturelle Nutzung eindrucksvoll empfohlen hat. Ich habe mich vor der Mauer postiert, hinter mir Margaretenkapelle und Stadtpfarrkirche, eine eindrückliche Perspektive – und das bei veritablem Kaiserwetter. So wurde dem interessierten, zahlreich erschienenen p.t. Publico ein neuer Ort erschlossen, und das gleich neben der Schwechater, wo im Anschlusse ein herzhaftes Mittagessen in commemoratione Antonii Bruckneri eingenommen wurde.
Danke Klaus-Peter Grassegger und seinem Team von der Pfarre zum Hl. Aegidius & Koloman für ihre bei sämtlichen Anliegen hilfsbereite Gastfreundschaft. Und Karin Fleischanderl, Gustav Ernst und und und …
- (samt Bruckner untergeschobenen false friends)
- Anton Bruckner: Briefe I, 1852-1886 (ISBN 978-3-902681-16-4 / ISMN 979-0-50025-267-2); Briefe II, 1987-1896 (ISBN 978-3-900270-54-4 / ISMN 979-0-50025-234-4)
- Wir müssen, immer, mit Widersprüchlichkeiten zurande kommen; so ist das bei Menschen, u.a.
- : des von Wagner gehörnten Hans von Bülow.
- … dem er selber (Wagner! Allerhöchste Herrschaften!) so verfallen war!
- Das Brucknerbriefing wird – gegen eine lediglich geringfügige Mehraufwandspauschale – an die jeweilige Lok- und Situation adaptiert. Dies gilt auch für die Platzierung der Posaunentöne: Je nach Ort kann es sinnvoll sein, ein längeres Nachspiel anzuhängen oder aber, dass ich zwischen den Teilen extemporiere. Indes: Weder Bruckners Texte noch seine Klänge (in je destillierter Form) sollen zu kurz kommen!