Große Rührung und Entrücktheit unter den Umstehenden
Richard Wagner, Tristan und Isolde
Armin Thurnher hat den Concordiapreis für sein Lebenswerk erhalten, an dem Ort, der dafür geboten ist, im Parlament. Große Feierstunde.
Bei Lebenswerkehrungen, so dächte man, muss es doch üblich sein, dass sich im unmittelbaren Anschluss an die Überreichung der Ehrenurkunde, bei ihrem staatsvertraganalogen Herumzeigen, die ihre Ehre bezeugenden Anwesenden von ihren Sesseln (im Parlament: Drehstühle, mit Kreuzwehgarantie für habituelle Sesselkleber) erhöben, Standing Ovations, zuvor selbige herbeiführendes, effektvoll auf den Gesichtern und im Raum mit der Kamera eingefangenes sich zäh und dann lawinenartig evoltierendes Slow Dramatic Clapping, Tränen der Rührung selbst beim trutzigsten Manne, OMG!
Thurnher aber wurde herzlich, jedoch sitzend beapplaudiert. Es hat sich stimmig angefühlt, denn Armin (ich darf A. sagen) ist mit seinen 76 Jahren nicht das, was man, milde demütigend, ›rüstig‹ oder, niederschmetternd, ›erstaunlich agil‹ bezeichnen würde. Er ist schlicht – vital, und das ohne alle peinliche Jugendlichkeitsattitüde.
Da muss die Feiermeute nicht, von der Gebrechlichkeit des Lebenswerkgeehrten, seinem Verfall, der hinter vorgehaltener Hand, insbesondere, was die schwindende geistige Komponente betrifft, müde betuschelt wird, am allermeisten aber von sich selbst, ihrem Mitgefühl gerührt, sich ein letztes Mal, gerade noch rechtzeitig, zu Lebzeiten!, an seinem bereits geschaufelten Grab, an dessen Rand sie ihn hinzitiert hat, erheben, geschafft! Haben wir das also gerade noch hingekriegt, sodass uns nachher (recht bald schon) keiner vorwerfen wird können, wir hätten allzugerne riskiert, dass er uns ungeehrt in die Grube entschlüpft. Dazu käsiges Spreizlächeln (wir kennen es vom aktuellen oberösterreichischen Landeshauptmann), »Wir treffen uns bald!« heucheln und es aber einseitig meinen. Große Rührung unter den Umstehenden, der Vorhang fällt während der letzten Fermate. Nichts von alldem also, welch Wohltat – eigentlich eine Wohlunterlassung – beim Concordiapreis.
Ein Lebenswerk, so etwas gibt es ja gar nicht. Wenige indes haben sich verdienen die öffentliche Ehrung dafür so redlich wie Armin Thurnher.
So muss einzig vom Ausbleiben jedweder öffentlich-rechtlichen Berichterstattung über diese demokratische Feierstunde, in der zuvor die Preise in den Kategorien ›Menschenrechte‹ und ›Pressefreiheit‹ für aufwühlend exzellenten Journalismus vergeben wurden, als die jeder Großartigkeit hierzulande beigeordnete Niedertracht berichtet werden: Man kann auch passiv an dem Ast sägen, auf dem man selber sitzt. Der ORF führt es uns mit seiner Nichtberichterstattung vor.